Langjährige Leser dieses Blogs kennen ja Fienes Vorgänger noch, den Mops. Der Mops war ein sehr charakterstarker Hund, der allerdings alles, was einen Hund ausmachte, ablehnte. Spielen war doof, apportieren war doof, was suchen war unnötig, Strand war doof und Wald war doof. Naja, er ging schon mit, und da wir strandnah wohnten, leider auch viel ans Meer, aber insgesamt fand er Sofa und Essen ausreichend, um ein zufriedener Hund zu sein. Das war an sich sehr praktisch, passte auch sehr gut in eine Lebensphase, in der der Hund mit großer Regelmäßigkeit mit auf Parties und Konferenzen musste. Niemand sagt nein zu einem Mops. Mit 16 Jahren trennten sich unsere Wege, dann musste ich viel arbeiten und ein Kind großziehen, und dann beschloss ich in einem unilateralen Austausch vor drei Jahren, dass es Zeit sei, mal wieder einen echten Hund zu haben. Als pädagogisches Mittel bei Einzelkindern kann ich das tatsächlich nur empfehlen, möchte aber einschränkend dazusagen, dass in meinem Fall die geeignete Wohnsituation das Ganze sehr vereinfacht.
Ich wohne direkt am Waldrand. Das ist schon mal ein dickes Pfund. So sehr ich den Mops mochte, sah ich mich nicht mehr so richtig mit einer Fußhupe rumlaufen (sähen Mann und Kind auch wirklich sehr albern mit aus), ein großer, echter Hund mit dem man auch was machen kann sollte es sein. Das dann in Kombination mit einem noch sehr jungen Kind brachte mich zu dem Entschluss, erstmals nicht ein Tier aus dem Tierschutz zu nehmen, sondern eines vom Züchter. Zudem habe ich einen Garten, und in dem Garten steht sogar noch ein kleiner Bungalow, ein Zimmer mit Bad, da haben Fiene und ich das erste halbe Jahr geschlafen. Wenn sie nachts raus musste, habe ich einfach die Türe aufgemacht und bin wieder ins Bett getorkelt. Die Geschichten von Welpenbesitzern, die viermal pro Nacht aus den dritten Stock voll angezogen Gassi gehen, beeindrucken mich zutiefst, da sah ich mich aber nicht. So ist es bis heute so, dass Fiene morgens „klingelt“ (inbrünstig an der Katzenklappe rappelt), wenn sie raus will, und dann geht sie einfach in den Garten und macht da Pipi. Die Wiese nimmt es kein bisschen übler als das Handballtor. Aber wer braucht auch eine Wiese?
Der nächste Faktor war der Wald vor der Haustür. Wenn man einen „echten“ Hund hat, kann man nicht im Wohngebiet rumlaufen. Finde ich. Aber das ist hier ja alles meine persönliche Meinung, solange Ihr Hund meinen nicht stört, machen Sie bitte einfach, was Sie wollen. Ich finde, dass man mit sportlichen Hunden sportliche Sachen machen muss, und mit Labradoren kann man gut mal was apportieren. Und so spielen wir Ball. Seit drei Jahren. Das sind etwa 1000 verlorene Bälle, Fiene ist nämlich eher auf Optik und Nettsein als auf Intellekt gezüchtet. Das ist mir aber sehr recht, ein dummer Hund hat keine eigenen Ideen, und genau so ist das. Seit sie 8 Wochen ist, läuft sie frei mit uns im Wald, und sie käme überhaupt gar nicht auf die Idee, irgendetwas anderes zu machen als in einem Radius von maximal 10 Metern um uns rum zu laufen. Ihre Freunde Matthias, Johannes und Gabriel (ja, fragen Sie nicht, bitte, ein kinderloses älteres Paar) sind Schweißhunde, also Jagdhunde, die eigentlich für die Nachsuche gezüchtet sind, naja, die laufen jedenfalls immer ein paar Kilometer brav mit und dann gehen sie. Sie gehen einfach. Ich würde sterben. Sie kommen auch wieder, aber das kann schon mal eine Stunde dauern.
