Hair

Ich könnte jetzt recherchieren, was und in welcher Tiefe ich in der Vergangenheit über Haare geschrieben habe. Ich hatte bis zum Zeitpunkt des Alterns ja sehr viel Glück, musste die Gegebenheiten aber auch annehmen, wie sie sind. Genetisch gesegnet mit 1/4 Afrohaar startete ich als Kind (wie Jonathan übrigens auch) nicht nur mit braunen statt blauen Augen, sondern auch mit sehr kleinen Locken, die dann mit den Jahren weniger wurden, dann wieder mehr, dann wieder weniger, dann wieder mehr, dann wieder weniger. Jonathans sind seit fünf Jahren weg, scheinbar für immer. Aber der ist ja auch schon wieder die nächste Generation. Egal ob mit vielen oder mit etwas weniger Locken konnte ich den Großteil meiner jüngeren Jahre bei Friseur gratis schneiden lassen, da ich oft gefragt wurde, ob ich als Haarmodell herhalten wolle. Fast das ganze Studium habe ich so durchgestanden.

Ein wichtiger Parameter, den ich annehmen musste, ist, dass meine Haare sich nicht frisieren lassen. Umso wichtiger eine Friseurin, die weiß, was ein guter Schnitt ist. Einmal geschnitten, spult mein Kopf dann das gewohnte Programm ab und tut, was er will. Ein Friseur, der meine Haare verstanden hat, ist somit lebensnotwendig. Zeitlebens – und da bin ich mir jetzt sicher, dass ich das schon mitgeteilt habe – war meine Traumfrisur der glatte, seidige, glänzende, kinnlange Bob. Also genau die eine Frisur, die mit meinen lockigen Dachshaaren nicht geht. 2005 ging ich mal in Amsterdam zum „Kinky Kapper“, die mir genau das schnitten, mit einem Pony (no go!). Dann kaufte ich mir ein Glätteisen, stand jeden Morgen im Bad in Schwaden von verbranntem Horn und glättete meine Haare. Dann viel Haarspray drauf, und schon hatte ich die gewünschte Frisur. Als ich zur Silvesterparty bei meiner Sandkastenfreundin klingelte, öffnete sie die Tür und sagte: „Oh, die Playmobil Feuerwehrfrau ist da.“ Haare müssen sich bewegen können.

Grundsätzlich habe ich meinen Haaren das nie verübelt, ihren Unwillen, zu tun, was ich möchte. Sie waren ja gut. Und das sich-nicht-einer-Struktur-unterordnen-Wollen ist ja etwas, was ich nicht nur in meinen Haaren mit mir rumtrage. Also habe ich immer geguckt, dass ich einen Friseur habe, der so schneiden kann, dass meine Haare machen, was sie wollen, und ich dennoch vorteilhaft damit aussehe. Na gut. Ganz jung hatte ich noch Handballerinnenhaare. Zum Beispiel hier, mit 23, auf meinem Führerscheinfoto.

Das kann man jetzt beurteilen, wie man mag, aber ich sage ganz selbstbewusst: Ich konnte es tragen. Anders als mit 34, als ich postnatal einen großen Teil meiner Matte eingebüßt hatte, einen nachwachsenden Motown-Heiligenschein trug über den 40 cm langen Resthaaren und beschloss, gegen den Willen des Friseurs noch mal die Frisur von 1999 schneiden zu lassen. Das gab das Gesicht leider nicht mehr her und endete in dem Spruch der Gemüsefrau, an den Sie sich sicherlich erinnern: „Hast du Mann, hast du Kind, brauchst du keine Frisur mehr.“

Ich ließ wieder wachsen, pendelte mich auf halber Strecke zwischen Kinn und Schulter ein, und habe dort viel Elend über mich ergehen lassen. Hair Stylistin Doreen Krause aus Brandenburg, die zu meiner Hochzeit den „Audrey Hepburn Beehive“ so interpretierte, wie ich das tue, wenn ich mir das Gesicht abends wasche, etwa 50 Düsseldorfer Friseure, die trotz meiner Bitte, die Haare nicht glatt zu fönen, DA ICH LOCKEN HABE und meine Haare nicht morgens 60 Minuten glattföne, die Frisur so schneiden, dass man sie toll glattfönen kann, wenn man bereit ist, 60 Minuten mit irgendwelchen Rundbürsten irgendeinen Spökes zu machen, und dann kam Maki.

