Interessanterweise ist Waldbaden wirklich komplett an mir vorbeigegangen, und das, obwohl ich genau die Zielgruppe bin. Beruflich stark eingebunden, mehrfachbelastet, immer unter Strom, Städter. Ich hätte die Erste sein müssen, die ruft „Ja, ich gehe waldbaden, ich sauge Grün und Braun und Moos und Farn in mir auf, dann gehe ich nach Hause und mach da Marie Kondo.“ Das ist aber ausgeblieben, und heute morgen fiel mir erstmals auf, warum ich diese Welle verpasst habe: Ich habe ja gar keinen Mangel an Wald. Ich wohne direkt am Waldrand, dahinter ist ein riesengroßer, in weiten Teilen recht naturbelassener Wald mit allem, was meinen Hund so anspricht: Reitwege, Entengrützenteiche, eine riesige Ballspielwiese, die eigentlich ein Segelflugplatz ist, und keine 100 Meter von meiner Wohnung entfernt die Frauensteine, eine okkulte Hexen-Opferstelle, von der man *super* den Ball den Hang runter werfen kann, der Hund muss ihn dann unten suchen, beim 3. Mal findet er ihn nicht mehr und dann kauft man einen neuen (oder schickt Jonathan als Nachhut am nächsten Tag suchen, dessen Nase ist deutlich besser als Fienes), und an der meinem Mann einst mal rausgerutscht ist „ja, hier findste’s schön, klar“. Auch er kann witzig sein. Ein klitzekleiner Nachteil, der mich nervt, ist, dass es die ersten 20 Minuten konstant bergauf geht, so dass man sich den schönen Teil der Strecke erst erarbeiten kann, der Hund aber mit seinen vier Beinen und dem insgesamt sehr sportlichen Auftreten die ganze Zeit wimmert, weil ich einfach nicht so schnell den Berg raufrennen kann wie ein Labrador, der oben ballspielen möchte.
Heute musste ich beruflich sehr nachdenken, und da habe ich einfach mal bei allerbestem Wetter alle alternativen Waldrunden hintereinander abgespult. Wir kamen auf 12 Kilometer in 3 Stunden (mit Fotos, Frisbeespielen, etc.). Und ich habe mich gezwungen, mal genau hinzusehen. Pilze, Farne, Moos, sehr viel Sonne, alles da. Und viele Senioren. Und manche haben mich angesprochen, und ganz entgegen meiner Gewohnheit war ich anscheinend so waldgebadet, dass ich sogar die Ohrstöpsel rausgenommen habe und ihnen den Weg erklärt habe. Ich fand sie nett. Das macht Waldbaden mit mir.
Lange Rede, kurzer Sinn: Ich habe sehr viel Glück gehabt, dass ich als total urbaner Typ jeden Tag im Wald rumrennen kann. Und wenn ich mir das auch so im Kopf konstruiere, ist das wohl sehr gut für mich. (Fiene musste übrigens nachmittags noch 6 Kilometer mit Ona joggen. Der arme Hund.)
The Forest (das müssen Sie wissen, sonst sind Sie hier falsch)