Jedenfalls können alle wieder entspannen, wir sind zurück auf 0, Frau N. ist die Direktorin, ich bin die mit dem noch viel schlimmeren Emonamen, wir sind auch nicht mehr freundlich, sondern new normal. Ich verschwinde in Teilen wieder dorthin, wo ich hergekommen bin, in der Realität nämlich, Frau N. macht das, was sie möchte, das macht sie eh immer.
Ich wollte gerne sehen, ob ich wieder bloggen wollen würde, und es gibt ein klares Urteil: Eventuell. Ich hab in der letzten Woche viel Spaß gehabt, und an der ein oder anderen Stelle tat Ablenkung gut. Was ich auch gesehen habe, Obacht, Emoalarm, ich brauche hin und wieder mal ein Outlet, aus dem ein bisschen Ich rauskommt. Und das hat hervorragend geklappt, soviel ist klar. Ich komme jetzt öfter, nicht täglich, aber öfter. Und dann erzähle ich Ihnen eine lustige Geschichte, die Sie nicht kennen, aber kennen sollten.
So, und da ich ja gelernt habe, entscheide ich um und erzähle die jetzt, sonst frage ich mich in 8 Jahren mal, ob ich wieder bloggen soll, und dann finde ich den Cliffhanger, und schwer davon ausgehend, dass mit fortschreitendem Alter die Merkfähigkeit ja auch nicht besser wird, (und lügen wir uns bitte nix in die Tasche: Sie sind da auch alle keine Hilfe), würde man sich ja am Ende nur wieder ärgern.
Es war jedenfalls so, dass mein Kompagnon und ich eine berufliche Abendveranstaltung in – Fanfarenchor – Bocholt hatten. Bocholt zeichnet sich in erster Linie dadurch aus, dass es nah genug an Düsseldorf ist, um da eben rüber zu fahren, das ist aber auch wirklich schon alles, was man über Bocholt wissen muss. Wir aßen zu Abend, in voller Arbeitsmontur, das gehört sich so, da, wo man in Bocholt halt isst: im Imbiss mit Draußensitzgelegenheit. 19 Uhr Termin, also 18.45 da parken, wo man landet, wenn man in Bocholt immer dem P hinterher fährt. Ein Parkplatz, der halb unterirdisch lag, aber nicht im geringsten wirkte wie ein Parkhaus (Spoiler). Es gab einen Parkscheinautomaten, wo man noch für 15 Minuten ein Ticket ziehen konnte, ab in die total komplizierte Halterung (ich fahre ein Auto eines schwedischen Herstellers mit Penissymbol als Logo, damit ich weiß, wo mein Platz ist, seine Lampen heißen Thor’s Hammer, das fand ich sehr anregend auf eine absurde Art und Weise, und das wohl allerdistinktivste Alleinstellungsmerkmal dieser Autos ist ein vollkommen überflüssiger Plastikpinöppel, hinter den man seinen Parkschein klemmen kann. Das ist etwa 4000 mal komplizierter und zeitaufwändiger, als den Parkschein einfach hinter die Windschutzscheibe zu legen und anschließend, wie es sich gehört, in den Fußraum fallen zu lassen, aber nein, wenn man so ein Ding hat, muss man es auch benutzen, soviel Zeit muss sein, auch wenn man sich jedes Mal furchtbar aufregt). Wo war ich? Ach so. Imbiss, essen, ein Bier, Business, fertig. 22.15 Ankunft Parkplatz. Der „Parkplatz“ hatte sich inzwischen allerdings in eine abgeschlossene Tiefgarage mit einem Gitterrolltor verwandelt. Praktischerweise war direkt daneben das große Schild mit den Notfallnummern ab 21 Uhr, wenn das neuerdings ja Parkhaus zu ist. Ich muss sagen, dass ich direkt etwas skeptisch war, als ich eine Festnetznummer las, die nach kurzer Recherche eine Durchwahl im Bocholter Rathaus zu sein schien. Wie Sie sich denken können, ging ein Anrufbeantworter dran, der erklärte, man möge am nächsten Tag um 7 Uhr wieder anrufen. Nun hatte ich allerdings am nächsten Tag um 10 Uhr einen wirklich wirklich unaufschiebbaren Termin in Düsseldorf, für den ich mich und mein Auto brauchte, und das Volumen meiner Blase gab die Überbrückung der Zeit auch nicht her. Also irrten wir ein wenig ratlos herum, schauten uns die Busfahrpläne an (22.30 in Bocholt, ich muss das nicht erklären), und dann bemerkten wir, dass wir neben einem Hotel standen. Eventuell sogar neben DEM Hotel von Bocholt. Die Automatiktür öffnete sich, dahinter war der Empfang, und an dem stand das Schild, dass man bitte morgen wiederkommen solle. Ich bin mir sehr sicher, dass es noch ein Zimmer gegeben hätte oder zwei, aber leider gab es keinen Weg, das herauszufinden. Also setzten wir uns dahin, wo man sich in Bocholt hinsetzt, wenn man nach 22 Uhr noch richtig einen draufmachen möchte, in den Vorraum der Deutschen Bank auf den Fußboden, denn wir hatten keine Jacken und es wurde langsam etwas frisch. Dort noch mal die verschiedenen Optionen evaluiert, nach 3 Sekunden festgestellt, dass es eigentlich ja gar keine Optionen gibt außer Taxi für 42.000 Euro, und dann den Gatten angerufen. Euphorie klingt anders, aber mit etwas gutem Zureden konnte ich ihn bewegen, uns abzuholen und am nächsten Morgen um 7 wieder hinzubringen, denn der einzige Autoschlüssel des Kollegen befand sich natürlich in meinem Handschuhfach, wir hatten also direkt zwei Autos lahmgelegt.
