9.10.2024

Das Internet ist für etwas gut, also das soziale, was man nicht immer so im Blick hat, wenn man sich heutzutage in irgendeinem Netzwerk von irgendeinem Irren aufhält. Dazu übrigens folgende Beobachtung: Ich verfolge ja immer noch äußerst viel amerikanische Politik, und da ist nunmal XvormalsTwitter besser geeignet als manche anderen Orte, und da bin ich schon durchaus erstaunt, wie viele komische Troll-Follower man neuerdings dazubekommt, die übrigens alle irgendwie gleich sind und alle den gleichen 7.000 Leuten folgen, und dennoch schafft Elon Musk es scheinbar nicht, mir irgendeinen MAGA-Content auszuspielen, nach wie vor sehe ich nur irgendwelche linken Demokraten. Das ist doch bestimmt nicht in seinem Sinne. Auf YouTube habe ich glücklicherweise gefunden, was Frau Novemberregen und ich im Alter machen können: Wir wohnen dann hoffentlich näher aneinander, kaufen uns zwei schicke Sessel und große Mikrofone, und dann podcasten wir wieder, und zwar ausschließlich über Sachen, die uns aufregen, und darüber schimpfen wir dann mit ganz vielen bösen Wörtern. Der exemplarische Podcast, den zwei Damen aus Oklahoma machen, heißt „I’ve had it“, und ja, ich weiß nicht genau, warum ich das gut finde, zu viel kann ich davon auch nicht gucken/hören, aber ab und an finde ich das unterhaltsam. Und bis wir in Wutrentner werden, ist der bestimmt schon vergessen, es fällt also nicht auf, wenn wir das System einfach kopieren.

Was ich aber ja eigentlich schreiben wollte, ist, dass Jonathan seit Montag das sogenannte Sozialpraktikum macht. Nach dem eintägigen Schnuppertag am „Boys Day“, wo – ich zitiere – die Jungs mal einen Tag in einen Frauenberuf reinschnuppern sollten, auf der Basis kann man mit mir ja nicht diskutieren, eine Freundin zählte just gestern ein paar Frauenberufe auf, die sie kennt, Dax-Vorständin, Richterin am Verfassungsgericht, etc., wird also nun eine Woche was mit Menschen gemacht. Jonathan entschied sich für ein Praktikum in der Demenz-Tagespflege, eher zögerlich, er hätte von sich aus lieber etwas mit Fischen oder Pflanzen oder Maschinen gemacht, aber manchmal muss man auch mal aus der Komfortzone raus, und prompt kam er Montag ganz begeistert wieder. Alle nett, hat ihm Spaß gemacht, er habe bei Oma ja auch trainiert, mit alten Leuten umzugehen, es gab viel zu erzählen. Allein dafür hat es sich schon gelohnt, an drei Praktikumstagen haben wir uns jetzt bestimmt vier Stunden über die Aufgabe unterhalten, wer mal mit einem 15Jährigen zusammengelebt hat, weiß, was das heißt! Dienstag fand er auch sehr schön, es gibt ein Aquarium, da hat er eine Sprechstunde gemacht, allen Besucher:innen, die etwas darüber wissen wollten, hat er die Pflanzen und Fische erklärt. Gerne auch mehrmals.

Dann erwähnte Excellensa, die tief im Thema ist, gestern, dass es bestimmt ein Highlight wäre, wenn Fiene mal mitkommen würde, und nix leichter als das, Jonathan fragte also heute das Personal, ob sie ein halbes Stündchen vorbeikommen könnte, die Leute fanden das eine sehr gute Idee, und so brachte ich den Hund eine halbe Stunde vor Feierabend in die Tagespflege.

Nun war ich ja nicht dabei, aber ich fasse kurz zusammen: Er hatte den Hund nicht angekündigt, und als er mit ihr reinkam, sind alle total ausgeflippt und haben sich gefreut wie verrückt. Der Hund hat sich sehr gut benommen, nicht, dass sie irgendwie schwierig wäre, aber manchmal, wenn andere sich freuen, freut sie sich auch wie verrückt, und dann muss sie übersprungsartig ganz viel rennen und dann fällt alles um, den Teil hat sie aber ausgelassen. Eine halbe Stunde lang ist er dann mit ihr von Person zu Person gegangen, hat alles über Fiene erzählt, und sie hat sich ausführlich bepusseln lassen. Nach einer halben Stunde habe ich sie wieder abgeholt, und alle waren sehr glücklich. Und Herr S., von dem Jonathan am Montag schon erzählte, dass er in einem sehr fortgeschrittenen Stadium sei, er spricht nicht mehr und sitzt nur auf dem Stuhl und reagiert schlecht, hat sich auch gefreut und langsam aber ausführlich von seinen eigenen Hunden erzählt. Wie gut, dass wir den Tipp bekommen haben!

7 Gedanken zu „9.10.2024“

  1. Sehr, sehr großartig, von allen Beteiligten. Vielen Dank!
    Und falls sich Leser*innen mit einem Haustier mit dem friedlich-freundlichen Gemüt von Fiene und ein wenig Tagesfreizeit fragen, ob sie das auch ehrenamtlich machen können: fragen Sie einfach in Einrichtungen in Ihrer Nähe nach. Tagespflegen und Altenheime freuen sich häufig sehr, wenn es Ehrenamtliche gibt, die ab und an mit einem Besuchstier vorbeikommen.

  2. Oh, wie schön das zu lesen. Ich arbeite seit über 10 Jahren in der Altenpflege und Hunde und Kinder sind „Türöffner“.
    Freut mich auch, dass Ihrem Sohn das Praktikum Spaß macht. Ist keine Selbstverständlichkeit in dem Alter.
    LG Conny

    • Kam für uns ALLE auch wirklich ganz unerwartet. Am besten fand er an der ganzen Idee, dass er 1,5 Stunden länger schlafen kann 😉 Aber umso schöner. Hat er auch was über sich gelernt!

  3. Was für eine tolle Geschichte. Herr S. könnte auch mein Vater sein, ich glaube wenn ein Hund käme würde er genauso reagieren. Wenn diese Erkenntnis doch nicht so neu ist, warum wird in der Richtung nicht mehr gemacht? Bei meinem Vater im Pflegeheim kommt wenigstens ab und zu eine Kindergartengruppe oder Grundschülerinnen. Da freut er sich auch immer sehr.
    LG Birgit

  4. bin sehr froh über diesen blogbericht- ich denke immer schon, andere welten kennenlernen ist der schlüssel zu mehr verständnis füreinander. dazu passt meine letzte lektüre: „der bademeister ohne himmel“ von petra pellini(eine 15-jährige hilft einem demenzkranken 86-jährigen). was frauen- oder männerberufe sind, diese frage gehört mal im ministerium diskutiert, und in der schule. LG roswitha

  5. Das Sozialpraktikum finde ich eine großartige Idee. Werden noch weitere Berufsfelder angesehen in den nächsten Jahren? Es gibt es viele Berufe, die man entweder gar nicht kennt oder die man nicht Erwägung zieht, weil man zu wenig darüber weiß oder kein belastbares Gefühl dazu hat.

    Ich war schon oft mit meinem Hund im Hospiz zu Besuch und alleine das Personal freut sich immer schon über die Abwechslung.

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