Nussecken-Quarantäne voller Tag Nummer 1. Und direkt wird offenbar, woran es in den nächsten zwei Wochen hapern wird: Ansprache fürs Kind. 8 Uhr geht die Schule los, eigentlich bin ich morgens nicht involviert, jetzt doch, frühstücken will er nicht, lieber um 9 Uhr in der Pause eine Tomatensuppe, das finde ich alles schwierig, ich will aber ja auch nicht frühstücken, nun gut. Dann Mathearbeit, während ich einen Termin habe, so kann ich weder vorher angemessen beruhigen noch hinterher angemessen mit freuen, dass es gut gelaufen ist. Nachmittags die Nachricht der Lehrerin, sie hat schon korrigiert, er hat alles richtig, ich bin am Telefon, freue mich gerne später mit, wenn ich mehr Zeit habe. Das ist alles sehr unbefriedigend. Der Vorschlag, dass der Herr Papa doch vielleicht via Videokonferenz an seinem Leben teilnehmen könnte, trifft auf beiden Seiten nicht auf Begeisterung, meine Begeisterung, mittags für den Mann ein Essen zu zaubern, trifft wiederum nicht auf mich, also schlage ich ihm vor, ich könne gerne etwas bestellen, ich habe ja auch Hunger aber nun leider keine Zeit, möchte er auch nicht, er hat noch einen Apfel. Wäsche, Küche aufräumen, noch ein Termin, ein bisschen arbeiten, draußen Regen, das Kind telefoniert mit der Switch in der Hand mit seinem Freund. Das hat sich die Generation so ausgedacht. Einfach nur telefonieren ist für alte Leute, zusammen online irgendein Spiel spielen, dabei telefonieren und ganz of „Alter“ sagen, das macht man heute so. Ich erfinde in kürzester Zeit eine neue Regel, die da lautet: Medienzeit mit Kind am Telefon ist keine Medienzeit, und schwupps, kann ich wieder telefonieren, das Kind telefoniert auch, wir machen beide Medienzeit, meine ist bezahlt.
Abends die Einsicht, dass man, wenn man um 19 Uhr Feierabend macht, nicht um 18.30 das Essen auf dem Tisch stehen hat, also wird wieder etwas bestellt, dieses Mal vom Mann, ich habe zwei Sommerrollen, die das Kind aufisst, dabei steht das IPad auf der Theke und wir gucken „Mord mit Aussicht“, weil das etwas ist, was wir noch nie gemacht haben, und es scheint sich als Ritual schnell einzuschleifen: Wenn Quarantäne, Separierung und 40 Mal über den Tag verteilt „Jetzt nicht“, dann essen wir mit Fernsehen, anschließend gibt es ein Eis. Ich darf dabei nicht twittern, das findet er doof. Mittendrin erscheint der Mann in der Schleuse, eine halblustige romantische Szene spielt sich ab, bei der beide sich mit den Händen an die frischgeputzte Fensterscheibe klammern, ich lasse das Eis aus. Ich umgehe Coronakilos, ich will keine Quarantänekilos, ist alles schon schlimm genug.
So wird das also jetzt. Meine Monate sind beruflich immer sehr zyklisch: Ich habe zwei sehr schlimme Wochen und zwei sehr okaye. Der Turnus der zwei schlimmen Wochen ist exakt gestern angebrochen, pünktlich zum Wiedereintritt des Herrn Papa könnte ich dann theoretisch entspannen. Wir werden sehen. Bis dahin wird Ona viel Eis essen, höchstwahrscheinlich jeden einzelnen Abend sagen, dass das Allerschönste, was er mit mir machen könnte, beim Essen Mord mit Aussicht gucken ist, ich werde jeden einzelnen Tag ein unfassbar schlechtes Gewissen haben, vermutlich irgendwann in einem Ganzkörperschutzanzug ins Gartenhaus stürmen und schreien „JETZT MACH ENDLICH EINE SCHEIß VIDEOKONFERENZ, ICH HAB EINEN CALL JETZT!“, und dann wird es vorbei sein, bis dahin hat Niedersachsen seine Ferienwohnungen wieder geöffnet, und dann nehme ich den völlig untersporteten Hund und fahre in die Lüneburger Heide. Soweit der Plan.