Ich bin bereit

Somit musste ich jetzt also doch was schreiben, ich kenne mich nämlich. Sobald etwas einreißt, bin ich verloren. Ich hab mal einen sehr echten Job angefangen und mir selber versprochen, dass ich da nicht in Adidas Samba auflaufe, nach einer Woche habe ich aus irgendeinem wirklich triftigen Grund eine Ausnahme gemacht, und zack, gab es Casual Weekday. Also muss ich wenigstens eine Woche und einen Tag durchhalten, sonst hat das hier alles direkt keine Zukunft mehr.

Apropos Zukunft. Wir haben noch nicht geklärt, wie ich das mit den Überschriften handhabe. Ich kann das ja wie mit meinen Ablageordnern auf dem Desktop halten und einfach alles Misc nennen. Sie müssten sich dann an dem Datum orientieren. Ich mache das seit immer so. Viel schwerwiegender ist allerdings die Frage, wie in Gottes Namen ich immer Themen finden muss. Nun funktioniert mein Innenleben ja so, dass ich sehr einfache Assoziationsketten bilde, die mit irgendetwas anfangen, und da ich schnell tippen kann, ist dann ruckzuck irgendwas geschrieben, woran ich mich Jahre später nicht erinnere. Ich bräuchte also eigentlich nur den ersten Satz, den Rest machen die Finger. Und ein bisschen Wettbewerb tut mir ja auch sehr gut, daher habe ich mir (noch unabgesprochen) ein sehr gutes System überlegt. Frau N. könnte mir ja abends zu einem vereinbarten Zeitpunkt eine Auswahl an ersten Sätzen zur Verfügung stellen, die dann anstoßen, was immer in mir schlummert und raus will. Das weiß ich ja vorher oft nicht. Ich hätte dann ab Anfangssatztransfer eine noch zu vereinbarende Zeit zur Verfügung, in der ich etwas veröffentlicht haben muss, sonst habe ich verloren. Gegen mich selber, und das ist ja, wie wir durch Friends wissen, der allerbeste Wettbewerb: Der gegen uns selbst. Da Frau N. aber die einzige Person auf der Welt ist, die ich außer mir kenne, die in einer Wettbewerbssituation mit äußerster Härte und Kaltblütigkeit agiert, dürfte sie nicht wirklich am Wettbewerb teilnehmen, sonst würde ich ja durchgehend nur vollkommen bekloppte Anfangssätze bekommen. So habe ich mir das jetzt gedacht.

Und jetzt fällt mir auch noch ein, was ich heute morgen als mögliches Thema identifiziert hatte: Die aktuelle Situation. Ich bestellte neulich Dinge im Internet, die dann doof waren leider, also schickte ich sie zurück und bekam auch postwendend die Eingangsbestätigung der Retoure. Zwei Monate vergingen, dann kam die erste Mahnung, dann die zweite, dann die Übergabe an das Inkassobüro. Das schrieb ich dann also an, der Händler hatte meine Botschaft ja nicht gut verstanden, und erläuterte die Situation in einem Satz. Daraufhin heute morgen die Mail des Inkassobüros:

Sehr geehrte Frau Herzbruch,
vielen Dank für Ihre Anfrage.

Wir nehmen zur Kenntnis, dass Sie Ware retourniert haben. Aufgrund der aktuellen finanziellen Situation bei Händler XY kommt es jedoch leider zu Verzögerungen in den üblichen Prozessen.

Bis zur abschließenden Klärung des Sachverhalts haben wir selbstverständlich einen Mahnstopp für Sie hinterlegt und wir werden uns darum kümmern Ihr Anliegen so rasch wie möglich für Sie zu lösen.

Weiters werden wir Sie umgehend informieren sobald wir Neuigkeiten hierzu erhalten.

Wir hoffen, Ihnen mit dieser Information weitergeholfen zu haben und verbleiben

mit freundlichen Grüßen XY

Ich fand die ein oder andere Formulierung falsch, zum Beispiel, dass ich eine Anfrage gestellt hätte, oder dass man mir hoffentlich mit dieser Information weitergeholfen hätte, oder dass man für mich irgendwas lösen müsse, ich bin ja in dem Sachverhalt die Person ganz ohne ein Problem. Dass jetzt aber „die aktuelle finanzielle Situation“ bei großen Onlinehandelshäusern so gelöst wird, bei mir Geld einzutreiben, das ich ja nicht ausgeben muss, weil ich ja gar nichts gekauft habe, geht zu weit. Ich bin bereit für das New Normal. Ich bin bereit.
Ich bin bereit

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