25.06.2023

Zweiter Tag, es zeichnet sich ab: Mein Supertrick hat nicht funktioniert, man kann nicht den Kuchen haben und ihn auch essen, dieser Club ist nicht meiner, und das liegt vermutlich eher an mir als an dem Club, oder vielleicht liegt es aber auch an den Menschen, aber das liegt natürlich auch wieder an mir, ich könnte mich ja einfach nicht über alle möglichen Menschen so aufregen, dann wäre sofort fast alles wieder gut, es ist zwar dennoch meilenweit entfernt von dem Erlebnis im letzten Jahr, aber gut, ich weiß jetzt: Mit der Liege kommt der Hass. Ich stand aus unerklärlichen Gründen um 6 Uhr auf, um 7 Uhr gab es Frühstück, um 8 Uhr ging ich zum Strand, da lagen bereits Menschen auf den Liegen in der ersten Reihe, zwei Liegen waren noch frei, also legten Jonathan und ich uns auf diese Liegen und blieben einfach 4 Stunden da liegen. Die anderen Menschen warteten eine scheinbar ohne Worte vereinbarte Karenzzeit ab, dann schlichen sie sich weg, ließen aber Sachen dort, Handtücher, Nackenrollen, Sonnenmilch, so Dinge, und dann kamen sie um 11.30 Uhr wieder. In der Zwischenzeit hatten wir es natürlich einerseits sehr schön, wir waren nämlich alleine, aber in den Reihen 2 bis 4 lagen dann Leute, die bestimmt auch gerne vorne gelegen hätten, aber da lag natürlich die Sonnenmilch, das geht dann natürlich nicht. 

Mich strengte das alles immens an, weil – ach, ist ja auch egal, ich will nicht misanthrop wirken. Also nicht noch mehr. 

Dann nachmittags gingen wir nach Essen und Schlafen wieder zum Strand, dieses Mal war mein Wunsch, mich über die aktuelle Weltlage zu informieren, vorzugsweise in einem dieser superkomfortablen Sessel, die im Sand standen für Menschen, die da sitzen wollen mit einem Getränk. Eine Konfiguration war frei, also Sofa und zwei Sessel, allerdings lagen auf dem Tisch ein Tim und Struppi Buch, Sonnenmilch, nasse Handtücher und drei Paar Schuhe. Jonathan ging sich im Strandrestaurant ein Panini holen (nachmittags gibt es noch die ‚Snackline‘ für Menschen, denen noch nicht schlecht ist), ich stand ein bisschen rum (Liegen waren jetzt bis in die 4. Reihe entweder belegt oder „belegt“), holte mir dann ein Getränk, leistete dem essenden Teenager Gesellschaft und beschloss irgendwann, dass – wenn man 30 Minuten nicht am Strandbarsessel war – Schuhe auf dem Tisch in keinem Zusammenhang zum Sessel stehen und setzte mich in den Sessel unterm Schirm. Ich las Zeitung. Etwa 30 Minuten später kam ein Mann, ich sage das jetzt einfach mal so, um mir die Diskussion über Diskriminierung von Tätowierten zu ersparen, guckte mich sehr böse an, nahm das Tim und Struppi Buch und setzte sich mir gegenüber auf das Sofa. Er las dann auch. Irgendwann kam dann seine Frau, sagte „Guten Tag“, was ich verhaltensnormativ fand, ich sagte auch „Guten Tag“, dann entschuldigte sie sich für die Schuhe auf dem Tisch, und dann wollten sie erst so tun, als wäre ich nicht da, das hielten sie aber nur 5 Minuten aus, dann gingen sie an den Pool. Dummerweise kam dann der DJ an den Strand, oh boy, also musste ich auch an den Pool, da guckte er dann noch mal sehr böse.

Dann kam das Abendessen. Wir mussten sehr hektisch duschen, der Teenager hatte 2 Stunden nicht gegessen, es drängte. Außerdem wollte er an einem Tisch auf der Terrasse sitzen, was theoretisch problemlos sein sollte, da es ja nur Achtertische gibt (oh boy), und man sich dazusetzen soll, um andere Menschen kennenzulernen, das findet er aber nicht gut, es darf sich gerne jemand zu uns setzen, aber er möchte erst einmal an einen leeren Tisch, ich verstehe das gut. Jetzt muss ich kurz noch etwas einführen: Wie mit den Liegen am Strand gibt es eine Reihe Tische auf der Terrasse, die die erste Reihe zum Meer bilden. Da zu sitzen ist natürlich ganz besonders super, und es gibt folgendes Modell: Man kann sich einen Tisch reservieren, dafür muss man eine Flasche Wein kaufen. Also eine andere als den Wein, den es sowieso gibt. Für mich macht das erst mal wenig Sinn, ich trinke Wein beim Essen, okay, aber ich habe keine Ahnung und keine Meinung zu Wein, daher macht es keinen Sinn, 40 Euro für etwas, was ich zur Not trinke, zu zahlen, wenn ich auch für 0 Euro etwas bekomme, was ich zur Not trinke. Jedenfalls ist das System so, dass man die Tische reservieren kann, dann stehen Reservierungsschildchen drauf, und dann kann da niemand anderes sitzen, so weit, so nachvollziehbar. Wir kamen also auf die Terrasse, zwischen mehreren Achtertischen am Meer gab es einen Zweiertisch, Jonathan sah sofort, dass der nicht reserviert ist und schlug vor, dort zu sitzen. Ich gab zu bedenken, dass das schiefgehen könnte, aber wie sagt die Niederländerin: Nein hast du, Ja kannst du kriegen, also setzten wir uns. Ona rannte sofort wieder los zum Buffet, ich wartete, um zu erfahren, ob wir wieder weg müssen, dann wurden die Gäste am Nebentisch sehr herzlich begrüßt, und der Kellner drehte sich zu mir und sagte: „Hier ist reserviert.“ Ich antwortete wirklich *sehr* freundlich, dass ich dann natürlich gerne aufstünde, allerdings sei uns aufgefallen, dass es kein Schildchen gäbe, dann sagte er „Hier müssen Sie reservieren und eine Flasche Wein kaufen“, dann sagte ich etwas im Stil von „Aha, okay, ich dachte, man könne einfach hier sitzen, wenn niemand den Tisch reservieren möchte“, und dann sagte er: „Dann bleiben Sie sitzen, aber kein Wein“, also kein normaler Tischwein, und nahm mein Glas mit.

