08.03.2024

Ich habe heute mit einer Hand getippt und mit der anderen Hand Suppe zum Mund geführt, um sicher zu stellen, dass ich mich am Wochenende nicht mit Dingen beschäftigen muss, auf die ich keine Lust habe, zum Beispiel Arbeit. Nicht, dass ich grundsätzlich keine Lust auf Arbeit habe, ich bin scheinbar sehr gut darin, in Notwendigkeiten einen Silberstreif zu sehen, aber am Wochenende möchte ich gerne nichts machen. Zumal ich nächstes Wochenende beruflich reisen muss, das macht mich jetzt schon völlig fertig. Ich hasse alles daran.

Morgen habe ich nun also nahezu nichts zu tun, es ist auch niemand zuhause, daher kann ich mich dann voll und ganz einer Sache widmen, von der ich gerade beim Schreiben feststellen muss, dass der Groll der letzten Tage schon fast wieder verflogen ist. Nicht, weil ich es nicht schlimm finde, sondern weil ich einfach keine Ressourcen übrige habe, um mich wochenlang über den Boy’s Day aufzuregen.

Das hat sich also jemand überlegt, anscheinend beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben. Ich habe das jetzt mal recherchiert und kann das etwas besser einordnen, ich denke nur, dass ich persönlich hier schon einen guten zivilgesellschaftlichen Job gemacht habe, aber worum geht es eigentlich?

Letzte Woche kam der Teenager aus der Schule und sagte: „Ich muss ein eintägiges Praktikum in einem Frauenberuf machen.“ Wer mich persönlich kennt, weiß natürlich, dass als Replik ein etwa einstündiger, sehr hitziger Monolog zurückkam, in dem ich, vermutlich redundant, sehr ausführlich erklärte, dass es keine Frauen- und Männerberufe gibt, und dass Frauen in manchen Berufen überrepräsentiert sind, Männer auch, naja, ich will jetzt nicht den ganzen Monolog nachspielen. Ich habe mir jedenfalls 15 Jahre lang sehr viel Mühe gegeben, einen späteren Mann großzuziehen, der denkt, dass Frauen die Familie ernähren und Autos kaufen können, und zwar in absolut allen Berufen, und dass die auch am Schreibtisch sitzen und nicht saugen, und, und das ist vielleicht viel wichtiger, dass jede:r einfach das machen sollte, was gewünscht ist oder wofür man sich interessiert, und ich finde es fast ein bisschen traurig, dass eine Schule 2024 hingeht und ihren Schüler:innen erklärt: Sucht euch mal einen Praktikumsplatz für einen Tag, Mädchen in einem Männerberuf, Jungs in einem Frauenberuf. An dieser Stelle muss ich seine Klassenlehrerin in Schutz nehmen, die findet das nämlich auch anscheinend Quatsch, so der Teenager, also muss ich nicht einmal eine böse Email schreiben.

Was ich allerdings doch machen muss, der Teenager legt nämlich Verweigerungshaltung an den Tag wegen Doofheit des Themas, ist, dass ich mir jetzt überlegen muss, was denn wohl Frauenberufe sind. Und das ist jetzt keine Koketterie. Außer Pflege und Kita fällt mir wirklich nichts ein. Ona hatte noch „Verkäuferin im Aquaristikladen“ in petto, allerdings laufen da sehr viele Männer rum, und außerdem fände ich es ja sinnvoll, wenn er etwas machen würde, was er nicht sowieso schon mal als Hobby verfolgt. Und wenn uns dann etwas einfallen würde, müsste man dann also einen Betrieb finden, der sich bereit erklärt, für 8 Stunden einen 15Jährigen mitlaufen zu lassen, und da kann ich schon mal direkt sagen: Ich fände das maximal unattraktiv und würde das kategorisch ablehnen. Aber gut, das ist dann ja nicht mein Problem. Jedenfalls zurück zur Ursprungsfrage: Was gibt es denn noch so für Frauenberufe? Anyone?

Nachtrag: Erst recherchieren, dann schreiben, so wichtig. Es gibt eine Liste mit Boy’s-Day-Berufen. Ich bin nicht überzeugt.

