Ich habe mein Kind zu einem lupenreinen Demokraten erzogen. Nicht nur, Sie werden sich erinnern, wurde ich ich der Grundschule zum Gespräch gebeten, weil mein Kind das Wissen aus den Känguru Chroniken sofort in eine basisdemokratische Aktion umsetzen wollte, nein. Heute ist er glücklicherweise alt genug, dass er selbst zu dem Gespräch gehen muss und mir nur anschließend berichtet, was das Ergebnis ist. Schulverweis, Tadel, Klassenkonferenz, alles ist immer möglich.
Heute war ein solches Gespräch, ich wurde gestern am Rande darüber informiert, dass das geführt werden wird und daher nicht die übliche Heimkehrzeit gehalten werden kann, und dann war ich, naja, eigentlich entspannter, als ich gedacht hätte, aber auch nur nach außen hin, nach innen war ich unentspannt. Ich formuliere es mal so. In der Umkleidekabine der Turnhalle stand an der Wand ein ausländerfeindlicher, rassistischer, menschenfeindlicher Spruch. Lupenreiner Demokrat, der Herzbruch junior ist, von dem ich übrigens nur hoffen kann, dass er mit seinem Regelungsanspruch mal Jurist oder Polizist wird, wollte dem etwas entgegensetzen und schrieb mit einem Edding einen sehr unflätigen Spruch darunter. Aus Gründen des Datenschutzes oder so sage ich mal: im Stil von „Das ist doof“, vielleicht etwas derber formuliert.
Und wie das so ist, wenn man aktiv wird, aber vielleicht die Mittel noch nicht vollumfänglich überblicken kann, hatten die Lehrer*innen just an dem Tag damit angefangen, die Wand nach jeder Stunde zu fotografieren, ich kürze ab: Er wurde erwischt.
Nun ist es ja so. Man muss ja nicht jeden Mist mitmachen. Als Mutter eines Sohnes lerne ich, die ich ja quasi meine gesamte Pubertät nur Foucault gelesen hatte (Stimme aus dem Off: Wie sagte die Sandkastenfreundin neulich zu mir? „Wenn der in der Pubertät wird wie du, kriegst du die gerechte Strafe“) so langsam, dass Testosteron für niemanden Gutes tut, und dass ich einfach eine ganze Reihe von Dingen nicht gut nachvollziehen kann, weil ich mich da gar nicht reindenken kann. Und wenn man Mist macht, dann ist das öffentliche Tadeln menschenverachtender Ansichten ja sicherlich die Sorte Mist, die man am allerbesten noch aushalten kann. Aber: Die Mutter in mir wünschte sich viel mehr, dass man alternativ a) nix drunterschreibt oder b) etwas im Sinne von „ich teile diese menschenverachtende Haltung nicht im Geringsten und möchte mich distanzieren“. Das würde auch viel besser in diese Familie passen, der Vater des Kindes ist ja der Mann, der kurz nach der Geburt an Altweiber mit mir und dem Kinderwagen in der U-Bahn stand, wo ein sehr betrunkener kleiner Mann versuchte, auf ihn einzuhauen, woraufhin er ihn einfach mit den langen Armen von sich weg hielt und sagte: „Ich habe kein Interesse geäußert, mich mit Ihnen zu unterhalten.“ Solche Leute sind wir.
Naja. Lange Rede, kurzer Sinn, so wurde Herzbruch junior heute also von seiner unfassbar pädagogikbegabten Klassenlehrerin auf den Pott gesetzt, und zwar mit dem Satz: „Einer von drei Punkten richtig.“
Falsch waren, und gut, dass sie das sagte, dann musste ich das nicht noch mal sagen: Sehr schlechter schriftlicher Ausdruck, das kann er klüger formulieren, und Sachbeschädigung, da muss er wohl leider mit Streichen helfen. Und damn. Der wird ein großartiger Erwachsener. Aber das sage ich nur Ihnen.