05.10.2022

Heute war Premierentag. Also mit Generalprobe. Wir kennen aus der Literatur ja so Konzepte wie compulsive buying oder compulsive masturbation, ich bin schon einen Schritt weiter, ich mache compulsive theater going. Geplant waren 4 Vorstellungen in 8 Tagen, davon ist eine wegen Krankheit des Ensembles ausgefallen, aber ich war noch gut auf Kurs.

Heute, und das ist dann die erste Premiere, war ich das erste Mal in Deutschland alleine im Theater, es gab nämlich nur noch eine Karte, als ich sie kaufte, und dann ging ich halt alleine. In San Francisco war die Welt irgendwie anders, ich war sozial sehr gut eingebunden, aber da ich auch sehr umtriebig war und mitten im kulturellen Zentrum wohnte, ging ich sehr oft alleine irgendwo hin. Ins Theater, auf Konzerte, aus Ermangelung an Kochkunst ins Restaurant. Das kann man sich alles überhaupt nicht mehr vorstellen heute, ich hatte ja gar kein Handy. Gott weiß, was ich da gemacht habe, so alleine auf irgendwelchen Veranstaltungen. Meine Füße habe ich jedenfalls nicht dokumentarisch fotografiert, und John Fluevog knows… damals hätte es sich mehr gelohnt als heute.

Heute jedenfalls erstmals alleine in Deutschland im Theater, und da ist mir zum ersten Mal aufgefallen, wie viele Leute, naja, wir können offen sprechen, Senioren, alleine ins Theater gehen. Ich fiel höchstens aufgrund meiner immensen Jugendlichkeit auf. Und dann kam die zweite Premiere: Die Veranstaltung war die Generalprobe von Franziska, das ist quasi Goethes Faust mit einer nymphomanen Frau, und wie das bei Generalproben so ist, wird vorher kurz launig anmoderiert, dass das ja keine normale Vorstellung ist, vielleicht ist noch nicht alles perfekt. Heute moderierte die Dramaturgin an mit den Worten: „Ich weiß nicht, ob wir das zuende kriegen heute“, und dass man für die reguläre Vorstellung einen Rabatt kriegen würde. Und dann wurde gespielt, und nach 90 Minuten brachen sie ab und wollten ohne Publikum weiterproben. Kannte ich nicht. Ich fand es auch nicht schlecht, gut, meine Lieblingssouffleuse hatte viel zu tun, aber das kann ja schon mal vorkommen.

Generalproben sind für mich ja die besten aller Vorstellungen. Ich gehe ja ins Theater (ich möchte sagen „obwohl ich noch keine Seniorin bin“, leider, meine und Onas größte Angst ist ja, dass Theater ausstirbt, bevor ich alt bin), weil ich es so toll finde, dass Leute schwere Sachen machen, live, in Echtzeit, ohne doppelten Boden. Wenn man ein Stück mehrmals sieht, merkt man, wie anders jede Vorstellung ist. Und wenn man compulsive theater disorder hat und einfach alles anguckt, was gespielt wird, sieht man plötzlich, wieviel das Ensemble so macht, und wieviel die sich immer merken müssen. Heute saß ich fasziniert vor dem spektakulären Bühnenbild und fragte mich, wie die das wohl machen, Sonntag war ja das Bühnenbild von Macbeth noch da, das war ja auch riesig, und Freitag gucke ich ja auch schon wieder was ganz anderes. Dann fiel mir auf, dass ja jeden Abend was anderes gespielt wird, und dann wurde mir ganz schwindelig, und dann war ich sehr, sehr beruhigt, dass ich ja nur im Publikum sitzen muss und nicht mir ausdenken, wie das logistisch geht, und dass es vermutlich auch alles ein gewachsenes System ist und alle wissen, wie das geht, und außerdem ist das Düsseldorfer Schauspielhaus ein riesiger Bau, da werden auch irgendwo die Bühnenbilder zwischengelagert werden können, und wie das genau geht, das, naja, müssen andere sich überlegen.

6 Gedanken zu „05.10.2022“

  1. Es gab Zeiten da bin ich häufiger mal ins Theater gegangen, was aber daran lag, dass eine Freundin von mir Regieassistentin am hiesigen Staatstheater war. Später als ich in Berlin wohnte war sie am Theater am Schiffbauerdamm. In der Regel konnte ich sogar Loge sitzen. Aber im Grunde bin ich kein großer Theatergänger und bewundere Menschen die es schaffen zwei oder mehr Stunden ruhig zu sitzen.

  2. Diese Phase kenne ich. Das war mal ein paar Jahre Bonn, dann ein paar Jahre Köln.
    Dann hat es aus Gründen plötzlich aufgehört.
    Wieder ein paarJahre später, ja, ich lebe schon lange, war ich im Burgtheater in Wien und hatte ein Déjà-vu. Ich kannte alle Schauspieler auf der Bühne. Aus Köln. Sie waren wohl mit dem Intendanten umgezogen.

Kommentare sind geschlossen.

Consent Management Platform von Real Cookie Banner