Klopapier-Lied

Ich befinde mich in der einzigartigen Situation, dass ich für Sie da draußen ganz alleine testen kann (schon mal für die dritte Welle), welche Klopapierstrategie insgesamt die vernünftigste in „der aktuellen Situation“ ist. Und da ich insgesamt in den letzten Tagen sehr angestrengt bin und Frau N. auch, gebe ich Ihnen sehr freundlich mit auf den Weg, dass ich die Diskussion, die Deutschen würden jetzt alle Regale leerkaufen, weil irgendein Blogger ein paar Hundert Leute auf die Idee bringt, man müsse jetzt Klopapier horten, für zu spät halte. Die Deutschen horten bereits Klopapier, und daran bin ganz sicher nicht ich schuld.

Ich halte mich für sehr vernunftbegabt. Ich habe in formaler Logik promoviert (naja, und anderen Dingen, aber formale Logik war ein Teil davon), und das gibt mir immer eine gewisse Grundsicherheit, wenn die Frage geklärt werden muss, ob etwas logisch sei oder nicht. Und wenn meine Kenntnisse versagen, gibt es ein dreiminütiges Telefonat mit Frau N., das wir wiederkehrend in beide Richtungen führen. Es beginnt immer mit „Hallo, ich brauche kurz einen Realitätscheck“, dann schaltet die Andere alle verfügbare Ratio ein, man schildert Problem und Lösung, üblicherweise sagt man dann „Ja, super, so machen“, und dann weiß man, dass ein anderer vernunftbegabter Mensch das auch so lösen würde, und dann macht man das halt. Das funktioniert seit vielen Jahren mit gutem Ergebnis.

Manchmal ist es allerdings so, dass es gar nicht hilft, wenn man selber so furchtbar vernünftig ist, da alle um einen rum sehr unvernünftig sind. Das erfuhr ich zu Beginn des ersten Lockdowns.

Sie alle erinnern sich, vielleicht waren Sie sogar Teil des Problems: Es gab kein Klopapier mehr. Ich dachte initial, als das Thema sich abzeichnete, kurz darüber nach, was das für mich bedeutet, und kam zu dem Ergebnis: Nichts. Es ist so, dass ich bislang keinen Tag meines Lebens mit der Organisation von Klopapier beschäftigt war. Ich mache samstags einen großen Wocheneinkauf, und wenn ich das Gefühl habe, es könnte an der Zeit sein, dann kaufe ich Klopapier. Mit diesem System fahre ich seit 26 Jahren mit eigenem Haushalt sehr gut. Es gab nie einen Engpass, und ich hatte nie signifikante Vorräte. So kam es also, dass plötzlich das Klopapier im Supermarkt des Vertrauens ausverkauft war, und ein kleiner Check sagte mir, dass es diese Woche noch keinen Handlungsbedarf gebe. In der nächsten Woche war es auch ausverkauft, ich war aber noch immer entspannt, riet aber dazu, die Nase hochzuziehen oder am Pulli abzuputzen, also eigentlich das zu machen, was so ein 11Jähriger eh macht, wenn keiner guckt.

In der Woche drauf wurde ich langsam hektisch. Also steuerte ich verschiedene Supermärkte an, ohne Erfolg, und stand dann später aufgelöst in der Stammapotheke, in der ich immer recht viel Geld für Pflegeprodukte lasse und jammerte, was dazu führte, dass die Chefin mir ein 8er Paket Hakle mit Duft und Farbe (naja, was will man machen) überließ. Das fand ich nett. In der kommenden Woche schwante mir langsam, dass ich mit meiner laissez-fairen Art, wir sollten uns doch einfach mal alle in den Griff kriegen und normal sein, an der Stelle nicht weiterkam, denn das Publikum, das diese Botschaft hätte hören sollen, die TP Hoarder, waren ja offensichtlich immer schon sehr viel früher als ich unterwegs. Also ging ich eines Abends in den nächsten Discounter und sprach mit dem Filialleiter. Es war 10 Minuten vor Geschäftsschluss, und meine Frage als berufstätige Mehrfachbelastete war recht einfach: Wann genau muss ich in diesem Scheißladen sein wenn ich für meine Familie Scheißklopapier kaufen will? Ich kann nicht 40 mal am Tag vorbeikommen.

