Exkurs: Spanien 2019

Es ist nicht auszuschließen, dass ich im Juli 2019 zu müde war, die Geschichte zu bloggen, oder vielleicht fiel das in die Zeit, als ich gar nicht bloggte, weil ich lieber lebte. Jedenfalls waren wir 2019 wie so oft an der Costa Brava im Urlaub, und der sieht üblicherweise sehr anders aus, als der heurige. Wir mieten immer ein Ferienhaus in einer Urbanizacion, so eine Gated Community, in den Hang überm Meer gebaut, da stehen etwa 200 Häuser, alle unterschiedlich, und alle in Privatbesitz. Die meisten gehören Menschen, die in Barcelona leben und am Wochenende kommen, der gefühlte Rest gehört Senioren aus Mettmann. Ein paar Häuser werden in den Ferien vermietet, aber nicht viele, das ist sehr tourismusfern. Zu der Urbanizacion gehört ein kleiner Privatstrand, da liegen Senioren oben ohne rum, und zwar seit den 80ern, als sie das Haus gekauft haben. Und das ist schon alles, viel mehr gibt es da nicht, aber man kann ein Kajak mieten. Ona und Herr H haben auch schon mal gestanduppaddelt, wobei es wirklich zu komisch ist, wenn man nebenan im Meer auf der Luma liegt und über Stunden zwei Meter Mann immer wieder der Länge nach ins Meer fallen. Ansonsten schwimmen und schnorcheln wir dort, und ich habe meine Obsession gefunden in sehr weit Rausschwimmen und dann sehr weit draußen auf der Luma liegen. Ich halte Astrologie ja für – und an der Stelle möchte ich den Satz nicht beenden, ich möchte ja niemandem vor den Kopf stoßen, aber auffällig ist schon, dass die ganze Familie aus Wasserzeichen besteht und wir alle wie verrückt schwimmen. Es gibt tatsächlich keine Situation, in der ich mich besser fühle, als im Meer. Ich kann mir auch überhaupt nicht vorstellen, wie man ertrinken könnte, man kann ja einfach schwimmen. Oder sich treiben lassen. Alles geht. Und nein, ich weiß natürlich, dass man sehr wohl ertrinken kann, aber ich kann es mir halt nicht vorstellen. Ich gehöre ins Wasser, Ona ebenso. Sein bisheriger Schnorchelrekord ist acht Stunden, mutterseelenallein, in einem vorher besprochenen Gebiet, mit der Ansage, dass er hin und wieder trinken und cremen muss. Und selbst das führte schon zu Diskussionen.

Aber das wollte ich nicht erzählen, sondern etwas anderes. 2019 hatten wir uns erstmals überlegt, dass wir ein Kajak mieten könnten und ein bisschen an der Küste langschippern. Das fand ich toll, ich hatte tagelang die fantastischen Videos von Baltic Surge angesehen, fand das alles sehr einfach nachzumachen und hatte mir schon überlegt, dass ich irgendwann auch einfach mal um Großbritannien paddeln könnte. Ist ja kein Problem. Ich hatte Gefahrenmanöver theoretisch gelernt und den beiden Mitfahrern erklärt, wir mieteten ein Kajak, ja, Fehler, EIN Kajak, und los gings. Wir stiegen im flachen Wasser ein und paddelten los. Wie Sie vielleicht wissen, ist die Costa Brava ein eher unruhiges Gewässer, aber wir kamen klar, paddelten aus unserer Bucht raus, dann die Küste etwa 5 Kilometer hoch, dort war eine Bucht, die wir mal aus einem Boot gesehen hatten und die wir gerne besuchen wollten, die aber nur mit dem Kajak oder einem kleinen Boot zu erreichen ist. Wir kamen heil dort an, stiegen aus und hatten wirklich großartige Stunden, weil exakt alles toll war. Wasser, Fische, totale Ruhe, wir hatten zwar keine Flossen mit, wohl aber Brillen und Schnorchel, und wir hatten alle eine leichte Schwimmweste an, also konnte man einfach tot mit Brille im Wasser stundenlang so rumliegen. Wir hatten das Boot für 8 Stunden gemietet und mussten irgendwann wieder aufbrechen, wir mussten ja wieder komplett zurückpaddeln. Auf dem Hinweg hatten wir gelernt, dass das Wasser deutlich einfacher und ruhiger wird, wenn man ein ordentliches Stück von der Küste entfernt ist, also paddelten wir erst einmal gerade raus, und dann standen wir also vielleicht 200 Meter vor der Bucht, waren bester Dinge, und dann rollte eine wirklich große Welle auf uns zu. Wir sahen sie recht lange kommen, ich brüllte noch, wohlwissend, dass ich besser *vorher* länger erklärt hätte, was Youtube mich gelehrt hatte, egal, lange Rede, kurzer Sinn, Welle erreichte uns, ich knallte das Paddel flach aufs Wasser, um uns noch zu stützen, und dann fielen wir um. Okay, soweit kein Problem, eigentlich fanden wir das sogar lustig. Wir richteten das Kayak wieder auf, hievten Ona rein, dann zog mein Mann sich elegant hinterher, und dann versuchten wir drei oder vier mal, die dritte Person auf offener See wieder ins Boot zu kriegen, ohne umzukippen, probierten mehrere Varianten, und irgendwann, als gerade Ona und Herr H im Boot saßen, brachen wir ab. Ich war vielleicht nicht begeistert, konnte mir aber wirklich gut vorstellen, den Weg zurückzuschwimmen (Landweg gab es nicht, Klippen). Dazu sei gesagt, dass ich eigentlich eher dachte, dass die beiden anderen paddeln und ich mich hinten ans Boot hänge, das wurde aber für schlecht befunden, „zu anstrengend zu paddeln“ hieß es. Was will man jetzt so auf dem offenen Meer diskutieren. Ich habe noch eingefordert, nicht allein gelassen zu werden, das war aber natürlich selbsterklärend, und dann bin ich geschwommen. Wir haben über drei Stunden gebraucht, und ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass das sehr anstrengend war. Ohne Weste wäre ich nicht angekommen, so konnte ich mich immer mal wieder zwischendurch hinten ans Boot hängen und ein bisschen schlafen. Wenn ich das so im Nachhinein erzähle, gibt es viele Punkte in der Geschichte, die man diskutieren könnte, zum Beispiel, warum wir nicht gewechselt haben, ich hätte aber nach einer Stunde auch nicht mehr paddeln können, dann lieber schwimmen, das erschien mir unanstrengender.

Als wir nach drei Stunden in unserer Bucht ankamen (auch gemein: Man sieht die ja schon ewig lange vorher, muss aber noch fucking hinschwimmen), zogen Ona und Herr H das Boot an den Strand, ich taumelte auf die Handtücher, die wir noch da liegen hatten und schlief unverzüglich ein. Eine Stunde ließen sie mich liegen, dann weckten sie mich, vielleicht auch, um zu gucken, ob ich überlebt hatte. Am nächsten Tag legte ich mich 10 Meter vorm Ufer auf meine Luma und ließ mich entspannt rausziehen. Schwimmbewegungen konnten meine Arme nicht mehr machen.

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