Urlaubstagebuch Teil 5

Eine meiner auffälligsten Eigenschaften ist ja bekanntlich, dass ich nie durchschnittlich empfinde. Oder ausgewogen. Ich bin der Prototyp für himmelhochjauchzend/zu Tode betrübt, und ganz offensichtlich bin ich auch überhaupt gar nicht in der Lage, mich selber zu überlisten, für eine ehemalige Handballerin kann ich mich überraschend schlecht in die Situation werfen. Schön ist natürlich, dass ich offensichtlich nicht 44 Jahre lang falsch gelebt habe, war schon alles okay, wie es war. Vielleicht muss das einst auf meinem Grabstein stehen. Nix mit horseman, pass by, nein, bei mir sollte stehen „War schon irgendwie okay, alles“.

Eine glückliche Fügung ist, dass ich selber keinen Flugschein habe, sonst hätte ich wahrscheinlich heute morgen den Verkauf meiner Wohnung veranlasst und mit ein Flugzeug gemietet, um nach Hause zu fliegen. Das stand aber natürlich nicht zur Debatte, also regelte ich den Zimmerwechsel hin in die Private Area, und jetzt habe ich das, was für mein Gemüt immer sehr wichtig ist: Optionen. Ich kann jetzt wählen. Strand (no way, zumindest nicht zum Aufenthalt, ich möchte natürlich noch mal schnorcheln, aber momentan kriege ich Ona hier nicht weg, der ist jetzt Poolboy), großer Pool, wo heute übrigens auch gar nix los ist, weil alle in die Stadt fahren oder so, also kann ich Ona auch den Wunsch gut erfüllen, mich gleich umzuziehen, traurig dem eigenen Pool zu winken und mich mit ihm an den großen Pool zu legen, oder, wenn ich wieder mal von allem zuviel habe, ich lege mich einfach vor meinem Zimmer auf die Luma in den Pool und bleibe da bis zur Abreise liegen. Diese Option besteht, und das löst viel Gutes in mir aus. Am ersten Abend habe ich es ja schon geahnt, jetzt wissen wir es sicher: Ich bin keine Pauschaltouristin. Ich hasse alles, und wenn ich das einfach zulasse, ist es auch wieder okay. Da mein Kind nämlich überhaupt nichts auf der Welt besser findet, als Pauschaltourismus, werde ich einen Weg finden müssen, die verschiedenen Bedürfnisse irgendwie zu kombinieren. In der ab heute geltenden Version habe ich ja zumindest schon mal die Option der Stille und Menschenfreiheit, bleibt das Hindernis der Mahlzeiten, die ich ungern in der vorgesehenen Form zu mir nehmen möchte, aber vielleicht reiße ich mich jetzt einfach mal zusammen und stelle mich nicht an. Eine bewährte Version ist ja, dass ich in Situationen, durch die ich gerne durchgecoacht werden möchte, einfach Frau N zuschalte, und daher werde ich diese Option in Betracht ziehen. Eventuell gibt es heute abend eine Zoomkonferenz zum Thema „Herzbruch und Ona gehen ans Buffet“. Ab Sonntag kriege ich Ona vielleicht sogar wieder hier rausgelöst, dann reist der neue Freund ab. Und dann möchte ich schnorcheln.

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