10.10.2023

Ich habe 2008 begonnen, zu bloggen. Und es hat nur 15 Jahre gedauert, bis ich endlich sagen kann: Das Internet kennt meinen Mann besser als ich.

Heute saß ich am Schreibtisch, der 9. und 10. jedes Monats sind für mich besonders arbeitsreiche Tage, ein sehr großer Teil meines Monatsumsatzes muss an diesen beiden Tagen eingefahren werden, also sitze ich so lange, bis alles, was getan werden muss, getan ist. Manchmal muss ich mich dann selber trösten, ich mache konzentrationsintensive Dinge an den Tagen, mit vielen Exceltabellen und einem zusätzlichen Taschenrechner, und es gilt die benötigte Aufmerksamkeit über Strecken von 12 oder mehr Stunden auf hohem Niveau zu halten. Oft brauche ich dann zwischendurch eine kleine Belohnung, wäre ich noch ein Mensch, der nach 9 Uhr morgens Kaffee trinkt, würde ich mir einen ganz leckeren Cortado mit Milchhäubchen in einer hübschen Tasse machen, mach ich aber nicht.

Heute war ich allein zuhause, und nach vielen Stunden bemerkte ich ein eingebildetes Blutzuckertief. Da ich keine Süßigkeiten kaufe oder horte, konnte ich mir an der Stelle selber nicht weiterhelfen, aber ich wusste ja, wo Herr H., der sehr viele Süßigkeiten kauft und isst, seine geheimen Vorräte lagert. Oft ist es natürlich so, dass es gar keine Vorräte gibt, weil er immer alles sofort aufisst, aber heute hatte ich Glück, im Trumm oben links lag eine Tafel Schokolade.

Ich muss mich jetzt sehr zusammenreißen, denn was ich vorfand, war wirklich verstörend. Die Sorte war: Zartbitter und weiße Schokolade mit Zitronencrispies gefüllt. BÄÄÄÄÄÄH. Verstört wandte ich mich an das emotional support Internet, mit wenigen Ausnahmen gaben mir Menschen Recht, es *war* verstörend, und als ich dann noch teilte, dass ich in den letzten 17 Jahren über Herrn H. gelernt hatte, dass er weder Zartbitter noch weiße Schokolade mag, und Zitrone zwar gerne, aber nicht in Schoko, da lieber Nuss, wurden sofort Theorien zusammengetragen, wie das passiert sein könnte. Die vielleicht lustigste, wenngleich meiner Einschätzung nach unrealistischste Theorie, lautete wie folgt: Herr H. hat natürlich einen richtig guten Schokovorrat, aber damit ich ihn nicht finde, hat er an der üblichen Stelle eine ganz schreckliche Schokolade deponiert, auf dass ich mich enttäuscht und ein bisschen angewidert abwenden möge. Ich hielt das für unterhaltsam, aber unwahrscheinlich.

Soeben kam er nach Hause, wir kochten für uns und drei Teenager, man ist ja immer zu dritt, und nachdem sie ins Gartenhaus verschwunden waren, guckte ich ernst und sagte: „Ich habe heute etwas ganz Schreckliches gefunden.“ Sofort schuldbewusstes Gesicht, ich löste in Richtung Schokolade auf, guckte noch mal ernst und fragte, ob er irgendwo etwa den echten Schoko-Stash habe. Wie gut, dass mein Mann nicht lügen kann. Ja. Die Ekelschoko, die er eigentlich „ganz gerne“ isst, bäääh, habe er am gewohnten Ort deponiert, um Doofmänner und -frauen in die Irre zu führen. Die leckeren Sachen wären an einer neuen Stelle. Ich musste gar nicht fragen, ein strenger Blick reichte, damit er den Ort verrät, und dann fand ich Haselnuss, Mandel, irgendwas mit Keks, etc. Ich entschied mich für Mandel und ließ ihn traurig zurück.

Nachtrag: Gerade kam er doch noch mal rein um mich darüber zu informieren, dass er die „leckere“ Schoko gewogen hätte, es seien nur noch 60 Gramm übrig. Dazu muss man wissen, dass die Tafel auch ursprünglich nur 80 Gramm wog. Aber mehr als 20 Gramm ging wirklich nicht, ich konnte meine Deadline trotzdem halten.

3 Gedanken zu „10.10.2023“

  1. Ich lache gerade sehr (Herr H wird mir immer sympathischer). Hier war es lange so, dass der Mann vom Einkaufen immer einen süßen und einen salzigen Snack mitbrachte. Nun ist es so, dass ich keine salzigen Snacks mag. Der Mann isst lieber Salziges, ist aber auch Süßem nicht abgeneigt, wenn nichts Salziges mehr da ist. Man kann sich den Rest denken.

    Besonders empörend an der Sache: Als ehemaliges Ostkind esse ich die kostbaren Westsüßigkeiten natürlich langsam und mit Bedacht (wer weiß, ob man je wieder welche bekommt), während sich der resident murcan, der nie im Leben irgend etwas nicht haben konnte, eine ganze Handvoll Treets auf einmal in den Mund stopft.

    Bevor ich also selber in reifem Alter hätte anfangen müssen, geheime Süßigkeitenvorräte anzulegen, habe ich dann eine „one snack for the wife“ policy durchgesetzt, der Rest ist mir wurscht. Funktioniert besser, allerdings schleicht der Mann abends gelegentlich ums Regal und behauptet „your Treets are yelling at me“, bis ich sie ihm dann doch überlasse.

    • Ich denke, den Punkt haben wir etwa 2010 bereits hinter uns gelassen. Herr H. operiert mit der dubiosen Kategorie „öffentlicher Raum“, also alles, was in diesem Haushalt irgendwo liegt, wo Menschen drankommen, ist öffentlicher Raum und darf von allen gegessen werden. Mein Veto hat leider nicht gezogen. Ich habe jetzt ein Zimmer, das NUR MIR gehört, und das darf außer von Oskar und mir einfach überhaupt nicht benutzt werden, schon gar nicht zum Sachenklauen. Leider hab ich da nur ein Bett und Kleidung drin. Muss ich auch noch mal drüber nachdenken.

      • Na ja, im Prinzip ist es hier schon so, dass alles von allen gegessen werden darf. Ich habe allerdings die Angewohnheit, mich mit kleinen Snacks zu belohnen (im Sinne von „ich mache jetzt erst diese Sache fertig und DANN gönne ich mir X“). Es ist dann ungünstig, wenn jemand in der Zwischenzeit sämtliches X verzehrt hat.

        Nach einer besonders extremen Version (meine Mutter gab uns einen Marmorkuchen, der Mann sagte noch, er möge überhaupt keinen Marmorkuchen, ich freute mich einen ganzen Arbeitsnachmittag lang auf ein Stück Marmorkuchen und eine gute Tasse Tee, allerdings war es inzwischen Pustekuchen mit dem Marmorkuchen — dem *ganzen* Kuchen, wohlgemerkt, für den dann auch nicht ohne Weiteres Ersatz zu beschaffen war) bin ich dann wohl doch mal wütend geworden. Seither kommt verlässlich die Frage „Do you have any designs on X?“, ehe X komplett das Zeitliche segnet. 🙂

        Aber ich kann gar nicht klagen, denn der Mann stemmt auch 100 % des Lebensmitteleinkaufs und der Mahlzeitenzubereitung, ich muss mich um nichts kümmern und kann obendrein noch Wünsche äußern. Besser geht’s ja eigentlich nicht.

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