28.09.2023

Manchmal passieren ja so Sachen, die man mehr als nicht kommen sieht, man würde sie vielleicht sogar für vollkommen ausgeschlossen halten, und davon sind hier momentan mehr als genug, ich kann sie gar nicht mehr inventarisieren. Täglich bekomme ich eine Nachricht von Frau N, die sagt: „Jetzt wird alles gut“, und dann verlasse ich mich darauf, und dann passiert wieder etwas völlig absurdes. Alles nix Schlimmes, also nicht, dass Sie sich Sorgen machen, aber insgesamt alles sehr anstrengend, aufregend, abseits des Alltagsgeschehens, und wer mich kennt, der weiß ja, wie sehr ich Veränderungen *liebe*.

Zum Beispiel habe ich plötzlich neue Gedanken zu meiner Garderobe, und das ist ein wenig schade, denn ich habe viel Garderobe, und da ich in den letzten Jahren ja immer die gleichen Gedanken zu Garderobe habe und ich für gewöhnlich Kleidungsstücke mehrfach kaufe, einmal, weil ich sie schön finde, und wenn ich sie dann auch gerne trage, dann noch mal, wenn sie am Ende der Saison reduziert sind, und wenn es dann so ist, dass es einen Ringelpulli in mehreren Farben gibt, dann kaufe ich erst zwei, dann wird er reduziert und dann kaufe ich noch mal zwei, und dann – das passierte schlechterdings letztes Jahr – wurde er noch einmal sehr drastisch reduziert, und dann kaufte ich noch mal zwei, und naja, dann hat man nach ein paar Jahren eine wirklich sehr ansehnliche Menge an Ringelpullis. Wenn man dann plötzlich aufwacht und sich denkt (nachdem eine Kundin nach einem Termin bereits besorgt anmerkte, dass sie etwas irritiert sei, ich trüge vermutlich erstmals seit drei Jahren keinen Ringelpulli), dass man auch mal was anders machen könnte, dann muss man halt wieder suchen, und das ist anstrengend. Meine momentane Leidenschaft ist die Farbe Salbei, gibt es auch als Ringel, und da ich keine Longsleeves mehr habe, die man noch außerhalb der eigenen vier Wände tragen könnte, dann kann man ja einfach eine ganze Garderobe in Salbei kaufen, mit Ringel für die smoothe Transition, und uni, für den Effekt, wenn Menschen mich nicht erkennen.

Und dann habe ich etwas getan, was ich nie für möglich gehalten hätte, und zwar, weil ich einerseits jetzt permanent in so ein Schwimmbad fahre, morgen sogar mit meiner Mutter, die wollte mal Seniorinnengymnastik im Wasser machen, und gut, dann machen wir das jetzt zusammen, andererseits war mir plötzlich so herbstlich, ich setzte mich mit salbeifarbenen Wollpullovern auseinander und fühlte mich plötzlich an dem Punkt im Leben angekommen, an dem ich eine – Obacht – Jogginghose kaufen wollte. Ja, die letzte Hürde ist gerissen, ich habe zig Paar Birkenstocks, und jetzt besitze ich auch noch drei Jogginghosen, eine davon trage ich gerade, oben drüber ein salbeifarbenes Ringel-Longsleeve. Hin und wieder laufe ich im Flur am Spiegel vorbei, bin dann kurz irritiert, dann fällt mir ein, dass das gemütlich ist und ich alleine bin, und dann schellt es natürlich an der Tür.

Mit den Paketboten bin ich ja per du, und es gibt ein eingespieltes Ritual: Es schellt, ich schließe den Hund ins Bad, drücke die Haustüre auf, stecke den Kopf oben aus der Wohnungstüre, winke und sage „Stellen Sie es einfach hin, danke“, und dann gehen sie wieder raus. Das geht auch in Jogginghose. Heute allerdings standen zwei Herren vor der Tür, mit viel Papierkram in der Hand, und stellten sich vor als die Herren vom Finanzamt. Atemnot, Schweißausbruch, die Steuern macht ja der Steuerberater, privat wie beruflich, und da habe ich volles Vertrauen, dass ich nie einfach verhaftet werde. Außerdem ist die Einkommensteuererklärung ja gerade erst gemacht, es gab da nichts zu besprechen von meiner Seite. Die Herren wollten gucken, ob ich hier wohne. Das klingt absurd, ist es auch, ich hatte die gleiche Situation schon mal 2019 im Büro, da kamen sie, um zu gucken, ob ich hier ein Büro habe, hatte ich, ich zeigte ihnen sogar die Mitarbeiter:innen, heute wollten sie gucken, ob ich hier wohne, weil ich noch irgendwas mit Nebeneinkünften, ich lehre ja ab und an mal was, das ist quasi privat, und dann irgendwas mit neuer Steuernummer und alles ganz nett und freundlich. Ich zeigte ihnen also meine Wäscheständer im Wohnzimmer und verwies auf meine Jogginghose, freute mich dann, dass meine auf die Nebeneinkünfte (die wirklich winzig sind) gezahlten Steuern so gut verwendet werden, ist doch toll, kriegt man auch mal Besuch, und dann musste ich nicht mal etwas unterschreiben, bekam einen Brief ausgehändigt, in dem stand, dass Herr XY vom Finanzamt mich besucht hat, dann verabschiedeten wir uns nett, ich rief kopfschüttelnd bei Steuerberaters an und stellte fest, dass ich das mit den Jogginghosen noch mal überdenken muss, ich fühle mich nicht ordentlich vorbereitet in Jogginghose, wenn mich mal das Finanzamt besucht.

5 Gedanken zu „28.09.2023“

  1. Für den Besuch würde ich mich in Joggunghose auch nicht ordentlich gerüstet fühlen. Habe gerade ein Hosenmodell entdeckt, dass die Bequemlichkeit einer Jogginghose hat, aber eine Spur angezogener wirkt. Ist im vorletzten Blogbeitrag zu sehen. Größe fällt normal aus. Und – Überraschung – die habe ich mir eben online in ähnlicher Farbe ein zweites Mal bestellt, denn mein Einkaufsverhalten ist ähnlich.

    Wünsche beste Salbeifreuden!

  2. Ich schwöre auf Modelle Candy, Holly oder Candice von Raffaello Rossi …gibt es übrigens auch bei Peter Hahn oder P & C. Candice und besonders Holly sind inzwischen Business Basics in meinem Schrank und haben auch oft genug „Zwirntermine“ absolviert. Vielleicht auch etwas für Sie, Frau Herzbruch?

    • Den Namen Raffaello Rossi habe ich noch nie gehört, aber ich bin fasziniert. Mir war nicht klar, dass ich mich jemals in so einem Jogginghosen-Rabbithole verlieren könnte. Und die Namen! Super! (Ich sehe mich in Candice. Danke für den Tipp!)

      • Gern geschehen! Ist eine deutsche Marke, Schera, die auch auf Nachhaltigkeit Wert legt. Die Candy ist die erste Hose, mit der ich Würdenträger*innen begrüsse, im Fastelovendszug mitlaufe, auf der Couch lümmele, am Schreibtisch sitze und sogar im wörtlichen Sinne joggen gehe, ohne mich jemals falsch angezogen zu fühlen! Und die Sommerausgabe ist so dünn, dass sie am Waschbecken ausgewaschen am nächsten Tag anziehbereit ist. Blusen dazu gibt es beim niederländischen Label Studio Anneloes (z.B. bei Debijenkorff oder in DE bei PuurPastelle)

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