Es gab eine Nussecke

In diesem Beitrag werden Sie auf sehr unflätige Ausdrücke treffen.

Wie schrieb Frau N gerade? Herr Herzbruch hat ein sehr besonderes Verhältnis zu Gebäck. Ich hätte es natürlich auch vorher schon sagen können, aber dann hätte das unsympathisch gewirkt. Heute kann ich jedoch sehr pointiert anmerken: Im Angesicht einer Nussecke setzt auch die letzte Denkleistung aus.

Herr H macht – wie ich – seit 14 Monaten Home Office, das ist natürlich doof, für mich auch, klar, keine Frage, und wenngleich wir zwar aufgeteilt sind auf Haupt- und Nebengebäude, muss man, wenn man immer zuhause ist, auch immer das Geschirr in die Spülmaschine stellen und aufräumen und so, weil ich ja auch gar nicht die Assistentin bin, das kann in Pandemiemonat 15 schon mal nerven. So fuhr er also Dienstag ins Büro, weil er Akten brauchte. Mittwoch fuhr er ins Büro, weil er was kopieren musste (der Kopierer aus meinem Büro steht übrigens im Wohnzimmer), Donnerstag musste er eine Baustelle abnehmen, die neben seinem Büro war, und Freitag hatte der Kollege seinen letzten Arbeitstag. Dass er dafür nach Essen fährt, hatte er vergessen, zu erzählen, umso größer war meine Empörung, da das mit dem ganzen Kind Job Haushalt ja auch nur dann klappt, wenn ich nicht 4 Tage alles gleichzeitig machen muss… Nun denn. Heute mittag kam der Anruf: Seine Kollegen haben alle 3 positive Schnelltests gemacht. So. Das Level meiner Eskalation können Sie sich nicht gut vorstellen, das entzieht sich auch jeder Vorstellungskraft, es war aber so, dass Frau Novemberregen jegliche Kommunikation mit meinem Mann in ihrer Funktion als Personalchefin und meine viel bessere Hälfte übernahm, während ich die nächsten sechs Stunden über dem Klo hing, weil ich mich so aufgeregt hatte, dass, ach egal.

Jedenfalls ist es so. ALL DIESE PISSER können, wie mein Mann übrigens auch, bestens von zuhause arbeiten, haben aber keine Lust. Sitzen dann also in einem Gebäude, das vor einigen Jahren für 600 Leute gebaut wurde, von denen 300 entlassen wurden, ZUSAMMEN IN EINEM BÜRO, während übrigens von den letzten 300 etwa 250 sowieso im Homeoffice sind, AUS BETRIEBLICHEN GRÜNDEN, entschuldigen Sie, wenn ich laut werde, dann steckt sich einer irgendwo an, dann sind ALLE positiv, weil es so gemütlich ist, alleine ist auch doof, klar, und dann geht einer weg und mein Mann reist extra an, UM EINE BESCHISSENE NUSSECKE MIT DENEN ZU ESSEN. Ich habe dafür keine Worte. Keine Worte. Nach dem Gespräch mit dem Gesundheitsamt gab es dann also eine Videokonferenz zwischen Frau N und Herrn H, in der sie ihm noch mal sehr genau erklärte, was jetzt passiert. Mittwoch hat er den Termin zum PCR Test. Vorher Selbsttest natürlich, wenn der positiv ist, kommt das Gesundheitsamt raus, sonst Hausarzt gegenüber. Solange sind wir alle drei unter Hausarrest, was interessant ist, to say the least. Herr H wohnt jetzt im Gartenhaus und bekommt von mir vermutlich keine Nussecke serviert, das Kind und ich wohnen in der Hauptwohnung (nun gut, das ist ja immer so, aber die Küche, die Küche…) und warten den Test ab, der Wintergarten ist die Schleuse, in der wir Dinge transferieren können. Ist der PCR Test negativ, dürfen Ona und ich ab Ergebnis Donnerstag oder Freitag wieder raus, Herr H bleibt allerdings bis zum 14.5. in Quarantäne. Ist der Test positiv, eskaliere ich sehr, aber das verschieben wir auf Donnerstag. Sie machte ihm übrigens noch den schönen Vorschlag, dass er ja leider im Gartenhaus bleiben müsse, er solle aber vielleicht aus logistischen Gründen seine Kreditkarte einfach mir geben. Chie Mihara hat die neue Kollektion draußen. Prost.

Interessant auch die sehr wenig löbliche Vorgehensweise der Kollegen. Samstag getestet: positiv. Nix gemacht. Sonntag getestet: positiv. Nix gemacht. Montag getestet: positiv. Arbeitgeber angerufen, würden jetzt mal einen PCR Test machen gehen. Ich habe Fragen.

Ich kann auch vor lauter Wut gar nicht mehr kohärent schreiben, das tut mir sehr leid, ich hätte gerne einen sehr schwungvollen Quarantänetext verfasst, aber Sie müssen wissen, dass ich heute *sehr* schlecht gelaunt bin, und dass ich ab morgen sehr große Sorge habe. Ich sitze doch nicht umsonst 14 Monate eingeschlossen zuhause. Ich wollte gerne mit allen Mitteln verhindern, dass Ona und ich uns anstecken, und ja, ich weiß, dass man das nicht ausschließen kann und sich viele sehr vorsichtige Leute anstecken. ABER ICH GEHE KEINE NUSSECKE ESSEN IM NEUGEGRÜNDETEN GROSSRAUMBÜRO! Deshalb bin ich wütend.

Das Schöne ist, dass ich ja so sehr am längeren Hebel sitze, wie es nur irgend möglich ist. Ich habe die Küche, und das ist der eine Raum, der zählt. Morgen koche ich Bratkartoffeln mit Spiegelei. Wenn Herr H im Gartenhaus Hunger hat, bringe ich gerne was vorbei, nein, Moment, ich stelle es in die Schleuse. Mag er übrigens nicht so gerne. Übermorgen koche ich Gemüsebolo. Mag er nicht so gerne. Donnerstag Kürbislasagne mit extra Birne. Sie sehen das Muster. Während meiner Vorlesung eben hatte er sich und Ona eine Pizza bestellt (ich wollte keine), die ich annehmen musste (einfaches System: Boten in den Flur lassen, der stellt die Kartons auf die Altpapiertonne, ich hole sie da ab, neben der Wohnungstür). Ich habe sie 3/4 aufgegessen. Dann lieh ich ihm ein IPad, damit er uns dabei zugucken kann, wie wir zum Nachtisch ein Eis essen. Ich esse nie Eis. Nie. Heute gab es Eis.

Ich bin sehr wütend. Und das ist nicht gut. Ich bin insgesamt sehr angeschlagen, wobei ich jetzt gerade gut abgelenkt bin. Ich wollte eigentlich ein neues Tagebuch schreiben, hatte gerade damit angefangen. Und jetzt muss ich mich mit Essensentzugstrafen beschäftigen. Das war alles so nicht geplant. Und danke an Caro und Eric, die für mich eingekauft und die bestellten Zigaretten einfach nicht geliefert haben. Das war ganz groß, ich hab nämlich fucking Hausarrest und nur noch wenig fucking Impulskontrolle.

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