Ich sag’s mal so: Die nächsten zwei Stunden waren nicht schön. Wir bekamen keine Getränke, widerwillig eine Flasche Wasser, man räumte unsere Teller nicht ab, und insgesamt wurde sehr viel sehr böse geguckt. Ona sprach beruhigend auf mich ein, ich wiederholte immer wieder, wie freundlich ich doch gesagt hätte, dass ich auch gerne wieder aufstehe, und irgendwann waren wir zum Glück fertig. 

Morgen buche ich so einen Tisch mit einer Flasche Sekt. Und dann bin ich vermutlich einfach so freundlich wie immer, habe aber immerhin jetzt 20 Stunden, in denen ich im Kopf 10 mal durchgehen kann, wie ich zusätzlich zu meiner Flasche Bezahlsekt noch roten, weißen und Rose-Hauswein bestellen werde, dazu Wasser mit und ohne. Und ich werde in meinem Kopf total unfreundlich sein. Faktisch wird das nicht passieren. Aber es werden 20 gute Stunden sein. 

8 Gedanken zu „25.06.2023“

  1. Boah, wie nervig können Menschen nur sein … da ich so einen Cluburlaub noch nie gemacht habe, hielt ich den Liegenterror bisher eher für etwas übertriebene Erzählungen oder etwas, dass es früher mal gab. Dass es in einem All-inklusive-Club zwar Getränke gibt, die nicht drin sind, kann ich mir vorstellen. Wenn mir aber ohne deren Erwerb die beste Sicht verstellt bliebe und mir das bei Buchung nicht bekannt gewesen wäre, bräuchte ich sehr viel OMMMMM (und Sekt), um diesen Urlaub auch nur noch ansatzweise entspannt zu verleben.

    Danke für die Formulierung „Nein hast du, Ja kannst du kriegen“. Die kannte ich noch nicht.

    Wünsche schöne Urlaubsmomente!

  2. tut mir leid für euch, leider viel erkenntnisse und wenig gastfreundlichkeit. ich bin sehr froh, dass ich es noch nie so erlebte. dieses asoziale verhalten der handtuch-reservierer und die schuhe auf dem tisch sind das letzte. mühselig suchten wir immer private unterkünfte, aber alles war, wie von uns gewünscht. ich werde in solchen geschilderten umständen sehr unausstehlich, auch für mich selbst, so einen urlaub brauche ich nicht.

    • Ich habe ja sehr gute Gründe dafür, dass ich vor zwei Jahren beschlossen habe, einmal im Jahr mit dem
      Kind so zu verreisen. Wir machen sechs Urlaube dieses Jahr, einer davon soll auch auf ihn zugeschnitten sein. Und er liebt es.

  3. Oh, es scheint, Sie leben gerade im italienischen Grand Hotel von Thomas Manns „Mario und der Zauberer“, allerdings mit Störung durch Kapitalismus statt Nationalismus.

    „… als wir uns zum Diner im Speisesaal einfanden und uns von dem zuständigen Kellner einen Tisch anweisen ließen. Es war gegen diesen Tisch nichts einzuwenden, aber uns fesselte das Bild der anstoßenden, auf das Meer gehenden Glasveranda, die so stark wie der Saal, aber nicht restlos besetzt war, und auf deren Tischchen rotbeschirmte Lampen glühten. Die Kleinen zeigten sich entzückt von dieser Festlichkeit, und wir bekundeten einfach den Entschluß, unsere Mahlzeiten lieber in der Veranda einzunehmen – eine Äußerung der Unwissenheit, wie sich zeigte, denn wir wurde mit etwas verlegener Höflichkeit bedeutete, daß jener anheimelnde Aufenthalt „unserer Kundschaft“, „ai nostri clienti“ vorbehalten sei. Unseren Klienten? Aber das waren wir. Wir waren keine Passanten und Eintagsfliegen, sondern für drei oder vier Wochen auszugehörige, Pensionäre.“

    (trotzdem noch gute Erholung – vielleicht mit dieser Novelle als Reiselektüre?)

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