31.12.2022 – Jahresrückblick

Mein erstes Jahr mit echtem eigenen Blog, das verpflichtet, also habe ich mir gedacht, auch, weil es zur Abwechslung mal ein sehr gutes Jahr war, schließe ich mich Albrecht von Lucke an und blicke mal auf das Jahr zurück.

2022 begann mit einem ambitionierten Vorsatz: Zo min mogelijk huilen, zo vaak mogelijk klaarkomen, und wie ich hier so im Sessel sitze, kann ich sagen: Ich erinnere mich überhaupt gar nicht daran, auch nur ein einziges Mal geheult zu haben dieses Jahr. Es gab keinen Grund, und das an sich ist ja schon mal ein großer Sieg.

Familie gut, Job gut, in der Verlängerung Finanzen gut, Urlaube gut und viele, was abseits der Reisen fehlte, war Freizeit, aber das kommt dann nächstes Jahr, soweit der Plan. 2022 habe ich sehr sehr viel gearbeitet, ich könnte jetzt eine Stundenzahl nennen, aber die klingt gelogen. Ich habe die allermeisten Mahlzeiten in diesem Jahr am Schreibtisch zu mir genommen, was aber dazu führt, dass ich hoffentlich 2023 keine einzige Mahlzeit am Schreibtisch zu mir nehmen werde, die angepeilte Stundenzahl für 2023 ist 1.000, das ist quasi nix, und das ist nach den letzten drei Jahren nötig, aber auch möglich, und wie fantastisch ist das denn! Die Person, mit der ich mich in diesem Jahr inhaltlich am meisten beschäftigt habe, war Karl Lauterbach, und das muss anders, er spricht zu langsam, das geht alles von meiner Zeit ab. Aber jetzt mal chronologisch.

Januar.

Unspektakulärer Monat, ich wurde ein Mensch mit Lesebrille, was in Sekundenschnelle dazu führte, dass ich ohne Lesebrille nichts mehr lesen kann, aber gut, dann braucht man halt mehrere, in jeder Tasche und in jedem Raum eine, dann klappt das wieder, holte das neue Auto ab und schlief und lauschte in der Elbphilharmonie. Das war schon sehr schön, damit ist aber auch schon alles gesagt. Das Auto sollte den langsamen Übergang in die Elektromobilität einleiten, faktisch leitete es aber die Phase der Nonmobilität ein. Inklusive der Urlaube und Langstreckenbesuche ist dieses Auto 8.000 Kilometer in diesem Jahr bewegt worden, die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, sich noch ein privates Auto zu leisten, ist der Elefant im Raum. Andererseits hat die Stadt Düsseldorf mir ein Weihnachtsgeschenk gemacht und mir eine Ladesäule vor das Haus gebaut, das könnte eventuell ein Zeichen sein, dass ich noch ein wenig Karenz habe, um nachzudenken.

Februar.

Ich machte anlassbezogen zwei Torten. Seit über 10 Jahren hatte ich wieder einen Fernseher, aber auch nur, weil er eigentlich ein Bilderrahmen ist und der finanzielle Unterschied zwischen einem echten Bild und einem Fernseher verschwindend gering war, da schien mir der Fernseher die effizientere Lösung. So versatil. Am Ende des Jahres kann ich allerdings sagen: Diese Familie hier hat nie gelernt, abends zusammen auf dem Sofa zu liegen und irgendeinen Quatsch zu gucken, Onas Begeisterung für die Bundespressekonferenz in groß statt neben mir auf dem IPad hielt nicht sehr lange an, long story short: Wenn ich doch ein Gemälde gekauft hätte, wäre alles genau gleich. Weiß man das jetzt auch. Wir sind Leute, die auf mobilen Endgeräten Serien oder BPK gucken. Oder Krieg.

März.