Nach 60 Minuten schellte das Telefon, er führe jetzt auf die Autobahn. Da wir etwa 5 Minuten von der Autobahnauffahrt entfernt leben, war die Überraschung groß, aber die Erklärung, nämlich Großveranstaltung mit Heidi Klum zwischen Heim und der Autobahn, Tausende von Autos, die aus dem Parkhaus wollen und der Mann mittendrin, erklärten das gut. Und wir waren ja gut aufgehoben in der Deutschen Bank.
Irgendwann – ich weiß nicht, wer es als erster sah – fiel uns ein gewisser Schädlingsbefall in der Bank auf, was uns zu dem Entschluss brachte, es sei ja so kalt auch wieder nicht. Nach etwa einer weiteren Stunde kam der Mann, lachte uns aus, und an dieser Stelle hätte die Geschichte hervorragend zu Ende sein können, war es ja bereits nach 1 Uhr morgens. Wir wollten jedoch gerade einsteigen, als ein Anwohnerauto auf das Parkhaus zufuhr, eine alleinreisende Dame. Wie eine Irre rannte ich hinter dem Auto her und der Kompagnon hinter mir, was sie anscheinend falsch interpretierte, jedenfalls verbarrikadierte sie sich im Auto, wir klopften wie zwei Verrückte an die Scheiben (ja, das hätte entspannter laufen müssen, aber wir dachten, das hier und jetzt wäre unser einziger Shot), fuhr, als das Tor endlich oben war, wie Tom Selleck in die Tiefgarage, irgendwo in den hinteren Teil, und ward nie mehr gesehen. Wir fühlten uns dennoch sehr am Ziel angekommen, gingen schnell zum Auto, setzten uns rein, ich fuhr los, auf das inzwischen wieder geschlossene Tor zu.
Ich kürze wieder ab. Das Tor war zu. Alle Ausgänge aus der Tiefgarage waren auch zu. Wir standen wie im Affenkäfig vor dem Gitter, und ich bin mir nicht sicher, ob mein Mann in seinem Leben jemals mehr gelacht hat als in der Nacht. Die ersten 15 Minuten hat er abwechselnd gelacht und uns fotografiert. Dann kamen etwa alle Taxifahrer hinzu, die am Taxistand standen und seit Menschengedenken noch nie einen Fahrgast nach 22 Uhr hatten, und lachten mit. Dann fingen sie an, uns fernzusteuern. Es gäbe ja auch einen Ausgang XY, den sollten wir suchen. Wir suchten: Zu. Wir sollten einfach mal auf den roten Knopf vom Rolltor drücken. Hab ich gemacht. Everybody’s dream. Sie wären sehr enttäuscht. Wenn Sie nachts um 2 in Bocholt auf den roten Knopf vom Rolltor drücken, passiert exakt nichts. Irgendwann war es auch schon 3, alle hatten ihren Spaß gehabt, es wurde langsam langweilig, uns Eingesperrten war ja schon länger eher langweilig, da beschloss mein Mann, dass mein Plan, jetzt einfach bis um 8 im Auto zu pennen und am nächsten Morgen wieder rauszufahren, nicht akzeptabel sei und rief die Polizei. Die kam dann und musste lachen.
Praktischerweise ist es in Bocholt aber auch so, und das ist das Gute an Kleinstadt, dass man sich vom Kegelclub kennt, und einer der Polizisten hatte die Handynummer von jemandem in der Verwaltung, der hatte auch wieder die Handynummer von jemandem, und der hatte die Handynummer von der Person, die das Rolltor aufmachen kann. Der Herr ging natürlich erst einmal nicht ans Telefon, hatte man ja nicht auf seinem Dienstfestnetz angerufen, aber irgendwann ging er ran, versuchte zu erfragen, ob es eine sinnvolle Option sei, bis 8 zu warten, das fand ich allerdings keine sinnvolle Option, und dann wurde am Ende alles gut, der Herr kam, öffnete das Rolltor und ließ uns heraus. Ohne Lachen.
So. Cliffhanger weg. Alles gut. Bis die Tage.
It’s the end of the world