Urlaubstagebuch Teil 3

Zu den Dingen, die ich morgens vor dem ersten Kaffee grundsätzlich nicht mache, gehört (Sex und) Schlangestehen. Autovervollständigung im Kopf, so wichtig. Glücklicherweise ist der Cappuccino an der Bar noch besser als der beim Frühstück, also stellte ich mich gerade dort an. Es dauerte einen Moment, denn die beiden Barkeeper waren beschäftigt: Einer machte eine riesige Ladung unterschiedlicher Kaffees, der andere mixte zwei Cocktails, die beide zu 100% aus Schnaps bestanden. Da ich mich nicht auskenne, kann ich die nicht zuordnen, ich weiß nur, dass mir beim Zugucken schon blümerant wurde. Und dann konnte ich etwas über vorurteilsbehaftetes Denken lernen. Vor mir wartete eine deutsche Frau, vielleicht mein Alter, Double meiner älteren Schwester und damit, wie Sie wissen, auch von Annegret Kramp-Karrenbauer, sichtlich voller Vorfreude. Daneben stand ein osteuropäischer Mann, ordentlich tätowiert, verspiegelte Sonnenbrille, tauschte sich im Vorbeigehen kurz mit einem anderen Mann aus, Brustkorb raus, Bauch rein. Für ihn waren die Kaffees. AKK kriegte die Cocktails und freute sich wie ein Kind darüber.

So kann es gehen. Jetzt sitze ich also am Bistrotisch, vor mir im Pool schwimmt als einziger Mensch mein Kind rum, wir haben zwei Liegen in Premiumposition, auf eine davon werde ich gleich wechseln und dann gibt es erst mal ein kurzes Vormittagsschläfchen. Oder erst noch einen Cappuccino. Ja. Erst noch einen Cappuccino. Und dann machen wir ein bisschen nichts, liegen rum, hören uns weiter durch schlechte Literatur, werden irgendwann ein bisschen Ball spielen, aber da ist mein Reflexzentrum noch nicht, und dann beginnt vermutlich schon diese traurige Zeit, in der ich besorgt antizipiere, dass der Pool wieder geschlossen wird. Mein Dekollete ist übrigens leicht verbrannt, was ich mir schlecht erklären kann, war ich doch brav eingecremt. Und ich verbrenne ja quasi nie, eventuell merkt man einfach insgesamt gar nichts mehr, weil es ja die ganze Zeit so kalt ist durch den Wind. Bislang war übrigens (abgesehen von der Katastrophe „andere Menschen“) die einzige Komplikation, dass Ona sich am Ankunftstag ganzkörpereincremte mit meiner Gesichts-Sonnencreme aus der Apotheke, aber das ist dann jetzt so. Ist auch nur Haut.

Consent Management Platform von Real Cookie Banner