17.01.2024

Man soll halt auch nicht so großkotzig auf dem Sofa liegen, Handball gucken und tröten „Mein Auto steht nicht gegenüber der Kurve, ich liege sicher auf der Couch, die anderen sind mit dem ÖPNV unterwegs. Wir sind safe!“, während andere Leute sich Gedanken über Blechschäden und Knochenbrüche machen. Ich bin ja nicht fünf Jahre alt, ich hätte wissen können, dass eine Großstadt im Rheinland in Sekunde eins nach der ersten Schneeflocke komplett dysfunktional wird und dann alle irgendwo stranden.

Jedenfalls guckte ich mit dem Hund und dem Kater Handball, als das Telefon schellte. Jonathan. Der hat mittwochs ja seinen einzigen wirklich freien Tag, der eigentlich mit Aufräumen und Orga gefüllt werden könnte, entsprechend überlegt er sich immer dienstags, was man alternativ ganz dringend machen muss, heute war das Haareschneiden. Interessante Beobachtung: Wenn ich früher immer dachte, die ??? wären total unrealistisch, weil die ständig und bei allen Anlässen alles zusammen machen, stelle ich heute fest: Mein Kind ist auch so eins, das alle Dinge auf der Welt nur zu dritt erledigen kann. Also reisten alle anderen an, man fuhr mit der Bahn zum Frisör, ich lag auf dem Sofa und wähnte uns alle in Sicherheit, Telefon schellt, da waren wir schon, und das Kind sagt: „Hallo Mama, du, ich bin da in eine sehr ungünstige Situation geraten“, gefolgt von „Keine Angst, nix mit Polizei.“ Die ungünstige Situation war, dass die U-Bahn wegen eines Unfalls nicht mehr fuhr, also stiegen sie, inzwischen noch verstärkt durch den Handball-Co-Trainer, der nebenan wohnt, in irgendeine andere Transportmöglichkeit in Richtung S-Bahn, dort stiegen sie aus, um dann zu erfahren, dass die S-Bahn auch nicht fährt, und dann standen sie halt im Schnee mitten in der Pampa und riefen Mama an, wie man das dann so macht.

Als ich den Schnee von der Motorhaube räumte, ich denke, das ist das richtige Verb, ich musste groß ausgelegte Räumbewegungen machen, das kennen wir hier gar nicht, dachte ich kurz darüber nach, wie unfassbar schlecht das wäre, wenn ich jetzt das neue Auto kaputtfahren würde, dann hätte ich wirklich schlechte Laune und wirklich keinen Plan, wie das gelöst werden soll neben Sanierung und Heizung, und dann fuhr ich langsam los und dachte: „Immerhin eine gute Geschichte für den Blog.“ Ja. So eine bin ich, und vielleicht ist das ja sogar gut, dass man im tiefsten Chaos immer noch ein Fünkchen Positivität erkennen kann, wenn man andere Leute damit erheitern kann.

Das Ganze hatte sogar noch eine total gute Punchline. Nachdem ich nämlich zähneknirschend zugesagt hatte, die Kinder einzusammeln, suchte ich mein Auto da, wo Herr H. mir heute morgen noch zuwarf, dass es stehen sollte, ui, komische Satzkonstruktion, das ist Niederländisch, denke ich, und da war es gar nicht, es stand auf dem Parkplatz of Doom, wo jedes Mal, wenn es glatt wird, 20 Autos kaputtgefahren werden. Jetzt steht es gegenüber, auf einem Platz, in den niemand rutschen kann. Muss ich Herrn H. gleich sagen. Ups, Herr H. Ob seine S-Bahn wohl fährt?

5 Gedanken zu „17.01.2024“

  1. Nachtrag: Den Nachbarn aus dem 3. Stock beim Schneeschippen getroffen. Ortho-Chirurg im Krankenhaus. Er erzählte, dass er den ganzen Tag nur Glatteis-Brüche operiert hat, und dass die umliegenden Krankenhäuser nix mehr annehmen, weil irgend ein Operations-Verbrauchsmaterial jetzt überall fehlt. Menschen sind so absurd lebensuntüchtig, kaum ist man ein Grad aus der gewohnten Komfortzone raus, sind alle sofort in Lebensgefahr.

  2. Ich mag diese Geschichten um Jonathan so. Mein Sohn ist jetzt 8, und das ist immer so ein kleiner Blick in die Zukunft.

    Bei uns wird wahrscheinlich das Kind irgendwann das Reihenhaus mit seinen Freunden bewohnen, während die Eltern (legal) im Schrebergarten leben bzw. schlafen. Im Sommer.

    Auf jeden Fall ist das hier auch meist so. Das Kind gibt es zu 80 Prozent nur mit Freund, und ich lieb das sehr.

    • Wenn Ihr Sohn auch so einer ist, der nur im Rudel lebt, wird es nicht anders gehen, als dass Sie in den Schrebergarten ziehen. Wenn Jonathan nicht vom Haus entfernt im Garten wohnen würde, würde ich jedes Wochenende verrückt. Freitag bis Sonntag sind durchgehen 3 bis 4 Menschen in dem Haus, und Sie haben keine Ahnung, wie laut die sein können, wenn sie „chillen“. Aber ja, ich freue mich auch sehr darüber, dass er ihm evtl. fehlende Geschwister einfach ersetzt durch Jungs, die er sich ausgesucht hat. Und Beebie Arthur kennt man hier ja auch schon seit 14 Jahren, der zählt eigentlich als Geschwisterkind.

      • Ich haben eine Ahnung wie laut die sein können. Denke immer, dass die jetzt schon für die Bremer Ostkurve im Weserstation üben. Wo die Ultras stehen… Reihenhaus heißt glücklicherweise auch, dass man sie einfach hochschicken kann (oder selbst hochgehen). Das hilft manchmal. Nach einer Renovierung bekommt das Kind auch das schönste Zimmer damit da ein großes Bett, ggf. ein kleines Sofa stehen kann und das Wohnzimmer weniger attraktiv ist. Mal sehen wie erfolgreich das ist.
        Und ja, hier kennen wir einen aus dem Trupp auch schon seit Ewigkeiten, das ist auch fast wie Geschwister, nur besser. Weil weniger Streit.

        • Eigenes Zimmer wird irgendwann automatisch interessanter als das Wohnzimmer, das dauert bestimmt auch nicht mehr lange, dass die alleine sein wollen. Wobei ich aber dafür sorgte, dass sie ab einem gewissen Alter dort laut und legointensiv gespielt haben, nicht im Wohnzimmer. Bis 2015, im alten Haus, war das dann auch oben, da war ich auch langmütiger 😉

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