17.03.2022

Aus unerklärlichen Gründen kann ich nicht am Laptop bloggen, also bediene ich mich des Mobiltelefons, und ich muss nicht erwähnen, wie widrig diese Umstände sind.

Stimmen wurden laut, dass man vielleicht doch hören wollen würde, was ich zu Andrij Melnyk zu sagen habe, und eigentlich will ich ja zum Krieg mangels Einordnungskompetenz gar nix sagen, aber gut, ich bin ja in guter Gesellschaft. Ach. Jetzt könnte ich den Link zum gestrigen Blogeintrag von Nicole Diekmann hier teilen, aber am Mobiltelefon ist das alles sehr anstrengend. Bitte suchen Sie selber, ist rechts verlinkt.

Zu Andrij Melnyk möchte ich Folgendes sagen, und ich weiß, dass es nicht klug ist, aber es ist, was ich denke: Er nervt. Ja. Mich nervt er, und andere Menschen nervt er auch, und die SPD nervt er ganz besonders. Und ja, die Kernaufgabe eines Diplomaten ist es, zu jedem Zeitpunkt, egal, wie ernst die Lage ist, diplomatisch zu bleiben, das ist quasi im Titel schon hartverdrahtet. Und ja, Arschloch ist kein schönes Wort, und weil ich selber das auch nicht gerne höre, hatte mein Kind sich vor vielen Jahren die Schöpfung „dicke Bratbanane“ ausgedacht, und es zu umgehen. Weiß ich alles. Aber ich möchte Sie zu einem kleinen Gedankenexperiment einladen.

Stellen Sie sich vor, statt der Ukraine würde Deutschland angegriffen (oder wo immer Sie auch leben). Von heute auf morgen gehen Sie morgens nicht mehr in die Uni, oder ins Büro, oder in die Agentur, oder in den Salon, oder in die Praxis, sondern Sie packen einen Koffer mit Kleidung für 3 Tage, nehmen Ihre Kinder an die Hand und laufen los, in der Hoffnung, dass es irgendeinen Weg aus dem Land raus gibt für Sie und Ihre Familie. Moment. Nein. Ihr Mann und Ihr Vater, die bleiben ja da. Oder wenn Sie ein Mann sind, dann bringen Sie Ihre Frau mit ihren Kindern an die Grenze und verabschieden sich, in dem Bewusstsein, dass nicht wirklich gesichert ist, dass Sie sie jemals wiedersehen. Können Sie sich nicht vorstellen? Nein, ich auch nicht. Das ist aber exakt das, was gerade millionenfach passiert.

Und jetzt stellen Sie sich bitte vor, Sie würden gar nicht mehr in Deutschland leben, sondern Sie seien Deutschlands Gesandter in – sagen wir mal – den USA. Dort sitzen Sie in Glanz und Gloria, man nennt Sie „Exzellenz“ und wann immer Sie irgendwo auftauchen, wird ganz lange geklatscht, länger als auf deutschen Balkonen für die Pflegekräfte vor 24 Monaten. Ihre Familie haben Sie vermutlich bei sich, ihre Eltern haben Sie vielleicht schon vor Wochen aus Deutschland ausfliegen lassen. Das weiß ich natürlich nicht, kann es mir aber vorstellen. Und dann wird Deutschland angegriffen, Wohnhäuser, Kirchen, Krankenhäuser werden bombadiert, Fluchtkorridore funktionieren nicht, und Sie sitzen in den USA in Ihrem Palast und beginnen, sich um Menschen zu sorgen. ALLE Menschen, die ich in den letzten 45 Jahren kennengelernt habe (minus die, die ich in den Auslandsjahren kennengelernt habe, aber im Vergleich ist das die Minderheit) sind nicht mehr in Sicherheit. Deutlicher formuliert: ALLE Menschen, die man kennt, sind in Lebensgefahr. Und Sie sitzen an einer Stelle, wo ein Einschreiten – ob das nun vernünftig wäre oder nicht, sei dahingestellt – das Blatt für Ihr Land wenden könnte. ALLE Menschen. Ich würde verrückt. Und nun ist aus allen Gründen in den letzen 45 Jahren noch nie jemand auf die Idee gekommen, dass ich eine gute Diplomatin geworden wäre, aber ich bin mir sicher: Wenn ALLE Menschen, die ich überhaupt kenne, in Lebensgefahr wären, dann könnte das Land, in dem ich Diplomatin wäre, sich sehr glücklich schätzen, wenn ich *nur* jemanden Arschloch nennen würde. Ich habe keinerlei Fähigkeiten, die mich für den Job qualifizieren würden. Und bei allem Generve und aller Einsicht, dass das nicht sehr elegant ist: Wenn ich mich in seine Lage versetze, brennt alles.

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