Take Five

Ich weiß jetzt auch nicht wirklich, wieso ich diese Richtung eingeschlagen habe, aufgrund meiner absoluten Festgelegtheit bin ich ja sehr wenig mit den entsprechenden Themen befasst. Schuhe waren da in der Vergangenheit schon schwieriger. Ich weiß nicht, ob Sie sich erinnern, aber ich hatte, nicht ganz frauenuntypisch, so ein Ding mit Schuhen. Sehr früh habe ich verstanden, dass die Bild/Ton-Schere zu sehr günstigen Überraschungseffekten führt, wenn jemand in guten hohen Schuhen (immer geschmackvoll, bitte) über formale Logik spricht. Ich saß mal in der ersten Reihe in einem Vortrag eines bedeutenden niederländischen Fernsehphilosophen, der mittendrin mein Schuhwerk komplimentierte (für Frau Schüssler: Fluevog Merrilee. Ich bin bis heute sehr stolz auf meine Reaktion. Ich habe gelangweilt geguckt und genickt.) Zudem trug ich gern und viel Schwarz, und das konnte man ein wenig – beim Friseur würde man sagen – aufpeppen. Doch dann passierte leider vor 3 Jahren was Dummes, ich fiel die Treppe runter und freute mich sehr, dass ich mich nicht am Küchentresen dekapitiert hatte, doch leider hatte ich (Medizinchinesisch, allerdings in dem Fall sehr explicit) eine Komplettsprengung des Fußgelenks erlitten, das heißt stark vereinfacht: Alle Knochen durch, alle Bänder durch. Im Prinzip ist das Fuß ab mit noch Haut drum. Nun profiliere ich mich ja ungern durch Leid, aber das war trotz vieler Schrauben und allem ein sehr schwieriger Prozess, der letztlich zu dem Entschluss geführt hat, als ich nach 10 Monaten die Krücken in den Keller brachte, dass ich vermutlich ab sofort im Schnitt 8 cm kleiner bin. Und damit lebe ich gut. Turnschuhe habe ich ja vorher schon gerne getragen, ich brauchte nur eine businesstaugliche Variante, und die fand ich in dreifarbigen Schnürschuhen englischen Formats. Ich möchte sagen: Ich habe die Clownschuhe nach Deutschland gebracht, denn nicht nur besitze ich selber jetzt eine mittlere zweistellige Anzahl an dreifarbigen Clownschuhen, sondern ich missioniere auf Nachfrage auch eifrig. Auf Branchenveranstaltungen tragen jedes Jahr mehr Frauen Clownschuhe und kommen dann zu mir und sagen „guck mal, ich hab die jetzt auch“. Schade eigentlich, dass man aufgrund der aktuellen Situation gar keine Schuhe mehr braucht.

So, das mit dem von Frau N. vorgegebenen Satz hätten wir jetzt wohl erledigt, dann kann ich auch noch was schreiben, wozu ich Lust habe. Ich habe mir ein System überlegt, wie ich mit den Überschriften verfahre. Ich denke mir ja gerne Hintergrundmusik zu Situationen, wenn es sich einrichten lässt, höre ich die dann sogar. Ich würde für den Moment als Überschrift immer den Titel eines Liedes nehmen, das mir zum Thema einfällt. Mal sehen, ob das trägt. Ich habe heute gleich drei Lieder gehabt, die mir gut den Tag strukturiert haben. (Vielleicht gönne ich mir einfach den Luxus, die allabendliche Frage von Frau N. hier in Buchform zu beantworten. Obwohl, nein.)

1) Ich saß mit meinem Kompagnon in der Küche an der Theke und wir spielten Agentur. Dann erhielt ich eine Email von einem Kollegen. Ich kann nicht viel zitieren, aber ein kleines bisschen: „Schön, dass du dich engagierst und halte es bitte aus, mit Menschen zu tun zu haben, die nicht mit geistreichen Impulsen von Frauen (schlimm, dass man das so auf den Punkt schreiben muss) umgehen gelernt haben. Holla.“ Ich denke, es ist alles gesagt. Was mich ein bisschen irritiert, ist ja folgende Frage: Mit 25 war ich wissenschaftliche Assistentin und wurde von 64jährigen Fossilen zusammengestaucht. Mit 35 war ich Professorin und wurde von 64jährigen Fossilen zusammengestaucht. Mit 44 bin ich offiziell erwachsen, und okay, jetzt streite ich mich mit 70Jährigen, aber die eigentliche Frage ist ja die: Wo zur Hölle sind denn bitte die anderen Alterskohorten? Ich möchte mal mit 40Jährigen arbeiten. Oder mit 50Jährigen. Warum muss ich mein ganzes Leben lang nur mit Fossilen arbeiten? Und wie alt muss ich denn werden, um nicht mehr das Mädchen zu sein? Ich verstehe es nicht, sehe aber, dass wir das in dem Rahmen hier nicht besprechen können. Mein Kompagnon machte dann Musik an. Samuel Barber, Adagio for Strings. Das war gut gegen Puls und wurde bei der Beerdigung von Kennedy schon gespielt, das kann auch die Hintergrundmusik sein, wenn wir die Emanzipation beerdigen. Why not.

2) Das zweite Lied kam mir kurz danach zugeflogen, die Assoziationskette kann ich nicht mehr genau herleiten, aber vermutlich lief es über Schuhe und irgendwas mit Feminismus und Pink, und dann fiel mir Pink Moon von Nick Drake ein. Dann habe ich die CD gesucht (gelogen, CDs sind im Keller) und Pink Moon gehört, und dann dachte ich ‚toll, ich hör das jetzt wieder ganz durch“, dann wurde mir Mitte des zweiten Liedes, das ja wie das erste und das dritte klingt, langweilig, und ich hörte was anderes. Alle 10 Jahre kann ich Pink Moon hören und finde es eine Runde lang toll, für mehr reicht meine New-Media geschädigte Aufmerksamkeitsspanne leider nicht mehr.

3) Ich finde es ja immer sehr befriedigend, wenn man den Bogen wieder zurückgeschlagen kriegt, und ein Vorteil, wenn man 8 Jahre nicht gebloggt hat (oder so ähnlich) ist ja, dass Sie alles nicht miterlebt haben. So zum Beispiel die Beerdigung meines Vaters vor 12 Monaten. Damit kann ich jetzt 1) und die Clownschuhe zusammenführen. Kein Beileid, alles gut, er hat lange darauf hingearbeitet, somit war das alles in Ordnung. Mein Vater war im Herzen Musiker, hat Jazztrompete studiert, um dann später für den Broterwerb was anderes zu machen, aber für seine Beerdigung hat er sich einen Trompeter gewünscht. Liedwahl hat er mir überlassen, of all people. Ich habe Autumn Leaves gewählt bei der Beisetzung, aber das war gar nicht sein Lied, der Trompeter konnte aber nicht viel trotz teuer. Für sein Lied, das wir ihm nach der Predigt in der Kirche gespielt habe, habe ich mir Schuhe gekauft, nämlich die Clownschuhe, die ich sonst in dreifarbig trage in einfarbig, schwarz Lack. Das fand ich passend. Nach dem letzten Kirchenfirlefanz haben wir ihn also überrascht und sein Lied (vom Band, Trompeter war ja schlecht) spielen lassen, welches 50 Jahre lang sein Lied war, und während viele Leute ein wenig verstört waren und meine Mutter sich auflöste, haben meine Schwestern, Ona und ich das gemacht, was er sich gewünscht hätte. Augen zu, lächeln und Rhythmus.
Take Five

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