Halleluja, der Teenager hat eine wetterfeste Übergangsjacke. Es war ein Prozess, ich hatte ihn aber geschickt eingefädelt, und am Ende haben wir alle gewonnen, ich muss lediglich zur Entspannung ein Glas Sekt mit O-Saft im Sessel zu mir nehmen, was insofern erstaunlich schnell entspannt, da ich Dryanuary gemacht habe und im Februar einfach mit einer kleinen Ausnahme weitergemacht habe. Warten wir also kurz, bis die ersten zwei Schlucke zu Kopf gestiegen sind, mal sehen, ob noch Nacktfotos kommen.
Der Tag begann jedenfalls schon mal sehr positiv, fast hätte ich schon um 8.30 Uhr mit ganz viel HURRA gebloggt. Ich wurde nämlich wach, und wie das dann so ist, orientierte ich mich erst mal grob, also „wo bin ich“, und „ist es wohl schon morgens“, dann mittel „was für ein Tag ist heute, Arbeitstag oder nicht“, und dann fein „wann ist der erste Termin, muss ich heute irgendwas abgeben“, etc. Ich lag aber ab Schritt 2 schon falsch, ich stellte nämlich fest, dass ich in meinem Bett bin, es ist wahrscheinlich morgens, und es ist Sonntag, hurra, dann Feinjustierung mit „Hab ich morgen früh irgendwas Wichtiges, über das ich mir heute schon mal den ganzen Tag Gedanken machen muss?“, dann dachte ich plötzlich an Karneval, morgen Straßenkarneval (ächz), übermorgen Zooch (ächz), und dann dämmerte mir: Es ist gar nicht Sonntag. Es ist Samstag. Der beste Tag! Und morgen muss ich nicht arbeiten. Und übermorgen auch nicht. Ist nämlich Karneval, da geht niemand davon aus, dass jemand in Düsseldorf am Schreibtisch sitzt, und außerdem kann ich heute noch zum Bäcker. Und dann war ich so begeistert von all der geschenkten Lebenszeit, dass ich am liebsten sofort losgelaufen wäre, irgendwas machen.
Allerdings saß ich dann doch zwei Stunden im Sessel und las, neben mir ein Hund, andere Seite ein Kater, alle schnarchend, und die Herren des Hauses ruhten auch noch aus. Genug Zeit also, einen perfiden Plan zu schmieden: Noch ist ja Sale, und der Teenager brauchte eine wetterfeste Übergangsjacke, hatte sich auch schon dazu „committet“, eine zu tragen, wenn die nice ist. Nun habe ich verstanden, dass „nice“ sehr unterschiedliche Ausprägungen mit fast 15 und 47 hat, ja, aber ich witterte eine Chance. Und da er heute außer Joggen – worauf er keine Lust haben würde – nichts zu tun hatte und ich ja auch nicht und ich mich auch sehr ärgern würde, wenn er in zwei Wochen ankommen würde mit Kleidernotwendigkeiten, wenn der Sale vorbei ist und ich keine Zeit habe, weckte ich ihn um 11 Uhr mit den Worten: „Guten Morgen. Ich möchte mit die Klamotten shoppen fahren, du darfst aussuchen, Roermond oder Centro.“ Das hätte man mir mit 15 nicht zweimal sagen müssen – Roermond ist ein Outlet Center, das aber neben den Luxusmarken auch ein paar für ihn interessante Sportmarken etc. hat, Centro ist die größte Shoppingmall Europas, was ich nach dem ersten Mal vor ein paar Monaten, nein, stimmt nicht, als die eröffnet wurde, hatten einige von uns gerade den Führerschein gemacht, da waren wir da ständig, dann 29 Jahre gar nicht, und jetzt halt wieder, wenn der Teenager etwas braucht, da ist nämlich alles für ihn an einem Ort, und – und das ist das Faszinierende – exakt gar nichts für mich. Es gibt nicht einen einzigen Laden (außer Schminke-Mac, okay, aber dafür fahre ich ja nun nicht nach Oberhausen, ich brauche alle 3 Jahre einen Lidschatten), in dem ich etwas kaufen müsste, ich bin nicht die Zielgruppe, was aber auch total super ist, denn die Bereitschaft des Teenagers, zu warten, wenn ich etwas anprobieren möchte, ist, naja, da, aber mit einem sehr leidenden Gesicht verbunden.
Egal, wo war ich? Ich weckte ihn also und hatte mich auf exakt zwei mögliche Reaktionen vorbereitet: 1) „Boah nee, da hab ich heute keine Zeit für, ich muss noch Wasserwechsel machen und mit Fiene in den Wald und ich will auch noch mit den Jungs telefonieren, nee, heute geht echt überhaupt nicht, auf keinen Fall, schlimmste Idee ever“ oder 2) „Super, beste Idee ever, ich putz mir schnell die Zähne.“ Dazwischen gibt es bei meinem Kind nix, er ist total on fire oder total nicht on fire, er hat mein fehlendes Mittelmaß geerbt, mal gucken, wie er das gestaltet. Er sprang jedenfalls sofort aus dem Bett (sehe ich in diesem Haushalt selten, wenn diese Familie aufsteht, ist es wie nach der Nacht der lebenden Toten), sagte „Centro ich geh eben duschen dann können wir los“, und dann ging er duschen und wir konnten los.
