Part of the Process

Insgesamt nimmt die Zahl der Vorkommnisse, in denen ich über mein gelerntes Themengebiet spreche, zunehmend ab. Ich denke, dass ich mich in 10 Jahren ganz entspannt zurücklehnen kann, wenn jemand mir von Nominativobjekten erzählt. (Neulich noch einmal in einen größeren Diskurs mit einem geschätzten Lehrer aus dem Internet gegangen, und ja, ich verstehe ja sehr gut, dass in der normativen Welt es naheliegend und für die SuS sogar verständlicher ist, ein Prädikatsnomen in die Logik der Objekte einzureihen, aber – und ich schreibe es noch einmal auf, danach werde ich bis an mein Lebensende zu dem Thema schweigen – es gibt sehr viel kontrastive Literatur über Objecthood, also was ein Objekt (was ja in erster Linie eine semantische Kategorie ist, die nach außen durch irgendwas markiert wird, sei es Kasus oder Position im Satz, etc.) in den Sprachen der Welt so ausmacht, und es gibt über die Gesamtheit der noch so kleinen Pisselssprachen sehr wenig, was alle gemein haben. Außer eine einzige Sache. Und jetzt muss ich kurz laut werden um dann für immer dazu zu schweigen: EIN OBJEKT KANN NIEMALS IM NOMINATIV STEHEN. (Der geschätzte Lehrer wusste das übrigens alles selbst. Aber sind ja nicht alle informiert).

So. Es ist raus. Thema erledigt. Wenn irgendwann noch mal irgendein Lehrer kommt und meinem Kind was anderes erzählt, dann nehme ich mir den zur Seite, oder besser noch, schicke ihm den Link zu diesem Post, und dann weiß der Bescheid. Generell scheinen Lehrer jetzt ja minütlich verrückter zu werden. Gestern erheiterte ich Sie mit der Geschichte, dass die Schule fragte, ob Eltern Rachenabstriche nehmen könnten. Heute – ich war gerade in einer Videokonferenz mit honorigen Menschen aus dem Internet – erreichte mich eine weitere, vertiefende Email. Der Rektor hatte sich die Mühe gemacht, das noch einmal zu erklären, hätte diese Bitte doch viele Fragen aufgeworfen. (Nein, er mailt nicht selber, jemand anderes kopiert seinen Text in eine echte Email). Es sei jedenfalls so, dass er das noch mal erklären wolle, wie es dazu kam, und es sei so, dass seine Lehrer ihn dringend gebeten hätten, diese Mail zu schreiben, weil seine Lehrer, nicht er, das so wollten. An anderen Schulen würde das System Eltern-testen-ihre-Lehrer hervorragend funktionieren, deshalb wollten alle außer ihm diese Mail.

Man muss ja schon ein bisschen Arsch in der Hose haben. So wird das mit der Respektsperson nichts mehr. Wenn er das will, soll er das machen, wenn er das nicht will, soll er das nicht machen. Manchmal ist es so einfach. Das konnte ich heute morgen schon in einem anderen Kontext erklären. Ich übernehme ja bezogen auf die Ausbildung meines Kindes keinerlei Ämter, aber wenn es so richtig um was geht, zum Beispiel im Handball, stehe ich sogar morgens auf und übernehme ein Amt. Oder lasse mich für ein Amt schulen, so wie heute. Ich bin nämlich jetzt Coronafachgehilfin. Oder Beauftragte, aber ich zweifele die Sinnhaftigkeit des Auftrags noch an, daher möchte ich lieber in einer assistierenden als in einer verantwortlichen Position sein. Und ich möchte jetzt auch wirklich niemanden reinreiten. Aber ich durfte mal aus der Nähe beobachten, wie Hygienekonzepte entstehen und muss leider sagen: Wenn man nicht mindestens 50 Folgen Podcast, egal von wem, gehört hat, kann man sich bitte besser eine andere Aufgabe suchen. Wenn dann noch immer darauf verwiesen wird, dass Situationen im Einzelfall mit gesundem Menschenverstand gelöst werden sollen, wo es doch an genau dem schwer zu mangeln scheint, erwacht die Projektmanagerin in mir. Und wenn dann noch die ganze Zeit gesagt wird „also hier wäre es jetzt theoretisch besser, wenn die Leute XY machen würden, aber das ist so ja bestimmt überhaupt nicht zu überwachen“, dann ist es Zeit für eine Wortmeldung.

Ich stehe ja schon ein paar Jahre im Beruf, und ich beschäftige mich auch schon länger mit der Aufzucht von Nachwuchs. Eine Sache ist universell gültig: Wenn ich mich vorne hinstelle und das Scheitern direkt mit reinformuliere, dann gebe ich dem Anderen ja keine Chance, nicht zu scheitern. Wenn ich sage „Hier müssten die Kinder theoretisch eine Maske tragen, wenn sie durchlaufen“, dann habe ich gesagt „In der Praxis werden hier keine Masken getragen.“ Man könnte ja auch einfach sagen: „Hier müssen Masken getragen werden“ und dann guckt man mal, was passiert.

Wenn wir in fünf Jahren alle wieder ohne Maske rausdürfen und die Rückatmung uns nicht mehr so schlimm am Denken hindert, dann können wir in der Reihe der Dinge, die in der Coronakrisenzeit so offenbar über das Land, die Politik, die Bildung und die Gesellschaft geworden sind, bitte ganz oben mit aufnehmen: Deutschland ist nicht das Land der Projektmanager.
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