11.04.2022

Ich bin heute sehr beleidigt von der Gesamtsituation, da ich aber gestern schon so beleidigt war von der Gesamtsituation, und das, bevor ganz skurrile Dinge passierten, reiße ich mich mal zusammen. Ich weiß nicht, ob Blogs einer freiwilligen Selbstkontrolle unterliegen, aber ich will das auch nicht testen. Auch die Causa Anne Spiegel fällt in den Topf der Themen, über die ich nichts schreiben möchte, das liegt aber vermutlich in erster Linie daran, dass ich vielleicht anschließend keine Leser*innen mehr habe, ich habe da nämlich eine sehr starke Meinung zu. Ich sage nur soviel dazu.

Für jemanden, der mit politischer Kommunikation zu tun hat, gab es seit gestern Abend gar nicht genug Popcorn auf der Welt, um den vielen Fragen wenigstens einen vollen Mund entgegenzusetzen. Mein Ansatz, durch die Welt zu gehen, ist üblicherweise, dass ich mich immer erst mal frage, was jemand mit Aktion X erreichen möchte, und da bin ich schon direkt gescheitert. Ich weiß nicht, was da wohl der Gedanke war, ich weiß nur, dass ich mir kein Szenario ausdenken konnte, in dem das eine kluge Aktion gewesen wäre. Sämtliche Reaktionen der Partei und des Kabinetts heute fand ich dann wieder folgerichtig. Jetzt muss zusammengekehrt werden und nachbesetzt, ich weiß, wen ich gerne in dem Amt sehen würde, aber wir sind hier nicht bei Wünsch dir was.

Eine Sache möchte ich noch sagen. Ich finde nicht, dass wir hier eine Diskussion über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (natürlich *insbesondere* für Frauen) führen sollten. Das ist nämlich in dieser Angelegenheit gar nicht, was das Thema ist. Ich habe meine ganze Mutterschaft lang in hohen und sehr zeitraubenden Positionen gearbeitet, und wie ich schon oft schrieb: Die Brigitte lügt. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sollte für die allermeisten Jobs zu gewährleisten sein, ja, und es gibt sehr viel Spielraum und Luft nach oben. Es gibt aber auch Positionen, die für mich toll gewesen wären, die aber aus sich heraus nicht gut mit meiner Familie vereinbar gewesen wären, bzw. mit der Form, in der ich an meinem Kind teilhaben möchte, und mein Anspruch ist schon sehr gering, ich möchte regelmäßig um 19 Uhr abends Feierabend machen können. Wenn man das einmal verstanden hat, dann ist Vieles leichter. Man hat nämlich die Wahl, und das liegt auch nicht an der bösen Welt, sondern im Zweifelsfall an dem Veranwortungsbereich der Funktion. Ist doch fair, man kann, wenn man einmal so weit oben angekommen ist, doch bestimmt auch etwas finden, wo das besser geht und man dennoch sehr zufrieden ist. Ich spreche aus Erfahrung. Das gilt übrigens für Männer und Frauen gleichermaßen, und wenn ich mich umgucke, habe ich nicht das Gefühl, dass in meinem persönlichen Umfeld allen Männern das egal ist. Ich finde auch nicht, dass wir über das Haifischbecken Politik sprechen müssen. Auch nicht das Thema. Ich finde auch nicht, dass wir darüber sprechen müssen, ob nicht manch ein Mann in der Vergangenheit noch viel mehr verkackt hat. Jau, das ist wohl so, aber das heißt ja erst mal nix, Normal Null sollte jemand sein, der nicht verkackt. Wir sollten auch nicht diskutieren, ob ein Vater von vier Kindern mit einer kranken Frau das locker hätte machen können, eine Frau halt nicht. Bullshit. Vielleicht sollten wir diskutieren, ob es *überhaupt* eine gute Entscheidung ist, sich für ein Amt, in dem man viel Verantwortung trägt, oder besser noch sogar zwei, zur Verfügung zu stellen, wenn das eigene Leben einer oder einem nicht die Strukturen ermöglicht, dieses so auszufüllen, dass das für alle in Ordnung ist. Es gibt kein Recht auf ein Amt per se. Man muss nicht Bundesministerin sein können in Teilzeit. Oder normaler Vollzeit. Dieser Anspruch ist absurd. Aber wir haben die Wahl, jeder Mann und jede Frau, das für uns zu entscheiden, wie man sich dazu verhält. Und zu dem Thema kann ich viel beitragen. Theoretisch. Praktisch nicht, das betrifft meine Familie und geht niemanden was an.

2 Gedanken zu „11.04.2022“

  1. Vielen Dank. Das war ein kluger (für mich) abschließender Kommentar. Als in dieser causa die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und dann die Rolle der Frau nahezu Hauptthema wurde, versuchte ich mich schon rauszutun, weil DAS IST NICHT das Thema.

  2. Ach, Frau Herzbruch, Sie schreiben wieder einmal genau das, was mir zu dem Thema durch den Kopf geht. Sie können es nur viel schöner formulieren.

    Besonders das hier: „Man hat nämlich die Wahl, und das liegt auch nicht an der bösen Welt, sondern im Zweifelsfall an dem Verantwortungsbereich der Funktion. Ist doch fair, man kann, wenn man einmal so weit oben angekommen ist, doch bestimmt auch etwas finden, wo das besser geht und man dennoch sehr zufrieden ist. Ich spreche aus Erfahrung. “

    Ich auch. Und deswegen kann ich Ihnen aus vollem Herzen zustimmen. Danke!

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