Die Antwort war bestechend einfach: Wenn ich wirklich keins mehr hätte, dürfte ich kurz heimlich mit ins Lager kommen, da stehen natürlich ganze Paletten Klopapier, die nur nicht rausgebracht werden. So geschah es also, dass ich kurz vor Geschäftsschluss mit einem Paket Klopapier unter dem Rolltor hervorkrabbelte, und das, was sich im Anschluss im Laden abspielte (der Filialleiter hatte seine Anweisung „Aber sagen Sie nicht, woher Sie das haben“ nicht zuende gedacht), möchte ich gar nicht vorwegnehmen, sollte mein Leben einst verfilmt werden, ist das sicherlich eine Schlüsselszene.

Nun hatte ich also wieder acht Rollen, da es sich aber um ein Verbrauchsgut handelt, musste ich recht schnell wieder los. Dieses Mal fuhr ich morgens um 7.30 los und steuerte sämtliche Supermärkte, die mir einfielen, nacheinander an. Auf der Liste stand Klopapier, Küchenrolle, Taschentücher, frische Hefe, Roggenmehl und Weizenmehl. In insgesamt 8 Läden gelang es mir, zwei Pakete Klopapier, zwei Pakete Weizenmehl und vier Würfel Hefe zu ergattern. Danach musste ich mich hinlegen, es war sehr anstrengend.

Der Mann guckte sehr strafend, dass ich direkt in zwei Läden Klopapier gekauft hatte, was aber an mir wie an Teflon abperlte, denn die Logik, dass es jetzt ja weniger Klopapier gebe, weil ich auch hamsterte, fand ich defizitär. Dann war ja irgendwann alles wieder gut, es gab wieder alles, und jetzt ist alles wieder schlecht. Danke, Deutschland.

Ich habe in den letzten Tagen mehrfach Klopapier gekauft. Und Taschentücher. Und Mehl. Und Hefe. Und ich besitze jetzt sogar zwei Dosen Suppe. Der Mann guckt nach wie vor strafend, aber aufgrund einer hervorragenden Situation ist das nicht nur vollkommen unerheblich, sondern sogar ein perfekter Versuchsaufbau. Es ist nämlich so.

Wir teilen keine Toilette. Es gibt insgesamt 3 Toiletten in verschiedenen Wohneinheiten, eine davon nutzen Ona und ich, eine andere in einer anderen Einheit nutzt der Mann. Zusätzlich kaufen wir unterschiedliches Klopapier. Ich ruhe mich seit 11 Jahren auf dem Argument der natürlichen Geburt aus, wenn ich nur Produkte kaufe, auf denen „extraweich“ oder „flauschig“ steht, er bevorzugt umweltschonende Produkte, was ich natürlich in der Theorie vollkommen unterstütze, in der Praxis an diesem Ende aber nicht mitgehe. So kommt es also, dass es wirklich überhaupt keine Überschneidung von Klopapiernutzung in diesem Haushalt gibt, außer von Ona und mir, und das ist ja okay, der hat zum Hamstern ja keine Meinung. Ich habe also in der letzten Woche sehr viel flauschig-weiches Toilettenpapier gekauft und fühle mich zwar *in der Sache* irrational, aber logisch richtig aufgestellt, ich will ja nicht wieder die einzige Person in Düsseldorf sein, die nix hat, wenn alle wieder Corona und Noro verwechseln. Corona ist kein Virus des Darmtrakts, möchte ich rufen, aber es hört ja eh keiner zu. Und die, die das wissen, müssen ja hamstern, weil alle anderen sonst alles weghamstern. Ein Teufelskreis.

Mein Mann hat kein Klopapier gekauft, obwohl es welches gab. Ich habe ihn sogar heute aus dem Supermarkt angerufen. Seins war noch da, Rest war weg. Nein, er habe noch sechs Rollen.
Ich wünsche ihm viel Erfolg, werde explizit nicht teilen und beizeiten wieder berichten.

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