29 Gedanken zu „08.03.2024“

    • Das stimmt! Über 90% der Studentinnen sind weiblich. Warum? Das Gehalt von Assistentinnen (en) ist so gering, dass es des Altruismus bedarf…🙄

  1. Sozialpädagogen, und Ähnliche, da gibt es natürlich auch viele Männer, die dann gern die Führungsaufgaben übernehmen, aber das meiste sind Frauen. Und ich glaube, ein Praktikum in dem Bereich kann sehr interessant sein. Hier
    https://www.sozialbank.de/news-events/publikationen/trendinfo/02-24/trendinfo-02-24-3#:~:text=Viele%20Frauen%20arbeiten%20viel%20%E2%80%93%20nur,Frauenanteil%20von%2074%20Prozent%20auf.
    übrigens sofort Beleg für meine These gefunden, dass dort die Frauen arbeiten und die Männer führen.

  2. ich habe erst einmal einen MFA getroffen, also was landläufig „Spechstundenhilfe“ oder „Zahnarzthelferin“ genannt wird…
    wenn „überrepräsentiert“ das Kriterium ist, wäre das vielleicht etwas?
    dito sehr viel Lebensmittelverkauf (Brot. Fleisch und Käse machen auch Männer)
    Geburtshelfer?

    ansonsten weiß ich auch nicht, weil Sie ja recht haben…

    ansonsten weiß ich auch nicht.

  3. Mir fallen immer noch als erstes Kosmetikerin, Nail-Artist, Friseurin, MFA, PFA, Kassiererin im Einzelhandel ein.

    • Ja, die kriege ich auch zusammen. Aber ganz ehrlich: Was ist denn der Mehrwert für so ein Kind. Der kommt nicht nach Hause und sagt: OMG, ich muss Nail Artist werden. Und im Pflegebereich ohne Neigung dazu ist man auch nicht sinnvoll aufgehoben.

  4. Es ist wie häufig im Leben: Eine eigentlich gute Idee, nicht wirklich gut umgesetzt. Wenn man die Berufswahlentscheidungen von Mädchen und Jungen anschaut, gibt es eben doch „Frauenberufe“ und „Männerberufe“ und es wäre eine gute Idee, diese Muster zu durchbrechen. Ob so ein einzelner Tag dafür geeignet ist, ist natürlich eher unwahrscheinlich.
    Ansonsten geben sich viele Firmen richtig Mühe mit dem Tag. Als Mädchenmutter war ich mit der Tochter auf der Suche nach „Männerberufen“. Sie landete als „Elektro-Ingenieurin“ in einem Unternehmen, das Prozessleittechnik programmiert und mit mehreren Praktikantinnen einen grandiosen Tag in Theorie und Praxis gestaltete. Ein schöner Tag mit genau gar keiner Auswirkung… Der Ausbildungsplatz in einem Frauenberuf ist nun sicher.

  5. Ich bin Bibliothekarin und Leiterin einer Öffentlichen Bibliothek und bin auch kein großer Fan des Konzepts. Trotzdem nehmen wir, wenn Anfragen kommen gerne Jungs zum Boysday auf und versuchen ihnen einen schönen Vormittag mit Einblicken in den Beruf zu gestalten. Auslöser war der 1. Boysday meines Sohnes in der 6. Klasse, da war der Junge elf Jahre alt!!!

  6. Ich kriege im Betrieb regelmäßig sowohl zum Boys‐ als auch zum Girlsday Anfragen, weil das ja offensichtlich (!) ein Männer- bzw. ein Frauenberuf ist. Whatever.

  7. Ich gebe zu, ich bekomme langsam den Eindruck, dass Boy‘s Day etwas ist, was es schon länger und überall gibt. Komplett an mir vorbeigegangen. Ohne war mein Leben aber auch okay.

  8. Es gibt nur Berufe. Aber es gibt Berufe die aufgrund der Umstände so schlecht bezahlt werden, dass kaum ein Mann auf die Idee käme diesen auszuwählen. Aber als „typischer“ Männerberuf fällt mir nur Bergmann ein (gab es Frauen unter Tage?). Fällt aber mangels Zukunftsaussichten weg. Wie wäre es mit Hebamme?

