10.12.2022

Ich hänge in meiner Informationsbeschaffung etwas hinterher, die Grippe, Sie wissen ja, aber ich habe mit großer Begeisterung zur Kenntnis genommen, dass die liebe Kaltmamsell das gemeinsame Älterwerden jetzt mit einer neuen Schriftgröße moderiert. Ganz hervorragend, ich finde das sehr leserinnenfreundlich. Mich selber betraf das eigentlich gar nicht, da ich ja so Geräte habe, die mit einer kleinen Fingergeste alles so groß ziehen, wie ich das für die alten Augen brauche, aber ich drohe natürlich irgendwann RSI durch fortschreitende Blindheit zu bekommen, so oft, wie ich die kleine Fingergeste anwenden muss, um im Alter noch mit diesen modernen Techniken klarzukommen. Daher: Danke.

Ansonsten wollte Herr H am Ende von Woche 2 unserer lustigen Familienkrankheit „endlich mal wieder was erleben“, also fuhren wir mit FFP3 Masken in den Baumarkt, um dort einen wirklich sehr kleinen sehr traurigen Weihnachtsbaum zu kaufen. Seit 10 Jahren kaufen wir alljährlich am 23.12. einen 3 Meter langen Weihnachtsbaum, der dann – wie Frau N neulich einordnete – als Leiche im Wohnzimmer steht und dann anschließend von der Stadt verfeuert wird, wie absurd ist das eigentlich? Letztes Jahr startete ich eine kleine Umfrage, wie man denn klimabesser dieses Weihnachtsbaumproblem lösen könnte, und ich erinnere mich an viel Resonanz, so richtig überzeugte mich aber nichts. Ich entschied, das Thema einfach zu vertagen, aber heute morgen fiel mir eine weitere Komplikation ein: Wir sind nämlich in der Zeit, in der die Leiche im Wohnzimmer steht, ja eigentlich gar nicht da. Am 26. fahren wir in Urlaub, am 31. kommen dann wir und die Ns, am 1. werden wir wieder nüchtern, und am 2. möchte ich erfahrungsgemäß den Baum wieder loswerden, neues Jahr, Baum muss raus.

Durch geschicktes Framing überzeugte ich erst den hier ansässigen Öko, für den eigentlich ein Baum erst bei 3 Metern Höhe beginnt, dass ich dieses Jahr einen 80 cm Baum mit Wurzel kaufen möchte, und er war begeistert. Im zweiten Schritt erzählte ich dann dem umweltbewegten Teenager die Geschichte von der Leiche und dem CO2, und dann war das auch geritzt, also fuhren wir ins Gartendingens. Ich schritt durch die Reihen kleiner Minitannen mit Ballen, fand eine, die besonders schön und buschig war, rief Herrn H zu mir, der noch in der Abteilung mit den Weihnachtsgnomen hängengeblieben war, und dann sah ich etwas, was ich wirklich sehr selten bei erwachsenen Menschen sehe: Herr H. machte ein Schüppchen. Vor der 80 cm Fichte stand ein 198 cm Mann und machte ein Schüppchen.

Wir einigten uns dann auf einen sehr hässlichen 120 cm Baum, „immerhin ist der ja wenigstens größer“, denn es scheint ja doch so zu sein: Da kann man Männern ein Leben lang in allen Medien und Kontexten erzählen, das Größe keine Rolle spielt. Wenn es um den Weihnachtsbaum geht, ist alles vergessen.

8 Gedanken zu „10.12.2022“

  1. Jetzt möchte der regional anders sozialisierte Leser aber wissen, was „ein Schüppchen machen“ ist. Googlen brachte mir einen Artikel der Apothekenrundschau zu Anti-Schuppen-Shampoos. Und ich vermute, damit hat es nichts zu tun.

  2. Mir ist es mit eher norddeutscher Sprachprägung nur als Flunsch/Fluppe ziehen bekannt. Aber jetzt amüsiert mich leicht die Vorstellung von einem 1,98-Mann, der genau jenes macht.

  3. habt ihr auch eine gebrauchsanweisung für den baum im topf? wenn er überleben soll, braucht er nach dem aufenthalt im haus eine übergangswohnung in der garage, oder sonstigem geschützen ort. bitte nicht zuviel gießen, er verdunstet ja nichts ohne sonne. aber auch nicht total austrocknen lassen. und dann kann er märz raus und im nächsten jahr nochmal genutzt werden(mindestens), für ein jahr reicht der topf sicher.

    • Herr H hat ja Baum studiert, er weiß da gut Bescheid. Er wohnt bis zum Frühling im ungeheizten Wintergarten, seufz. Also der Baum. Und dann ist die Chance 50/50, aber gut. Immerhin gibt es eine Chance.

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