Maki hat selber gute Haare (erstaunlich, wie viele Friseurinnen schlechte Frisuren haben), arbeitet bei einem Friseur, zu dem man bestens gelaunt gehen kann, und ist ihr Geld wert. Heute aber hatten wir vermutlich einfach das Problem, dass Maki mich mit irgendjemandem verwechselt hat, der vollkommen andere Haare hat als ich.

Los ging es damit, dass man ZU ZWEIT 50 Minuten lang Farbe aufpinselte. Zu zweit. Also 100 Minuten wurde Farbe aufgepinselt. Dann waschen, Spülung 1, Spülung 2, Haarmaske, ich schlief im Waschbecken ein, dann wurde ich wieder wach und hatte das, was ich nur beim Friseur haben kann: Weiche, geschmeidige Mädchenhaare. Wo sonst Dachs ist, waren plötzlich silikonbeschwerte Mädchenhaare. Die wurden dann noch ausführlich gekämmt – ich besitze zuhause keinen Kamm, ich kämme meine Haare grundsätzlich nicht – und schon hatte ich weiche, glatte Haare. Nun kenne ich das natürlich und falle da nicht mehr drauf rein. Vielleicht fünfmal habe ich mir in meinem Leben meine Traumfrisur schneiden lassen, und wenn man 10 Kuren macht, dann ganz lange kämmt und dann stundenlang über einer Rundbürste fönt, sieht das super aus, wenn ich aber aus dem Laden gehe, habe ich am nächsten Schaufenster schon wieder die erste Locke hinterm Ohr, und spätestens zuhause sehe ich aus wie Calimero aus dem Ei.

Maki begann also zu schneiden, schnipp schnapp, und nur zur Sicherheit sagte ich: „Sie erinnern sich daran, dass ich den Scheitel links trage?“ – „Aber natürlich.“ Sie schnitt allerdings für Scheitel rechts. Irgendwann wurde ich sehr unruhig und wollte bereits Gelerntes wieder ans Tageslicht befördern und sagte: „Sie wissen ja, dass die Haare sich trocken noch zwei Zentimeter hochziehen durch die Locken?“ – „Aber selbstverständlich.“ Ich war verwirrt, hatte aber auch schon aufgegeben, da ja bereits nass kinnlang geschnitten worden war, was bedeutet, dass ich morgen früh, wenn die Haare wieder normal sind, eben aussehen wie Calimero aus dem Ei. Aber da konnte man ja nix mehr machen. Ich begann zu grübeln, was passiert sein könnte, dass Maki plötzlich meine Haare nicht mehr schneiden kann. Bis sie auf einmal sagte: „Und wenn Sie dann mal einen besonderen Anlass haben, kommen Sie einfach rein, dann können wir ganz toll ein paar Wellen oder Locken reinmachen.“

Wellen oder Locken reinmachen ist in den letzten 44 Jahren nicht das Thema gewesen. RAUSmachen. Okay. REINmachen nicht. Sie hat mich einfach verwechselt. Mit einer Frau, die weiche, seidige Mädchenhaare hat, ganz glatt, mit Scheitel rechts. Und deren Frisur trage ich jetzt. Schade. Als ihr auffiel, dass irgendwas nicht stimmt, zückte Sie die Effilierschere und schnitt einfach noch mal die Hälfte des Volumens raus, was also dazu führt, dass ich demnächst wieder den Motown Heiligenschein tragen werde. Es ist nicht leicht.

(Hier noch ein Beweisfoto: Das sind nicht die Haare von jemandem, der reinkommen muss, um Wellen legen zu lassen.)

Die nächsten vier Wochen sehe ich jetzt kacke aus, dann habe ich aber schon wieder so einen doofen Ansatz, dass ich es sehr bereuen werde, doch wieder gefärbt zu haben, und jetzt können Sie alle sagen: „Oh, jede Frau wäre froh, die Haare zu haben“, das höre ich seit 40 Jahren, als Kind habe ich aber geantwortet: „Ich kann keinen Zopf machen, weil die Haare zu schwer sind“, dann habe ich viele Jahre gesagt: „Aber ich will einen Bob, und damit sehe ich aus wie die Playmobil Feuerwehrfrau“ und jetzt habe ich einfach resigniert. Es ist nämlich so. Man ist ja nie zufrieden damit, was man hat.
Hair

Consent Management Platform von Real Cookie Banner