Es ist 2 Uhr nachts, Frau N und ich sitzen auf Frau Ns Balkon und sagen abwechselnd „oh, mir ist ein bisschen kalt“ und „ja, wie schön das ist“.
Zum ersten Mal seit 10 Tagen sitze ich einfach irgendwo und empfinde die Gesamtsituation nicht als – ich leihe das Wort aus dem sehr limitierten aktiven Vokabular von Frau N im Rahmen dieses Urlaubs – qualvoll. Es war in Venedig unerträglich heiß, wirklich unerträglich, qualvoll beginnt nur im Ansatz, das zu beschreiben, wie quälend das alles war. Natürlich waren sehr viele Dinge sehr schön, aber stellen Sie sich vor, Sie duschen morgens nach dem Aufstehen und setzen sich dann in ein Cafe, um einen Cappuccino zu trinken, und während Sie auf den Cappuccino warten, schwitzen Sie regungslos einen Liter Flüssigkeit aus, verzweifelt kippen Sie einen Liter eiskaltes Wasser nach, und dann machen Sie das einfach 16 Stunden lang so, wobei Sie sich ab Stunde 2 wirklich sehr widerlich fühlen, weil alles klebt und die Kleidung überall feucht ist, und dann, naja, dann ist halt alles qualvoll.
Zum Abschied regnete es heute in Venedig, und als wir in dem Vaporetto saßen und zum Bahnhof fuhren, lief nirgendwo Schweiß an mir runter, obwohl es immer noch 30 Grad war, aber eben ohne Sonne, und dann fuhren wir so durch die Kanäle und ich dachte erstmals seit Ankunft: „Och, guck mal, so ein Palazzo, den würde ich auch gerne mal besichtigen.“ Wir haben quasi nichts besichtigt, aber es ging halt auch nicht, niemand hätte sich vorstellen können, in irgendeiner Schlange zu stehen, am besten noch in der Sonne. Und dann waren wir natürlich am Lido, und nun ist es ja bekannt, dass ich fast nichts lieber mache, als im Meer zu schwimmen. Im Gegensatz zu Fuerteventura vier Wochen zuvor war ich optimistisch, dass ich sogar begeistert jauchzend einfach reinspringen werde, da es draußen so heiß ist, dass ich nichts mehr möchte, als mich abzukühlen, aber leider stellte sich dann heraus, dass das Wasser – festhalten – 28,5 Grad hatte. Also wie eine Badewanne. Das war vielleicht das erste Mal in meinem Leben, dass ich Meer wirklich kacke fand. Es war a) viel zu heiß, man musste sich langsam reintasten, so schlimm warm war das, und dann hatte Frau N ja jedem Morgen aus dem Gazettino vorgelesen, dass das Wasser gelb ist von ungefährlichen Algen, also war es gelb und brackig, dann gab es sehr viel Gemüse, wie Porree, ständig hatte man so Porreestreifen auf dem Kopf, und insgesamt fühlte es sich an, wie Frau N es dann gut beschrieb: Wir waren die Buchstaben in der Buchstabensuppe. Das war dann kurz wieder lustig, wir standen im heißen Meer und spielten Buchstabensuppe, formten ein A und ein E und ein M und was uns so einfiel, und dann kam die doofe Qualle, und dann brannte mein Oberschenkel noch viel mehr.
Und insgesamt kann ich sagen: Es war einfach zu heiß. Ich kann sehr gerne noch mal nach Venedig, aber dann darf ich nicht kleben, dann ist alles schön. Nächstes Jahr fahren wir nach Frankreich und planen das direkt so, dass wir außer Doppelkopf gar nichts mehr machen.
oh je, schrecklich. eine venezianische bekannte ist hierher geflohen vor der sommerhitze, dabei haben sie sogar eine klimaanlage in der wohnung.
falls es tatsächlich so bleibt in den nächsten jahren, wäre eine art klimakleidung sinnvoll, man könnte vielleicht irgendwie den kühlungseffekt durch den schweiß verstärken oder ermöglichen, den die hitze einem ja nimmt. kühlung ist wohl schwieriger als das aufwärmen, das wird sicherlich eine aufgabe in den nächsten jahrzehnten.
venedig im november soll auch ganz schön sein!
Ja, ich möchte sicher noch mal hin, Frau N hat ja bereits Wintererfahrung in Venedig. Dieses sich-den-ganzen-Tag-Ekligfühlen ist nichts mehr für mich, das hat mir früher gefühlt weniger ausgemacht, und da bin ich im Sommer ja immer nur beruflich in so warme Länder gereist…
November war schön in Venedig, leider hat man uns zur Biennale zwei Stunden vor Schluss nicht mehr reingelassen. So sahen wir den Pavillion von Christoph Schlingensief nur von aussen.
Auch der Karneval hat mir gefallen. Es sollte eine Flucht vor dem rheinischen Karneval werden, was gelng. Auf den abgelegensten Plätzen stehen sehr stilvoll gekleidete Menschen herum. Die Stadtverwaltung bezahlt sie und schaut, dass sie ordentlich aussehen.