12.08.2022

Ich bin frisch verliebt. Venedig hat da nichts mit zu tun, nicht, dass Sie denken „da fährt die Frau nach Venedig, und schon ist sie verliebt“, nein so war es nicht, außerdem – und das kommt jetzt unerwartet, ich war zeitlebens ein leidenschaftlich interessierter Mensch, häufig war das Ziel ein Mann – scheine ich im mittleren Alter jetzt eine eher abseitigere Objektsexualität zu entwickeln. Ich habe sehr lange nicht mehr für etwas so gebrannt, wie.

Für meinen neuen Supermarkt. So sieht es aus. Ich habe die letzten Jahre wie erwartet ein sehr festgefahrenes Supermarktverhalten an den Tag gelegt, welches sich hin und wieder durch äußere Umstände leicht wandelte, die Umstände konnten unterschiedlicher Natur sein. Vor 14 Jahren zum Beispiel hatte ich eine etwa neun Monate andauernde Phase des unangekündigten Projektilkotzens, welches sich sehr verlässlich abrufen ließ beim Anblick von z.B. Hackfleisch oder Wurst oder Steak oder manchmal auch, als Überraschungseffekt, einem Bund Möhren, also konnte ich irgendwann nicht mehr guten Gewissens in meinen Lieblingssupermarkt gehen, weil alle schon panisch den Wischer bereitstellten, wenn ich den Laden betrat. Am Ende der Schwangerschaft hatte ich alle Leidener Supermärkte durch und musste nach Leiderdorp zum Einkaufen gehen, irgendwann verließ ich das Land, ich wollte einen Supermarkt-Neuanfang.

Dann schliff sich ein Dreiladensystem für den samstäglichen Wocheneinkauf ein, bestehend aus 1) Discounter, 2) Rewe für alles, was ich in 1) nicht bekam und 3) Drogeriemarkt. Dann wurde meine Zeit knapper und knapper und ich beschloss, dass ich diesen Triathlon am Wochenende nicht mehr machen könnte, also wählte ich einen Vollsortimenter und kaufte dann nur noch dort ein. Dann wurde ein neuer, sehr großer Rewe gebaut, der allerdings aus mehreren Gründen sehr schlecht ist, zum Beispiel ist er riesig, hat aber scheinbar nicht den erwarteten Durchsatz, also ist Obst häufig oll und Gemüse eklig, das war also schlecht, aber mit Beginn der Pandemie etablierte er sich dann doch zum Supermarkt meiner Wahl, da er riesig und leer war, mit breiten Gängen, und abends um 21.30 Uhr wurde das Gemüse aufgefüllt, man konnte also mit etwas Glück auch etwas kaufen, was nicht Kompost ist.

Dann wurde der Vollsortimenter geschlossen, so ein Real, die ja alle verkauft wurden, und damit endete eine Ära. Ich vermisse ihn nicht, aber immerhin wird das in meinem Herzen immer der Laden sein, in dem ich am Tag vor der Einschulung 2015 um 21.30 Uhr noch eine kurze Jeans in Knallorange (einzige verfügbare Hose in Größe 152) kaufen konnte, nachdem Ona sechs Wochen lang nur Badehosen getragen hatte und meine Schwester bei Anreise sagte „Mensch, bist du aber groß geworden“ und sich dann herausstellte, dass die Hose, die wir für die Einschulung gekauft (und anprobiert) hatten, wirklich überhaupt nicht mehr passte, und dass außer den Badehosen und Pyjamashorts auch wirklich gar keine einzige Hose im Schrank mehr passte, also fuhren die Schwester und ich um 21.30 Uhr zu Real und kauften die einzige Hose, die es in 152 gab. Dass ich den Laden für immer in meinem Herzen tragen werde, da er ermöglicht hat, dass mein einziges Kind nicht in einer Badehose eingeschult werden musste, versteht sich von selbst.

Jetzt gibt es aber einen neuen Supermarkt, und wie es dazu kam, erzähle ich morgen, und wieso ich denke, dass ich noch nie näher an Objektsexualität war in meinem Leben, vielleicht auch. Jetzt bin ich zu müde, und irgendwie habe ich in dem Text die Kurve nicht gekriegt. So ist das manchmal.

5 Gedanken zu „12.08.2022“

  1. Größe 152 bei der Einschulung?!?
    Mein Sohn ist nicht klein, aber er wird 122 tragen.
    Voraussichtlich.
    Sind ja noch 2 Wochen.
    Werde jetzt nachmessen.

  2. Hallo Frau Herzbruch, wie ich gerade feststelle, erscheinen Ihre blogartikel nicht mehr bei Feedly. Ich werde für mich eine Lösung finden, dachte aber, es interessiert Sie vielleicht auch?
    Außerdem bin ich gespannt, wie es weitergeht mit der Supermarktliebe 😉

    • Oh, danke für den Hinweis. Ich hab momentan wirklich wenig Ressourcen, das anzugehen, aber Sie werden nichts verpassen, in den nächsten Tagen ist hier noch Blogurlaub. Und dann kümmere ich mich!

      • (Und der Supermarkt wird für mich leider zeitlebens der Ort sein, an dem ich stand, als das Telefon schellte und ich erfuhr, dass meine Mutter mit 60 km/h in eine Hauswand gefahren ist. Ich denke, ich brauche einen neuen.)

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