Samstag

Ich hatte heute einen wunderschönen Tag, so einen Tag, wie man ihn nur haben kann, wenn man beruflich vor der Welle ist und schon Jobs erledigt hat, die noch gar nicht fällig waren. Um 8 Uhr stand das Kind sehr geräuschvoll auf, da es aufgeregt war, erstes Spiel der Saison, nach einer wirklich langen Pause. Um 8.15 Uhr war es bereits geduscht und frisiert und somit für die Abfahrt, geplant für 11.30 Uhr, fertig. Ich blieb noch ein wenig liegen, da ich eine ereignisreiche Nacht hatte. Nein nein. Um 1.30 Uhr schlug der Hund an und eskalierte im Wohnzimmer komplett. Also komplett. So, wie sie noch nie eskaliert ist. Nicht einmal, wenn das Auto geklaut wird. Nun müssen Sie ein bisschen was über die Anatomie unseres Zuhauses wissen. Hinten ist ein Garten dran, der aber nicht von irgendeiner Straße aus erreichbar ist, da er in diversen Häuserblocks eingekesselt ist. Die anderen Grundstücke drumrum haben Garagenhöfe oder Hinterhäuser, wir haben einen komplett eingewachsenen Garten. Niemand kann sich dorthin verlaufen. In dem Garten steht ein kleiner Schuppen, wo Menschen wie wir dann einen Rasenmäher und solche Dinge aufbewahren, und das Gartenhaus, also noch mal ein kleines Hinterhaus. Das ist von Herrn H. bewohnt. Dann geht eine Treppe runter in die Einliegerwohnung, oder eine Treppe hoch in den Wintergarten. Das ist ein sehr großes Wort, wir benutzen ihn gerne zum Durchlaufen oder um im Sommer Wäsche dort zu trocknen. Aus dem Wintergarten führt eine Tür ins Treppenhaus und eine Tür in meine Küche, die sich in einem Anbau befindet. der ist ans Wohnzimmer angebaut, daraus kommt man in den Flur, und zur Straße raus sind alle anderen Räume. Da wir keine Durchgangsstraße vor der Nase haben, ist das sogar eine gute Idee. Die Schwachstelle des Hauses ist die Einfallschneise durch den Wintergarten, aber ab hier übernimmt der Hund, und das haben wir ihr auch als Aufgabe gelassen. In unserem alten Haus wurde zweimal versucht, einzubrechen, als wir schliefen, und vor 14 Jahren standen – Sie erinnern sich vielleicht sogar – zwei Einbrecher auf dem Balkon meiner Eltern und versuchten, die Tür mit einer Brechstange aufzuhebeln, während meine Mutter und ich das Traumschiff guckten. Da meine Mutter allerdings das einzige Lebewesen auf der Welt ist, das noch wehrhafter ist als so ein Hund, konnte sie einen einfach vom Balkon werfen, woraufhin der andere dann auch floh. Die Brechstange ließen sie da.

Nach den zwei versuchten Einbrüchen in dem alten Haus haben wir einen Dienst in Anspruch genommen, den ich nur empfehlen kann: Die Kriminalpolizei kommt gerne (also hier zumindest) zu Ihnen nach Hause und begeht mit Ihnen Ihr Haus oder Ihre Wohnung, um zu gucken, wie man sich besser schützen kann. Ich habe damals Folgendes aus dem Termin mitgenommen: Ohne Selbstschussanlage kommen alle immer überall rein. Da kann man wenig machen. Was hilft: Licht (aber nur, wenn die Einbrecher unentdeckt bleiben wollen, die bei meinen Eltern haben uns nachweislich – Spuren im Schnee – vom Garagendach aus auf dem Sofa sitzen sehen und wollten dennoch mal reinkommen, diese Menschen haben in der Regel gute Argumente bei sich, die andere Menschen überzeugen, das Geld und was immer einfach so rauszugeben, das ist ja praktischer als selber suchen, Waffen zum Beispiel). Die meisten wollen aber gerne suchen und werden von Licht abgeschreckt. Das zweite, was gut ist: Irgendwelche Vorrichtungen – Sicherungen an Rolläden und Fenstern zum Beispiel, die dazu führen, dass es zu lange dauert und Krach macht, reinzukommen. Da haben viele keine Lust drauf und gehen dann einfach zum Nachbarn weiter. Und dann gibt es das Eine, was wirklich, wirklich gut hilft, und zwar ausnahmslos. Und das ist ein Hund. Und zwar einer, der auch bellt wie ein Hund.

So einen hatte ich also letzte Nacht, und wenngleich nicht abschließend geklärt werden konnte, wer jetzt genau wo war, war das gesamte Haus wach. Und das ist ja auch schön. Herr H kam aus dem Gartenhaus angelaufen, holte die große Taschenlampe und suchte den Garten, den Keller und das Treppenhaus ab (in welches man aus dem Wintergarten ja kommt), und da mir das nicht geheuer war, schlug ich vor, er solle bitte den Hund mitnehmen. Und da hatte der Hund einen wirklich großen, klugen Moment: Sie entschied sich nämlich, KEINEN Schritt mehr aus dem Wohnzimmer zu gehen, in keine Richtung. Wir riefen, nix. Ich rief *echt*, also kurz vor Knurren, nix. Ich holte die Leine und wollte sie mitnehmen, nix. Und sie hat ja Recht. Sie hat den Einbrecher gefunden, den Rest können andere erledigen.

Es war übrigens nirgendwo mehr jemand versteckt. Und wenn Sie mal 40 Kilo Lebendgewicht nachts um 1.30 Uhr in völliger Hysterie ihr Haus verteidigen gehört haben, können Sie das gut verstehen. Ich wäre auch wieder gegangen. Wo war ich? Ja genau. Ich wollte nämlich nicht um 8 Uhr aufstehen, also stand ich um 9.30 Uhr auf, dann begann mein aufgeregtes Kind zu reden, was sonst am Wochenende vor 14 Uhr überhaupt nicht vorkommt, dann fuhren wir nach Neuss, dann kam das erste Handballspiel nach bestimmt einem Jahr, über das Ergebnis hülle ich einen Mantel des Schweigens, ach egal, sie lagen in kürzester Zeit 7:1 zurück, weil niemand mehr wusste, wie man unter echten Bedingungen Handball spielt, dann fiel ihnen ein, dass sie neulich fast Meister geworden wären, erst im letzten Spiel sind sie auf Platz 2 gerutscht, dann haben Sie bis auf 13:12 aufgeholt und ich war vollkommen optimistisch, und dann hatten 5 von 6 Feldspielern plötzlich pandemiebedingten Konditionsausfall und konnten nur noch in Zeitlupe über das Feld laufen, und dann haben doch die anderen gewonnen. Aber manchmal ist das so. Dann bekam ich einen kleinen Vorgeschmack, wie das ist, wenn man so ein pubertierendes Kind hat, das Sport macht, danach war nämlich Weltuntergang und extreme Gereiztheit, also fuhren wir nach Hause, dort saßen unsere Lieblingsnachbarn auf dem Bürgersteig, die luden wir dann ein, dann räumte ich schnell auf, das Kind legte sich ins Bett und wuchs, dann kamen die Nachbarn aus dem 2. Stock, dann kamen die Nachbarn aus dem 3. Stock auch noch, dann ernteten wir die Äpfel vom Apfelbaum Jonathan, dann kochte ich eine vom Kind Jonathan bestellte Ramensuppe, die erste meines Lebens, die aßen wir dann alle gemeinsam, und jetzt gehe ich ins Bett. Wochenende. Hammer.

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