Labradore sind für ursprünglich für die Entenjagd entworfen, das heißt, dass sie einfach neben dem Jäger sitzenbleiben, bis eine Ente aus der Luft in den See fällt, dann gucken sie interessiert, und wenn der Jäger dann sagt, sie dürften die tote Ente holen, dann schwimmen sie los und holen die tote Ente. Ich habe vor drei Jahren tatsächlich mit einer jagdlichen Ausbildung des Hundes begonnen, habe das dann aber aus verschiedenen Gründen wieder drangegeben.
1) Ich jage ja gar nicht. Ist auch nicht geplant.
2) Eine sehr zentrale Lerneinheit in der Retrieverschule war, dass der Hund bei Fuß geht, aber erst losläuft, wenn man mit dem linken Fuß beginnt. Ich sah keinerlei Verwendung für dieses Kunststück.
3) Wenn man sehr oft ans Meer fährt und zudem noch in einer Stadt mit einem großen Fluss wohnt, kann der Hund genauso gut auch einfach irgendetwas anderes aus dem Wasser holen. In unserem Fall Bälle. Ohne Schwimmen würde sie eingehen, fürchte ich, aber kann man ja auch ganz unjagdlich machen.
4) Sehr viele Dinge, die ich für den Alltag mit dem Hund wichtig finde, wurden nicht behandelt, ich wollte meine Energie aber lieber dort einsetzen als für die Loslaufen auf links.
Das Allerwichtigste, was wir 18 Monate lang tagtäglich und ohne eine einzige Ausnahme wiederholt haben, ist das Kommen auf Pfiff. Von Tag 1 an bin ich mit Hundepfeife in den Wald gegangen, und sie ist in ihrem ganzen Leben noch nie auf Pfiff gekommen, ohne gelobt zu werden. Die ersten 10 Monate gab es bei jedem Kommen einen Hundekeks, dann in der Pubertät gab es für lieb Hören einen Keks, für kommen auf Pfiff ein Stück Knackwurst, heute gibt es einen warmen Tätschler, da sind erwachsene Labradore aber auch zufrieden mit. Natürlich darf man niemals nie sagen, aber die Vollbremsung bei Pfiff ist eine körperliche Reaktion, die sie seit zwei Jahren gar nicht mehr hinterfragt, und ich hinterfrage nicht, dass sie immer kommt. Ich finde es übrigens erschreckend, wie viele große Hunde im Wald freilaufen, die nicht kommen, wenn man sie ruft. Ich kann nicht sagen, ob das repräsentativ ist, aber in unserer Blase sind das die allermeisten.
Mein Mann ist zwar 2 Meter groß, hatte aber vor dem Mops schon Angst, und nun hat er vor Fiene sicherlich keine, dennoch hat er mir die Augen geöffnet für ein Leben mit Hundeangst, und welche Situationen diese auslösen. So haben wir auch ab Tag 1 alltagsrelevante Kleinigkeiten geübt, die uns heute im Wald viel Lob einbringen. Es gibt zum Beispiel Tausende von Joggern, die ja aus der Entfernung, wenn sie auf uns zu joggen, gar nicht wissen, ob der große schwarze Hund nur spielen will oder lieber einen Jogger essen. Nachdem ich das von dem ehemals joggenden Mann erklärt bekam, lernte Fiene, von Joggern wegzugehen. Wenn uns in 30 Metern Entfernung einer entgegenkommt, dreht sie sich um und geht hinter mich. Dabei guckt sie mich niedlich an, da sie davon ausgeht, dass ich das toll finde. Tu ich dann auch, und der Jogger auch, nicht selten halten die an und bedanken sich. Denn selbst, wenn der Hund nicht auf sie zuläuft, fühlen die meisten sich nicht wohl, wenn sie vom Hund taxiert werden. Wäre ich niemals drauf gekommen, ich freu mich ja über jeden Pitbull, der auf mich zurennt. Das Gleiche machen wir mit kleinen Kindern, Radfahrern, etc… Nun kann man sagen, dass der arme Hund im Wald ja gar nicht entspannen kann, wenn er immer überlegen muss, ob er jetzt neben oder vor oder hinter mir laufen muss, aber die Alternative ist ja, dass ich nicht entspannen kann, und das muss ich jetzt nicht näher erläutern.