Dann alles wie beim letzten Mal. Ich hatte wenig Verständnis für seinen Geschmack, das ist aber ja egal, ich muss ja so nicht rumlaufen. Er durfte sich im Sale vier T-Shirts und einen Pulli aussuchen, hätte er ja eh gebraucht, die T-Shirts zumindest, der Pulli war zu weit und zu kurz, was bei seiner Statur der Normalfall ist, in dem Fall jedoch wirklich an der Grenze des Tragbaren, in meinen Augen, aber wir verständigten uns in der Umkleide darauf, dass ich ja so nicht rumlaufen muss und mir das deshalb jetzt egal sei, und alle Mütter schauten mich mit einem verschwörerischen Blick an, ja, das ist der Weg, Rede bewirkt Gegenrede, keine Rede bewirkt im besten Fall nichts, und das muss das Ziel sein. Ich kriege dieses Kind erstmal nicht mehr in eine schöne beigefarbene Chino mit einem blauen Ringelshirt, und das ist halt so, er macht jetzt in Streetwear, und vielleicht fühlte meine Mutter sich vor 30 Jahren so, als sie, ich erinnere mich noch genau daran, an einem Tag für sich einen in meinen Augen unfassbar spießigen Burberry Trenchcoat kaufte und für mich eine handgefärbte Ethno-Kutte bis zum Boden, da sahen wir auch nicht aus, als kämen wir aus einem Haushalt. Das ist der Lauf der Welt, so soll es sein, ich bin auch groß geworden und aus mir ist irgendwas geworden, Jonathan wird nicht der erste Mensch der Welt sein, dessen Leben aus den Fugen gerät, weil er mit 14 nur noch so schlimm weite Hosen tragen wollte. Dass er als riesiger Spargel darin allerdings nicht so nice gefittet aussieht wie so ein Streetwear-Model, nun gut, das ist dann so.
Ich kürze ab: Wir guckten dann im ersten Laden nach einer Übergangsjacke, er fand keine und wollte direkt aufgeben mit „lass uns doch irgendwas im Internet bestellen, hier finden wir nichts“, ich insistierte und erinnerte daran, dass wir extra dorthin gefahren sind, wo es 250 Geschäfte gibt, und dass wir nicht in Laden 1 beschließen können, dass es hier nichts gibt, und dass wir ja überhaupt gar keine coolen T-Shirts brauchten, sondern eine Jacke, und dann trottete er brav mit, wir gingen in 3 weitere Läden, dann kamen wir uns kurz in die Quere, da ich zwar bereit war, etwas mehr zu investieren für eine gute Funktionsjacke, sein Plan, die größere Investition aber ja auch in Richtung „coole teure qualitativ total beschissene Streetwear Marke ohne jede Credits im Bereich Funktionskleidung“ lenken zu können scheiterte, aber auch die Situation löste ich als Gewinnerin auf, dann taten ihm die Füße weh (nach 2 Stunden! Lächerlich! Nach 8 Stunden in Manhattan in hohen Schuhen, okay, aber das war ja gar nix!), dann fanden wir eine Jacke, die meinen Anspruch an Qualität und Tauglichkeit erfüllte und wahrscheinlich markentechnisch nicht total uncool war, und die kauften wir dann, und dann war es vorbei. Er hat eine Übergangsjacke, und er wird sie sogar tragen. Ich möchte mich feiern.
Ah, wir haben die Mandalorians gesehen!
Ich glaube, er ja, ich hingegen nicht, daher müssen Sie das kurz erklären bitte.
„Das ist der Weg!“ ist der wichtigste Satz, der immer wieder fällt. So wie „Amen“.
Bei ihnen: „ja, das ist der Weg, Rede bewirkt Gegenrede, keine Rede bewirkt im besten Fall nichts“
Ah, ach so, danke. Das sage ich sehr oft, allerdings schon, seit ich denken kann. Wobei die deutlich häufigere Variante „Das ist *nicht* der Weg“ ist 😉
Ich kenne dich und dein Kind mit 14,15 und ich sags wie es ist, er ist die Light Variante;-) ausserdem übernehm ich gern, mach ich mit ole auch, ist Nice und alles fitted. Als Mutter ist man zu befangen
Hahaha, das stimmt 😉 Und sehr gerne, ich dachte gestern tatsächlich auf dem Rückweg, dass ich dich gut hätte brauchen können. Beim nächsten Mal planen wir das so, du hast mein vollstes Vertrauen.
Und du gibst mir scheinbar recht, dass ich mit 15 neben meiner Mutter auch etwas aus der Art gefallen wirkte.