Insgesamt saß ich in diesem Jahr in Düsseldorf eigentlich nur am Schreibtisch, in der Handballhalle oder im Schauspielhaus. Für mich persönlich war der unsägliche Krieg ein Wendepunkt, um nicht von Zeitenwende zu sprechen, ich gebe ja jetzt nicht ganz viel Geld für meine Bewaffnung aus. Ich habe jahrelang beruflich sehr am Puls der aktuellen Situation gearbeitet, und das hat mich in Teilen zu einer Wutbürgerin und auch etwas verdrossen werden lassen. In den ersten zwei Jahren der Pandemie, und ja, es fühlt sich noch immer absurd an, diese Formulierung zu verwenden, bin ich streckenweise fast verzweifelt an der Dummheit mancher Leute, der Dummheit vieler Politiker, die mit einer erschütternden Unterkomplexität, das habe ich glaube ich irgendwo unterwegs von Sascha Lobo übernommen, er meinte Achim Laschet, ich auch oft, jedenfalls hat mich vieles so furchtbar aufgeregt, weil ich zu vielen Themen viel Meinung hatte, oft auch zu der Frage, wie man Dinge besser machen könnte, und da man ja insgesamt sehr wenig Hebel hat, insbesondere, wenn die politische Klasse auf eine Bundestagswahl zusteuert, wird man halt verrückt. Mit Beginn des Kriegs in der Ukraine habe ich sehr schnell für mich entschieden, dass ich an dieser Stelle jetzt fatalistisch sein werde, denn ich habe keine Ahnung von Zusammenhängen, auch keine Ahnung, was jetzt zu tun wäre, und wenn ich keine Ahnung habe, was zu tun ist, kann ich mich auch nicht aufregen, wenn jemand etwas tut. Recht einfaches Modell. Für Precht und Schwarzer und Welzer und Guerot musste ich im Laufe des Jahres Abstand nehmen, nichts ist perfekt. Melnyk fand ich übrigens super.

April.

Ich ging mit Frau N zu Kind Ns Abschlussball, entschied final, mich nicht mehr privat mit Politik zu befassen, aber wie das so ist mit Menschen, gibt es Trigger, die dann dazu führen, dass man rückfällig wird.

Mai.

Anbaden in Leipzig

Wahl in NRW, an mir lag’s nicht, nicht mal an Oma, die hatte nämlich erstmals ihre Stimme meinem Sohn überlassen, nein, das wäre ja verboten, sie hat ihn gefragt, was er wählen würde, er ist ja noch etwas länger auf dieser Welt als sie, und zumindest war anschließend Frau Gebauer nicht mehr Kultusministerin, das war das Minimalziel.

Juni.

Urlaub mit Frau Klugscheißer und Ona auf Fuerteventura. Wir haben doch noch einmal das Konzept Cluburlaub probiert, und dieses Mal war ich überzeugt, 2021 war halt die Wahl des Clubs falsch. Der Urlaub war super, Fuerteventura war super wegen Sonne und kalt, genau mein Ding, das Meer war super, Schnorcheln war super, Tauchen musste ohne mich passieren wegen unterkühlter Blase vom Schnorcheln, der Club war aufgrund guter Terminwahl nur 25% ausgelastet und damit am oberen Ende, was ich an anderen Touristen bereit bin, im Urlaub zu ertragen, die Flugscham war doch recht groß, die Distanz war sicherlich zu groß, um sich das noch mit Kompensation schönzureden, aber das neue Konzept work hard travel hard war insgesamt eine sehr richtige Entscheidung und wird 2023 noch einmal verschärft.

Juli.

Eventuell der wichtigste Moment meines beruflichen Lebens. Mit Sorge und großem Vertrauen in meine Arbeitskraft gegangen, und am Ende des Jahres mit einer Containerladung Veuve Clicquot evaluiert. 2019 habe ich ein Unternehmen gegründet, mit einer anderen Person, 2022 habe ich die nicht mir gehörenden Anteile gekauft, was ein wirklich großer Schritt war, der sich aber schon nach fünf Monaten so amortisiert hat, dass ich jetzt für immer von allem unabhängig bin und nur für mich und meine Familie arbeite. Wie schön ist das denn? Mindestens genauso schön war aber Herzregen im Urlaub, Familie N und Familie H fuhren mit der Eisenbahn nach Venedig, wo dann im Schnitt 41 Grad war, also saßen wir in der klimatisierten Wohnung und spielten Doppelkopf. Venedig war toll, aber alle Beteiligten wollten den nächsten Urlaub ohne Schweiß verbringen, 2023 fahren wir an einen dänischen Fjord.

August.

Meine Mutter hatte einen schweren Autounfall, und für die kommenden Wochen, ach, Monate, war das das Thema meines Lebens. Es geht ihr gut heute. Und das war eine Leistung.

September.

Eine schöne Möglichkeit, mal Politik und Linguistik miteinander zu verbinden. Und dann starb die Queen, dann der rbb, und dann hatten wir Corona. Naja. Hat man das auch mal erlebt.

Oktober.

