Ich möchte Sie an einer Whatsapp Konversation zwischen meinem Sohn und mir teilhaben lassen.
„Ona guck mal, das ist die Kollektion, von der der M. sagt, die sei toll. Was sagst du dazu?“
„Ich finde den hellgrauen und den schwarzen Hoodie, das weiße, schwarze und hellgraue T-Shirt gut.“
„Okay.“
(3 Minuten Ruhe.)
„Aber ich gehe jetzt eher so in Richtung Vintage Drip und so.“
Wenn Sie jetzt sagen: Ah, ja, okay, verstehe, gar kein Problem, hier ist meine Vintage Drip Schublade, da habe ich Dripsachen drin“, dann Gratulation. Ich hingegen war kurz ratlos, gab Vintage Drip in einen Suchschlitz ein, war danach noch immer ratlos, dann schrieb ich M. an, der ja Designer ist und alles weiß. Wusste er nicht, recherchierte dann aber ausführlich und hatte Ideen, wie man Basics mit Vintage Thrift mixen kann, damit das Kind denkt, es sehe jetzt cool aus. In der Zwischenzeit kamen dann allerdings 14 Fotos von Outfits, die in sein neues Beuteschema fallen, die schickte ich dann weiter an den Designer, und wir endeten damit, dass ich Jonathan anbot, vielleicht am Freitag das erste Mal in seinem Leben mit seiner Mutter und ihrer Kreditkarte shoppen zu gehen. (Zu Hennes oder so.) Vielleicht wäre es gut, wenn er mal einen Überblick bekommt, was man so trägt, wenn man rausgeht.
Eigentlich bin ich durch die letzten 12 Jahre hervorragend durchgekommen. Die ersten 3 Jahre war es sehr einfach: Ich kaufte erst geringelte Strampler und dann geringelte Oberteile und einfarbige Schlupfhosen. Drei Jahre lang. Immer die gleichen, die waren ja gut und sehr hübsch und qualitativ Spitze. Dann kam leider irgendwann der Punkt, an dem Längen- und Breitenwachstum so weit auseinandergingen, dass es obenrum keine passende Kleidung mehr zu kaufen gab, da alles entweder 20 cm zu kurz oder 20 cm zu breit war. Also machte ich einen Nähkurs, kaufte 20 Meter Ringeljersey und nähte Pullis, T-Shirts und Jacken einfach selbst. Dann wurde das Kind 6 und wünschte sich zur Einschulung, nie mehr in seinem Leben etwas Selbstgemachtes haben zu müssen, ich kaufte im Kaufhaus eine Schultüte und suchte verzweifelt nach Kleidung, die keinen Plastikaufdruck hat und die er trotzdem mag. Streifen wollte er seitdem nie mehr, vielleicht habe ich überreizt. Zu meiner Verteidigung: Wenn eine keine Aufdrucke mag, dann wird es schon recht eng, was so Kleidung für kleine Jungs damals anging. Streifen waren kleidsam und last resort.
Etwa zu dieser Zeit etablierte ich ein Modell, das so aussah: Ich nahm Wünsche entgegen, fuhr alleine ins Kaufhaus, sortierte dann die Sachen zusammen, die mir gefielen, dann fotografierte ich die einzelnen Teile und schickte ihm das Foto, und er schickte Daumen hoch oder runter zurück. Das war eigentlich schön. Schade, dass das vorbei ist. Auf die Idee, ihn gegen seinen Willen mitzunehmen, wäre ich nicht gekommen, das haben wir mit 3 aufgehört, nachdem ich vielleicht den größten pädagogischen Moment meiner gesamten Mutterschaft hatte. Samstag, P&C Düsseldorf, voll, Kasse, Schlange, langweilig, irgendwann leichte Ungeduld im Dreijährigen, der ein paar Meter weiter einen anderen Dreijährigen sah, der sich schreiend auf den Boden legte, das fand er gut, legte sich auch schreiend auf den Boden, und da ich keinen wirklich guten anderen Plan hatte, legte ich mich einfach daneben und schrie auch. Die anderen hörten dann auf, ich irgendwann auch, und dann beschloss ich, lieber einfach alleine Anziehsachen einzukaufen.
So. Nun bricht eine neue Zeit an. Ich bin sehr gespannt, wie sehr wir uns zerstreiten werden, wenn ich meine qualitativen Ansprüche an Kleidung nicht bedient sehe. Polyester mag er nicht, hurra, das habe ich ihm über Jahre außer zum Sport schlechtgeredet, aber gut. Ich habe modisch meine Eltern in der Pubertät und den allermeisten darauf folgenden Jahren sehr herausgefordert, und sie haben mich gelassen, und jetzt habe ich 15 gleiche Hosen und 5 gleiche T-Shirts. Es lenkt sich alles irgendwann in Bahnen, daher gucke ich mal, ob es mir gelingt, mein Kind einer freien Entfaltung zuzuführen. Und bis dahin muss ich noch rausfinden, wo man die Sachen, die er mir als Beispielexemplare geschickt hat, wohl in Düsseldorf kaufen kann. Und dann: Großen Bogen.
Sehen Sie hier: Oversize Shirt mit Man-Print. Die frühkindliche Prägung sitzt doch tief.