Urlaubstagebuch Teil 6

Ja, ich hätte die Anschaffung eines VPN Tunnels natürlich noch vor dem Urlaub fertigstellen können, angefangen hatte ich bereits. Oder in den letzten Tagen hier, es gibt ja nun nichts Interessantes alternativ zu tun. Aber ich hatte mich halt dagegen entschieden. Und so sitze ich jetzt also am großen Pool, vor mir turnen halbnackte Akrobaten mit unfassbaren Körpern, und das tut nix für mich, weil ich ja gleichzeitig auf dem Tablet die griechische Fernsehübertragung des Endspiels gucken muss. Zwischen zwei Nummern läuft immer „Hit the road Jack“, was ich sehr mag, sowohl zu hören als auch zu singen, man kann sich damit auch sehr gut in Stimmung versetzen, wenn man den finalen Arschtritt verpasst. Das Lied für vorher, das Lied für nachher ist „Schön von hinten“ von Stereo Total. In meiner Küche hängt eine Postkarte mit einem alten Radio drauf, und darüber steht „Was stört an der Realität ist die fehlende Hintergrundmusik“, das kann ich aber nicht bestätigen, ich denke mir einfach immer Hintergrundmusik dazu, was stört an der Realität, sind alle anderen Dinge.

Ich scheine in diesem Urlaub zu erreichen, was es zu erreichen galt. Ich habe heute 2 von 3 Mahlzeiten eingenommen, sogar einmal was anderes als Obst, nämlich die schlechteste Orangenente, die ich bislang gegessen habe. Ist aber auch schwierig, hier ist ja Griechenland. Wobei ich ja mit Ente sehr leicht zufriedenzustellen bin, die esse ich nämlich sehr gerne. Ich möchte nicht unken, aber die heutigen Entenschenkel erinnerten mich wirklich sehr stark an Hähnchen. Aber lassen wir das mal so stehen.

Meine Hoffnung auf noch eine gehörige Portion Meer schwindet minütlich, da Jonathan inzwischen andere Cool Kids gefunden hat, mit denen er abwechselnd Wasservolleyball, Wasserbasketball und Wasserhandball spielt. Abends spielen sie Fußball, da muss mein Kind sich voll in die Situation werfen, mit 12 gelingt das aber noch leichter als mit 44. So haben wir also noch zwei volle Tage, in denen wir nichts machen werden, wie es aussieht, und das ist okay, war ja das Hauptziel, dass das Kind eine schöne Zeit hat, die hat er sich nämlich sehr verdient und auch nötig, und dass ich Ruhe habe, und das scheint auch zu klappen. Natürlich hätte ich noch viel mehr Ruhe, wenn ich im Meer rumschwimmen könnte, aber wie das die Natur so eingerichtet hat, ist die Prio 1 die Erholung der Brut, also mache ich nichts. An in loser Reihenfolge abwechselnden Orten, und die wichtigste Beobachtung ist vermutlich, dass mir zur inneren Ruhe bereits das Wissen reicht, dass ich ein schönes Zimmer habe, aus dem raus ich auch einfach schwimmen kann, wenn ich das möchte, und zack, kann ich auch am Pool sitzen, alleine in meiner Ecke, ohne, dass mich das nervt.

Eine weitere interessante Beobachtung ist, dass mir ein zweiter Mensch fehlt, im Zweifelsfall sogar mein Mann. Jetzt, wo mein Kind rund um die Uhr mit anderen Kindern unterwegs ist und ich ja mein selbstgewähltes System des Nicht-mit-Fremden-sprechen nicht ändern möchte, fehlt mir Ansprache. Ich könnte natürlich telefonieren, habe das mit Frau N in einer emotionalen Anspannungssituation auch getan, aber das ist nicht das selbe. Ich möchte am Tisch sitzen und darüber streiten, wer sich als nächstes in die Schlange stellt, um einen Mocktail zu holen, ist aber niemand da. Also habe ich gerade zwei geholt, der erste war okay, der zweite ist wirklich schlecht, weil das Eis geschmolzen ist und er dadurch noch viel wässriger ist als alle anderen Getränke, die ich hier so zu mir nehme. Andererseits ist das System der totalen Vereisung aller Getränke insofern super, dass ich in fünf Tagen noch keine einzige betrunkene Person gesehen habe. Das hatte ich mir dramatischer vorgestellt, aber nein, alles gut. Es gibt keinen Weg, sich hier zu betrinken, und das kommt mir sehr gelegen, ich umgebe mich sehr ungern mit über Gebühr betrunkenen Leuten. Und da ich mein Lasterverhalten ja dummerweise vor ein paar Wochen wieder in alte Bahnen gelenkt habe und rauche wie ein Schlot, komme ich lasterseitig bestens klar. Schlecht daran ist natürlich, dass ich am 19. Juli wieder aufhören muss, das habe ich mir und der Welt versprochen und werde das – gemeinsam mit Excellensa übrigens – auch machen. Ich freue mich schon sehr, Rauchentwöhnung macht Spaß, und nach 2008 (schwanger) und 2017 (Schlaganfall) weiß ich ja, dass ich das mit gutem Grund ja auch durchaus kann, und Gründe gibt es ja genug. Und vielleicht kann ich sogar zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen und mir wieder mehr Freude am Essen erarbeiten.

Aber so lange ist erst mal noch Urlaub. Ich muss zwei Sachen arbeiten, die ich seit Donnerstag vor mir herschiebe, mal sehen, ob ich morgen soweit bin, praktisch wär es schon, sonst brauche ich gar nicht mehr zurückzureisen. Eigentlich sollten beide schnell gehen, doch ich habe keine Lust, mich zu konzentrieren. Ich lese übrigens auch nichts, Frauenbücher sprechen mich doch nicht so an, ansprechende Bücher fühlen sich nicht so an, als würde ich nichts machen, also lese ich nicht. Ich höre ein Hörbuch, das ich schon kenne, wo ich aber nicht mehr genau weiß, wie es ausgeht, aber wenn ich in dem Tempo weiterhöre, werde ich es auch nie erfahren, und auch das ist okay, da ich ja irgendwann mal wusste, wie es ausgeht, und das sollte reichen.

So, Nico, der mit Jonathan Fußball spielt, wird gerade von seiner kleinen Schwester geholt, „wir gehen jetzt ins Zimmer und Mama sagt, du sollst flotti Karotti kommen“. Mittwoch fahre ich nach hause. Und dann gehe ich in selbstgewählte Quarantäne. Aber flotti karotti.

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