Außerdem bin ich ja Gott, und deshalb darf ich alle Regeln machen und die sind dann super. Diese Erkenntnis hat Fiene irgendwann unterwegs gewonnen, weil man ja nur essen darf, wenn ich „frei“ sage. Ich halte den Trick für kriegsentscheidend in der Rudelordnung. Heute morgen habe ich getwittert, wie sie frühstückt. Sie muss auf ihren Platz, dann muss sie irgendwas Niedliches machen, dann stelle ich ihr das Essen hin, und irgendwann sage ich „frei“, und dann rennt sie los und frisst. Das Konzept wird überhaupt nicht in Frage gestellt, und irgendwann wurde ich tatsächlich von einem Telefonat überrascht und ging in den Nebenraum, nach einer halben Stunde klopfte das Kind, um zu berichten, dass der Hund weint, ob sie jetzt mal fressen dürfte. Okay, das war ein bisschen ungeschickt, ansonsten kann ich das System nur empfehlen. Die Ordnung in der Familie ist dem Hund sehr schnell klar, wenn er nicht selber entscheidet, ob er essen darf.
So, aber dann gibt es natürlich Dinge, die selbst die liebe Fiene ganz ganz schlecht macht. Wenn es schellt, ist Radau. Das ist im Prinzip sogar erwünscht, aus Gründen der Einbrecherabwehr, aber sie rennt dann bellend ins Badezimmer und möchte dort eingeschlossen werden. Das nervt, aber das wieder abtrainieren würde mich momentan noch mehr nerven, also bleibt das so. Wenn Besuch dann sogar reinkommt und nett ist, so wie Frau N. neulich, eskaliert sie komplett, und da sie nicht an Menschen hochspringen darf, rennt sie dann minutenlang wie eine Irre hin und her, es sei denn, der Besuch legt sich mit ihr gemeinsam auf den Boden und schmust, so wie Frau N., aber das machen die wenigsten.
Und Leinenführigkeit. Das wäre ganz einfach, aber man hat ja keine Zeit. Da wir ja nur lose im Wald oder am Rhein laufen, haben wir dafür sehr wenig Praxismöglichkeiten, was dazu führte, dass ich mehrmals in Schuhen mit Ledersohlen skateboardfahrend hinter dem Hund durch die Stadt geschlittert bin. Ona hat den ganzen Lockdown durch mit ihr geübt, und auch, wenn ich immer noch schimpfe, muss ich sagen, läuft sie jetzt 90 von 100% gut, die letzten 10 muss man mit geeignetem Schuhwerk kontern.
Lange Rede, kurzer Sinn. Hund ist toll, aber ich mag keine Hundebesitzer. Ich gehe auch nur noch mit Podcast in den Wald, die Befindlichkeiten anderer Leute, deren Hunde die allereinfachsten Sachen nicht können, interessieren mich nicht. Die dürfen auch alle da sein, aber ich möchte mich nicht mit ihnen beschäftigen. Und wenn Sie einen Hund anschaffen wollen (und keinen Garten haben und nicht zig mal am Tag im Regen aus dem 3. Stock raus wollen), überlegen Sie da noch mal, ebenso, wenn Sie eigentlich 8 Stunden am Tag im Büro sind und der Hund nicht mitkann, dann bitte auch, und wenn das alles super ist und sie sich einen ganz putzigen, charakterstarken Schäferhundwelpen anschaffen, seien Sie doch bitte so nett und üben Sie etwa 18 Monate lang, wie ein Hund sich so benehmen sollte. Danke.
Who let the dogs out