07.03.2024

Kein Verständnis, keine Toleranz, keine Akzeptanz. Ich zitiere hier Ricarda Lang, meine aber mich, und zwar nicht in Bezug auf Bauern, die Unfälle auf Straßen provozieren oder in Kauf nehmen, das Ergebnis ist ja das selbe, wobei naja, da schließe ich mich an, aber nein, ich nehme Bezug auf schon wieder Streik.

Ja. Das Streikrecht ist ein hohes demokratisches Gut. Richtig. Hab ich alles verstanden. Ich selbst plane ja demnächst zu streiken, wenn mir nicht jemand ein pinkfarbenes Pony schenkt, damit ich weiter arbeiten kann. Dummerweise leidet außer mir und einer kleinen Anzahl von anderen Menschen niemand, im Gegenteil, ich denke, dass der Wettbewerb sich freuen würde, wenn ich streiken würde und meine Aufgaben umverteilt werden müssten, weil ups, ich denke, wenn ich streiken würde, würden meine Aufgaben umverteilt.

Bei der GDL ist es ja so, dass die Aufgaben nicht umverteilt werden, dann fährt halt keine Bahn, okay, und wenn die Rheinbahn streikt, dann fährt halt auch keine U-Bahn, und na gut, dann muss Herr H. halt mit dem Auto ins Büro fahren und ich kutschiere das Kind, dessen Gymnasium wir danach ausgesucht haben, dass es an der Bahnlinie liegt, so wie nämlich auch sein Wohnort, halt mit dem Auto in die Stadt. Und hole es wieder ab. Gestern standen pünktlich zum Schulschluss etwa 20 Autos vorm Schultor auf dem Seitenstreifen, um Kinder abzuholen, denn vielleicht, ganz vielleicht wohnt so ein Kind ja nicht auf der Königsallee, sondern irgendwo anders in Düsseldorf, und dann muss es ja da hin, und okay, Düsseldorf nennt sich selbst Fahrradstadt, aber nach einem schweren Fahrradunfall vor fünf Jahren fährt das Kind halt nicht mehr so gern lange Strecken in der Stadt, und meinen Segen hat es. In dem Rahmen haben wir den Spruch „Narben sind Siegerurkunden“ adaptiert.

Vor der Schule standen übrigens nicht nur 20 Car-Pool-Muttis, sondern auch zwei Damen vom Ordnungsamt, die uns darauf hinwiesen, dass wir zwar den Verkehr nicht behindern würden, dennoch jetzt sofort weiterfahren müssten. Nun ist es auf der Kö ja sehr einfach, man kann einfach im Kreis fahren, also fuhren 20 Car-Pool-Muttis im Kreis, texteten ihren Kindern – ja, genau – beim Fahren, dass sie sich irgendwo strategisch hinstellen mussten, und so fuhren wir dann, bis endlich alle Kinder eingesammelt waren, Runde um Runde im Kreis. Wie absurd. Und wie unnötig. Sie können mir jetzt alle sagen, wie schrecklich die Arbeitsbedingungen in diesen Berufen sind, andererseits müssen Sie sich dann darauf vorbereiten, dass ich dann sage, dass es bestimmt ganz viele prekärere Berufe gibt in Deutschland, wo man 40 Stunden lang in der Woche hingehen muss, und wenn die dann 36 Stunden als Alternative angeboten kriegten, dann würden die das bestimmt nehmen und nicht sagen „nö, wir wollen 35“. Ich habe da als Person, die auch als Arbeitgeberin durchaus Erfahrung mitbringt, kein Verständnis, keine Toleranz, keine Akzeptanz. Vor etwa 14 Monaten habe ich mit Herrn H. ein Gespräch darüber geführt, ob wir eventuell das Auto als Privatbesitz aus unserem Leben streichen wollen. Wollten wir damals noch nicht, ich hatte aber das Gefühl, dass wir recht kurz davor waren, weil wir halt auch so wohnen, dass man das vermutlich mittelfristig irgendwann sehr gut abbilden könnte, schon heute steht das Auto in erster Linie rum, wovon Günter Dueck ja seit immer sagt, dass das albern ist, wenn man sich mal kurz vor Augen hält, was so ein Auto kostet. 24 Streiks weiter, insbesondere nach dieser Woche, wo einfach jeden einzelnen Tag irgendjemand nicht da hin kam, wo er hin musste, bin ich eher da, dass ich denke, wir sollten doch noch mal überlegen, ob wir wieder ein zweites Auto kaufen sollten. Nicht, weil wir es bräuchten. Sondern deshalb, weil die Methoden, mit denen wir uns üblicherweise fortbewegen, stets seltener zur Verfügung stehen. Wir wohnen übrigens seit 2015 an diesem Ort, und seit 2015 fährt die Bahn, die Herrn H morgens in eine andere Stadt bringt, in den Sommerferien nicht, weil da jedes Jahr irgendwas repariert werden muss und wir ja alle wissen, dass im Rhein-Ruhr-Gebiet grundsätzlich nur Lehrer:innen mit der Bahn fahren. Mit den alternativen Routen braucht er für 28 Kilometer übrigens regelmäßig 2,5 Stunden für eine Strecke. Er macht das brav zweimal die Woche, aber ganz ehrlich, er fährt ja auch mit dem Flixbus nach Barcelona, damit er kein CO2 produziert. Wenn wir uns man umhören, wer sich bei der Auswahl 50 Minuten oder 5 Stunden Transport zusätzlich zu 8 Stunden Arbeitszeit für 5 Stunden entscheidet, ach egal, ich muss den Satz gar nicht zu Ende schreiben, da wird man nicht viele Leute finden, die so irre sind. Müsste ich die Strecke pendeln, würde ich den kommenden Samstag mit Auto-YouTube-Videos verbringen, bäh, und dann würde ich ein Auto kaufen. So einfach ist das.

