Ich habe in den üblichen 30 Sekunden Vorbereitungszeit, die ich pro Blogbeitrag investiere, darüber nachgedacht, wie man die Geschichte schriftlich lustig hinkriegt, und ich fürchte, das Ergebnis ist: Gar nicht. Daher werde ich einen rein faktisch orientierten Blickwinkel wählen.
2004 trat ich eine Stelle an einer honorigen Universität in den Niederlanden an, und wie Sie besser wissen werden als ich, war 2004 ja auch – moment, ich google – Fußball EM. Ich interessiere mich ja bekanntlich nicht für Fußball, verwandele mich allerdings bei internationalen Meisterschaften in eine Person mit einem Trikot, einer Fahne und einem Bier in der Hand. Es gibt Fotos von mir, da bediene ich eine Vuvuzela. Ich denke, dass der bewegendste Moment in meinem gesamten Leben nicht die Geburt meines Kindes war, sondern der Abend, an dem bei der Fußball – moment – WM vor ein paar Jahren Deutschland gegen dieses eine südamerikanische Land 7 zu 1 gewonnen hat. Das hat mich sehr berührt.
Jedenfalls war es so, dass ich also diesen Job antrat, zeitgleich mit einer anderen deutschen Kollegin, und irgendwann kam irgendjemand in hoher administrativer Unifunktion (meine Güte, mein Kopf ist in etwa so ein Schweizer Käse wie die neuesten Corona Erklärungen) auf die Kollegin und mich zu und bat uns, doch bitte an einem Event in der Deutschen Boschaft teilzunehmen. Die hatten sich nämlich Folgendes überlegt: Das emotional ja anstrengende Spiel Deutschland-Niederlande sollte live in der Botschaft geguckt werden, geladen werden 100 Deutsche, die in den Niederlanden leben und 100 Niederländer, die in Deutschland leben. So weit, so gut. Wir waren also geladen. Auf der Einladungskarte stand „um Abendgarderobe wird gebeten“, und ich hatte einiges an Garderobe zu bieten, entschloss mich aber, damals war das so, einen orangen Feincord Hosenanzug mit sehr hohen Schuhen zu wählen. Das fand ich lustig.
Wie das so ist, wenn man geladen ist, fühlt man sich sehr wichtig, und tatsächlich waren auch das ein oder andere entfernt bekannte Gesicht dort, alle Anwesenden gaben sich jedoch sehr viel Mühe, sich selber auch sehr wichtig zu finden und daher sehr auserwählt mit einem kleinen Sekt in der Hand im schwarzen Cocktailwurstdress in der Ecke zu stehen und – wie das bei so insgesamt wirklich *unfassbar* langweiligen Veranstaltungen nun mal so ist – auf die Eröffnung des Buffets zu warten. 199 Menschen trugen Schwarz, ich trug Orange.
Irgendwann öffnete sich die Tür und hinein kam besagter Moderator mit einer großen Entourage an Fernsehcrew. Er trat in den Raum, etwas dreckige Jeans, Turnschuhe, T-Shirt und ein wirklich großkariertes 80er Jahre Jackett (kennen Sie eigentlich Gottlieb Wendehals noch?), blickte einmal erwartungsvoll durch den Raum und bereitete sich auf Autogrammanfragen vor. Niemand nahm von ihm Notiz, zumindest nicht mehr, nachdem jeder Gast seinem Nachbarn einen dummen Spruch über den Aufzug zugetuschelt hatte, stand doch *extra* in der Einladung, dass Abendgarderobe gefordert sei. Ich bin mir darüberhinaus nicht einmal sicher, ob außer mir, dem Kind vom Rhein, irgendjemand ihn überhaupt erkannt hatte. Seine Entourage sah allerdings nett und lustig aus, vielleicht 10 Leute, mit denen die Kollegin und ich dann den Rest des Abends lekker Sekt tranken. Die hatten allerdings sehr schlimme Dinge zu berichten. Sie filmten mit dem Star eine Doku in den Niederlanden, und wie es hieß, war er nur so mittel nett zu begleiten. Insgesamt ein herausfordernder Charakter, daher mischte die Entourage sich auch sofort unters Volk, und der Star stand alleine rum. Das Gesicht verriet, dass er sich das anders vorgestellt hatte, er wirkte not amused, betrogen um seinen Starfaktor.
Irgendwann wurde das Buffet eröffnet, ich stellte mich in die Schlange, hinter mir der Star. Die erste Station war der Salat, Eisberg, Salatgurke und Paprika. Nichts, was zu abwegig schien. Ich griff beherzt zu, und da sprach er mich an. Ich schreibe in Großbuchstaben, stellen Sie sich bitte vor, dass er sehr laut und sehr langsam und sehr akzentuiert sprach. „IST DAS EINE NIEDERLÄNDISCHE SPEZIALITÄT?“ – „Nein. Dat is Eisbergsalat mit Paprika und Gurke, dat gibbet in Deutschland auch.“ – „OH, SIE SPRECHEN ABER GUT DEUTSCH.“ – „Sie auch. Ich bin übrigens Deutsche.“ – „Dann haben Sie aber den falschen Anzug an.“ – „Immerhin HABE ich einen Anzug an.“
So. Das war’s schon. Das Gespräch ebbte daraufhin ab, das Gespräch mit seinem Kameramann gewann hingegen deutlich an Fahrt.
Suit & Tie