Ich war Kunst und wir bauen uns Wohnraum. Ona zieht in die frisch renovierte Teenagerhölle im Garten, ich bekomme nach 7 Jahren Pandemie ein Büro mit Büromöbeln und Tür. Ich kaufe die letzten Möbel (mit einer kleinen Ausnahme) in meinem Leben, so zumindest der Plan, und kann jetzt uneingeschränkt sagen: Ich hab’s sehr schön. Und ich beerdige Twitter. Und das war eine erstaunliche, aber sehr schöne Entscheidung. Nach der privaten Politikabkehr hat der Umzug von Twitter auf Mastodon meinen Ruhepuls noch mal 10 Schläge gesenkt, und nach zwei Monaten ohne Twitter kann ich sagen: Ich vermisse nichts. Ich lese Zeitung. Ich muss nicht wissen, was Lieschen Müller denkt, und die Leute, die mich interessieren, sind fast alle mit umgezogen. Ich bin deutlich weniger aktiv auf Mastodon, aber das ist auch okay. Zusammenhängende Gedanken könnte ich ja hier aufschreiben, wenn ich welche hätte, und auf eine romantische Art ist der Blog (ja, ich sage der Blog, deal with it) wieder das Alpha-Medium, das hatte sich in den Jahren auf Twitter unmerklich verschoben, und das war nie mein Ziel.

November.

Da dachte ich ja noch, Musk hätte einen Plan, ich würde mich heute nicht mehr aus dem Fenster hängen und das behaupten, ich weiß nur, dass für mich privat und für viele nicht-private Instanzen, über die ich sprechen könnte, das jetzt auch nicht mehr wichtig ist. Und dann gab es natürlich noch die nächste Folge von Herzregen im Urlaub, dieses Mal waren wir mit der Eisenbahn in Prag und aßen mehrmals am Tag Ente mit Rotkohl und Klößen. Am Ende der Reise hatten wir uns komplett überfressen, und ich leitete eine neue Phase ein, zumindest gedanklich, die jetzt im neuen Jahr umgesetzt werden wird, aber dazu gleich. Erst wurde Frau N noch 50, auch schlimm.

Dezember.

In den letzten beiden Jahren für uns der Monat des Hörsturzes, weil der arbeitsreichste Monat des Jahres (selten Feierabend vor 22 Uhr) auf die Notwendigkeit, einen Podcast aufzunehmen, stieß, aber dieses Jahr gelang uns das zeitlich nicht, also warteten wir mit einem Plan B auf, der – und das ist das Schönste, was es darüber zu sagen gab – vollkommen unaufwändig war. Und dann noch der letzte Urlaub des Jahres auf Wangerooge, wo einfach alle nett waren. Also die, die da waren, das war ja überschaubar.

Unterm Strich ein wirklich gutes Jahr. Ich bin selbst erstaunt. Alles, was ich mir mutig vorgenommen habe, hat funktioniert, das Wohnungs-Neugestaltungsprojekt nähert sich dem Ende, und wenn ich so zurückblättere, habe ich mir die Urlaube zwar durchaus erarbeitet, aber ich kann auch nicht klagen, es waren nicht zu wenige. Ich traue mich nicht, es auszusprechen, aber ich spreche auf Herausforderungen ja sehr gut an. Ich bin derzeit ein rundum zufriedener Mensch.

6 Gedanken zu „31.12.2022 – Jahresrückblick“

    • Vielen Dank und gleichfalls. Lustigerweise war es total spaßfrei, das zu schreiben, weil für mich ja der Sinn des Bloggens ist, einen Gedankengang in Echtzeit festzuhalten. Andererseits war es auch sehr schön, zu gucken, was eigentlich in meinem „öffentlichen Leben“ so passiert ist, Vieles hatte ich bereits wieder vergessen.

      Guten Rutsch!

  1. Fienes Blick auf ihr Kind mit anderem Hund auf dem Schoß … Ach.

    Ich wünsche Ihnen einen guten Rutsch und daß der Plan mit 1.000 Stunden Arbeit aufgehen möge.

  2. Guten Tag Frau Herzbruch,
    sehr schön hier. Freue mich, dass ich mal ausführlich hier vorbeigeschaut habe. Besonders die Tage ein Wangerooge haben mir gefallen, ich schaue mir nun Ferienwohnungen an.
    Nach meinen 17 Lesebrillen an allen Orten habe ich im November meine 3. Gleitsichtbrille bekommen, die fast genauso aussieht wie ihre Lesebrille. Sehr hübsche Modelle haben wir.
    Die besten Wünsche für 2023.

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