Und das nehme ich übel. Es sind dann ja wieder die Grünen, die das mit der Umwelt alles nur mit Verboten regeln wollen, und ohne die Grünen hätten wir auch gar keine Umwelt, aber dass wir jetzt mit fehlenden Transportmöglichkeiten gegen dieses spürbare Momentum, das sich zumindest in den Städten entwickelt, anstinken, das ist ja auch nicht schön. In 100 Jahren wird irgendjemand eine Bachelorarbeit auf der Mond-Universität schreiben, in der die Frage beantwortet werden soll, warum das mit dem Klima alles so eskaliert ist, und ich bestehe darauf, dass das Wort „Streik“ in der Nähe von „Auto“ in der Arbeit vorkommt.

6 Gedanken zu „07.03.2024“

  1. Bin völlig bei Ihnen. Schüttle über den ÖPNV auch ohne die aktuellen Bahnstreiks (wegen derer ich meine Freundin schon das eine oder andere Mal zur Arbeit statt nur zu Bahn fahren durfte) immer häufiger den Kopf.

    Wie war das, 43% aller Bahnen hatte 2023 Verspätung?
    Dafür würden sie in Nordkorea die Verantwortlichen aufm Raketentestgelände plazieren (was uns wieder zeigt: Es ist nicht alles schlecht anderswo).

    Und harte Liebe gibt’s für die Gunter Dück-Zitierung,
    der hat mir tatsächlich mal zurückgemailt und lacht glaube ich heute noch über mich.
    Bin da stolz drauf.

  2. Mir fehlt hier eine Verbindung. Haben die Grünen die GDL gegründet oder wie? Ansonsten ist theoretisch die Antwort klar: Grundlegende Infrastruktur (Strom, Wasser, Mobilität) gehört halt einfach nicht in die Hände von Privatunternehmen.

  3. Tja, es gab Zeiten, da wurden Züge von Beamten geführt, Sicherheitskontrollen am Flughafen wurden vom Bundesgrenzschutz ausgeführt, usw. Das hat dann einfach funktioniert.

    Aber zum Glück haben wir ja alles privatisiert – häufig in einer Form, bei der absehbar effektiv privatwirtschaftliche Monopole entstehen. Und wir wissen ja, dass privatwirtschaftliche Monopole ein Maximum an Vorteilen für Verbraucher bedeuten…. Um weitere Erfolgsgeschichten zu bauen, sollten wir noch Straßen, Fuß- und Radwege privatisieren. Schulen, Museen, Theater, Parkanlagen, Friedhöfe, Polizei, Feuerwehr usw. auch…

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