Urlaubstagebuch Teil 4

Das mit dem „Sich voll in die Situation werfen“ funktioniert nur bedingt und in einzelnen Situationen. Gerade war ich kurz sehr außerhalb der Situation, jetzt allerdings sitze ich alleine an einem Tisch, während neben mir die Minidisco läuft (Aramsamsam!), da kann ich wenig anderes machen als bloggen. Die letzte halbe Stunde fand ich ein wenig anstrengend, aber ich werde gleich einfach ins Bett gehen, in Griechenland ist es ja schon spät.

Wenn man nur so halb in der Situation ist, so geht es zumindest mir, möchte man ja andere Menschen ausblenden und am besten auch von anderen Menschen ausgeblendet werden. Das ist gerade aber sehr schlecht gelungen, und das kam so.

Ona hat anscheinend an Tag 3 endlich das Stadium erreicht, an dem er nicht mehr nur essen möchte, was eventuell damit zu tun hat, dass er andere Jungs beim Wasservolleyball kennengelernt hatte, mit denen er sich jetzt noch treffen wollte. Abendessen hätte für mich nicht sein müssen, da ich aber Frühstück und Mittagessen auch schon geschlabbert hatte, entschloss ich mich, doch noch mal zum Buffet zu gehen, zumal es bereits recht ruhig war. Da Ona allerdings plötzlich Fan der Abendunterhaltung ist, war ein guter Tisch auf der Balustrade, von dem aus man später gut beobachten kann, wie Animateurinnen in Glitzerkostümen tanzen, auch schön, er schickte mich also allein. Das schmälerte die Vorfreude auf das Dinnererlebnis nicht unbeträchtlich (zumal ich vorher schon eine halbe Stunde auf ihn gewartet hatte, da ich dachte, er sei was essen, dabei spielte er Ball). Das Thema Essen ist in den letzten drei Monaten ein recht heikles gewesen, ich habe nämlich keine Lust mehr darauf. Da eine aber essen muss, habe ich es zuhause so gehalten, dass ich so selten wie möglich, aber so oft wie nötig esse, und dann so gesund, dass ich nicht irgendwann an Skorbut leide. In dem Urlaub hatte ich auf einen großen Gamechanger gehofft, Menschen kochen und räumen hinter mir auf, ich kann mir aus einer großen Auswahl aussuchen, was ich essen möchte, aber irgendwie funktioniert das nicht. Das Buffet ist zu langweilig, der Saal zu groß, zu hell, zu voll, ich möchte also nach wie vor nichts essen, tue es aber trotzdem, ich bin ja nicht vollkommen verrückt. Also ging ich gerade allein in den Speisesaal, der Chefkellner fragte „How many?“, ich sagte „Just one“ und er deutete auf den Tisch wirklich mitten im Eingang, auf dem Weg IN den Scheißspeisesaal, eingedeckt für eine traurige Person, woraufhin ich vermutlich so guckte, wie heute den ganzen Tag auf Twitter geschildert wurde, ich sagte „Is that your last offer?“ in der Hoffnung, lustig zu wirken, doch das kam wohl anders an und er brachte mich offensichtlich genervt an einen für vier Personen eingedeckten Nichtkatzentisch. Ich ging mit Maske und Handschuhen zum Buffet, guckte mir an, was ich alles nicht essen möchte, aß dann doch ein kleines bisschen, wimmelte den netten Kellner ab, nein, kein Getränk, I’m gonna keep it real quick, und dann ging ich zum Nachtisch an die Obsttheke, Obst geht immer (merke ich mir für zuhause!). Da ich ja wusste, dass Ona draußen auf mich wartet, fragte ich den netten Kellner, ob ich das Obst mit rausnehmen darf, der sagte „Sure!“, ich fand das logisch, machte den Teller voll und steuerte auf die Tür zu, wo mich der Chefkellner abfing und wirklich sehr unangemessen laut und gar nicht so freundlich zusammenpfiff. Only in the restaurant, STOP! Und das ist dann der Moment, an dem im Film in Slow Motion gezeigt wird, wie alle Gäste an allen Tischen sich umdrehen, um die Frau, die eigentlich unsichtbar sein wollte, anstarren, weil sie gegen eine so unfassbar wichtige Hausregel verstoßen wollte. Ich sagte noch leise, dass ich doch extra gefragt hätte und der Kollege hätte gesagt, das sei okay, woraufhin er noch lauter wurde. Wirklich laut. Verrückt laut. Ich ging kleinlaut zurück an meinen Tisch, setzte mich, hatte dann einen sehr starken Fluchtimpuls aus dem Rückenmark und ging. Schnell. Und jetzt sitze ich hier. Das Kind sitzt mit den anderen Jungs in der Lobby, jeder guckt auf ein mobiles Endgerät, ich halte für wer weiß wen den Tisch frei, trinke ein Wasser und gucke auf mein Blog, um nicht auf die Minidisco gucken zu müssen.

Festes Vorhaben für morgen: Drei Mahlzeiten, alle mit Kind eingenommen. Festes Vorhaben für zuhause: Mehr Obst kaufen und mich selber veräppeln. Ich muss es mir kleinschneiden und nett anrichten. Dann fluppt das.

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