27.03.2023

Wir Frauen haben fast alles erreicht. Wir dürfen wählen, einen Arbeitsvertrag unterschreiben, Schulbildung ist ausdrücklich erwünscht, wir studieren fleißig, sogar weiterführende akademische Meriten sind erlaubt. Alles ist schön. Und wenn ich in einem Autohaus anrufen möchte, schicke ich meinen Mann.

Seit Januar, also nach exakt 12 Monaten und 10.000 Kilometern, leuchtete bei meinem Auto der Text: Ölwechsel erwünscht. Ich fand das etwas früh, aber wer bin ich, dass ich das infrage stelle, es heißt ja nicht zum Jux „Bordcomputer“, dahinter wird ein ausgefeilter Algorithmus (oder wie man heute sagt: eine KI) liegen, der das besser weiß als ich, darauf vertraue ich inständig. Wir machten einen Termin, der wurde dann vom Autohaus abgesagt, (und wenn ich „wir“ sage, meine ich „mein Mann“), dann machten wir einen neuen Termin, und der war heute morgen um 8. Und weil hier ja heute Streik plus Schule plus Training plus Theaterbesuch plus Ölwechsel war, kamen wir auf das Angebot der Nachbarn, deren Pflanzen und Briefkästen wir pflegen, solange sie verreist sind, zurück, sagten kurz Bescheid und liehen uns ihr Auto. Herr H. brachte im geliehenen Auto das Kind in die Schule, ich fuhr in meinem Auto zum Autohaus, bekam dort mitgeteilt, dass ich an einen anderen Standort sein müsste, nicht an dem, den man uns schriftlich genannt hatte, dann fuhr ich dort hin, dann kam Herr H., dann mussten wir in einem Büro platznehmen (für einen Ölwechsel?), dann wurde geplaudert, was ich morgens um 8 ganz besonders gerne mache, dann bekam ich einen Wisch zum unterschreiben, auf dem kein Preis stand und die mündliche Information: „Das macht 380 Euro.“ Und weil ich einfach morgens um 8 noch nicht so auf Zack bin, guckte ich ungläubig, sagte mit sehr hoher Stimme: „FÜR EINEN ÖLWECHSEL?“ und unterschrieb. Dann fuhr ich nach Hause und ärgerte mich.

Eine kurze Recherche inklusive Meinungseinholung bei Trööt ergab: Das ist etwa 300 Euro mehr, als man erwartet hätte. Genaugenommen hätte ich gar nichts erwartet, ich habe seit 1994 diverse Ölwechsel veranlasst, und ja, es war immer doof, aber nie hatte ich das Gefühl, zwischen Urlaubsreise und Ölwechsel entscheiden zu müssen. Einen Aufpreis wegen Audi-Werkstatt hatte ich sogar reingerechnet, da das Auto jedoch geleast ist, erhoffte ich mir dafür am Ende weniger Ärger, weil ich alles brav ordnungsgemäß gemacht habe. Und da ich auch abseits meines Privatlebens Einblicke in Autokonzerne erlangen durfte, weiß ich, dass After Sales das viel bessere Geschäftsmodell ist als Autos Bauen, ABER 380 EURO?

Ich steigerte mich also rein, zumal mir noch einfiel, dass das Auto bislang ja von den 12.000 Kilometern etwa 9.000 Kilometer elektrisch gefahren ist, und ganz ehrlich, das kann ja selbst Volker Wissing nicht mehr schönreden. Dann zeigte ich Herrn H meine Rechercheergebnisse, und dann rief er im Autohaus an. Meine Hoffnung war, dass noch gar nichts passiert ist, dann hätte ich das Auto einfach wieder abgeholt, aber natürlich war schon alles fertig, also erfragte Herr H., wie der Preis sich zusammensetzt. Es ist sehr interessant: Es handelte sich um einen „normalen“ Ölwechsel ohne irgendein Sonder-Chichi. Der Preis setzt sich zusammen aus:

  • 6 Euro für irgendeine Schraube
  • 140 Euro für das Öl
  • 180 Euro Macherlohn, nach Tabelle abgerechnet, der Stundensatz beträgt 150 Euro
  • Mehrwertsteuer

Die Frage, ob der Werkstattleiter das selber gemacht hat, konnte leider ohne Rücksprache nicht geklärt werden.

So. Ja. So war das. Ich möchte Sie alle ermutigen, eine Audi-Vertragswerkstatt zu kaufen, das scheint mir ein Business mit einer guten Marge zu sein. Und jetzt hole ich das Auto ab, und nächstes Mal, wenn ich irgendwo – egal wo – für einen kurzen Moment denke, dass etwas doch absurd teuer klingt, bewege ich meinen Arsch nach draußen und googele, ob ich vielleicht sogar Recht habe. Sogar morgens um 8.

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