  9. Das Konzept des Aufbrechens von Rollenbildern ist gut … die Umsetzung … na ja. Leider sind die „klassischen“ Rollenbilder in vielen Heranwachsenden noch die Beispiele, die sie in der eigenen Umgebung sehen und die als erstrebenswert vermittelt werden.
    Frau Herzbruch, Sie haben ja mit Ona einen selbst denkenden Teenager erzogen. Vielleicht mag er ja einfach mal in eine Berufswelt schnuppern, die er später nie betreten wird? Oder ein Thema entdecken, das ihm fremd ist?
    Mein Sohn Nr. 2 war auch praktikafern … den habe ich dann zum Boys Day in Verbände vermakelt, in denen es um Gleichberechtigung weltweit ging. Vielleicht ist es ja interessant, ein Büropraktikum in einer Organisation für Frauenrechte/Menschenrechte zu machen? Ich finde ja, dass die Sekretariats/Assistenzposition in Unternehmen/Kanzleien ein mehrheitlicher Frauenberuf ist und quasi Symbol für Geschlechterhierarchie (siehe Krawattenabschneiden im Karneval, was in den ersten Ministerien der Bundesrepublik für das Umkehren genau dieser Hierarchie entstand).
    Sohn 1 hat übrigens im ehemaligen und von uns mitgegründeten Kindergarten Boys Day absolviert … und ist seit zwei Wochen fertiger Grundschullehrer (nicht ursächlich wegen Boys Day).
    Toi, Toi, Toi
    Rollringelpiez (aus sehr privaten Gründen nicht öffentlich lesbar)

  10. Bei uns in der Bibliothek werden wir dieses Jahr auch wieder ein paar Jungs bespaßen (allerdings nicht so lange, weil die ein recht straffes Programm an dem Tag haben). Wie oben bereits erwähnt, sind Bibliothekswesen meist Frauen.

  11. Meines Wissens fing das Ganze mit dem Girl’s Day an, der Mädchen STEM-Berufe schmackhaft machen sollte… Bei uns wird das glücklicherweise als „Mitlauftag irgendwo“ gehandhabt, dafür allerdings schon ab der 5. Klasse (und finden Sie mal jemanden, der eine Elfjährige im Betrieb haben möchte). Mein Sohn konnte damals über einen Klassenkameraden in die Stadtplanung reinschnuppern und fand das tatsächlich spannend, später dann Verlag (auch ok). Behörden / die Stadt haben meistens ganz gut organisierte Angebote, viele größere Betriebe sind auch darauf eingestellt.

  12. Hier ist das komplett freiwillig. Wer nicht mitmachen mag, geht wohl in die Schule – das ist die Mehrheit. Keiner der beiden Jungs hat jemals Interesse gezeigt. Die Kameraden waren mal bei Juwelier. Die Mädchen schauen sich Mintfächer an der Hochschule an. Aber auch nur, weil der Tag dort kürzer ist als die Schule wäre 😉

  13. Wer muss den Praktikumstag denn absegnen? Die Lehrerin, die das eh Quatsch findet? In dem Fall sollte er sich vielleicht einfach was suchen, wo er Lust drauf hat, mal über den Tellerrand zu schauen. Und dann erst über die Argumente nachdenken, warum das ein ‚Frauenberuf‘ ist, falls das nötig ist.

  14. Unsere Söhne haben beide den Tag in einer Apotheke verbracht und es hat ihnen gefallen. PTAs sind überwiegend weiblich, auch bei den Chefs gibt es viele Frauen.

  15. Interessante Liste, die aber historisch bald überholt sein wird. Friseur? Bei der Anzahl an Barber-Shops, die hier wie Frühlingsblumen aus dem Boden sprießen, dürften die Männer da stark aufholen …

  16. Au ja Hebammerich! Oder alles bei der Frauenärztin. Ich empfehle Dr. Beckmann auf der Oststraße

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