Wieder ein Geburtstag rum. Meine Torte ist, und ich möchte nicht übertreiben, phänomenal angekommen, genau so wie der Überraschungsgast, den ich heimlich eingeladen hatte, Onas besten Freund vom Handball, was für ihn natürlich ganz hervorragend war, für mich aber auch bedeutete, dass die Kinder in seinem Zimmer verschanzt waren, die Nachbarn mit dem Nachbarskind auf dem Fußboden saßen und Lego bauten, und ich hatte die Ehre, mich von 16 bis 21 Uhr mit meiner Mutter zu unterhalten. Zwischendurch gab es Kaffee und Kuchen, ich erhob das Glas, sagte „Lieber Ona, auf dich, schön, dass du da bist“ und meine Mutter ergänzte: „Schön, dass ich auch da bin, bald bin ich tot.“
Ich sehe das ja nicht so. Gut, sie ist 81 Jahre alt, aber soweit tippitoppi in Schuss, gut, Rücken, Fingergelenke, das schmerzt, aber ich sag’s mal so: Wenn ich mit 81 noch so in Schuss bin, sitze ich mit einem Likörchen auf dem 13. Geburtstag meiner Enkel*innen und kündige auch bestens gelaunt meinen Tod an. Hase ist gerade im Wanderurlaub, mit seinen Kumpels, das macht er seit zig Jahren in dieser Woche des Jahres, und als Mensch, der auch durchaus mit dem Hund durch die Natur rennt, hoffe ich mal, dass er wirklich einfach nur ein bisschen dumm ist und im Februar in Wanderurlaub fährt. Damit könnte man noch am ehesten leben.
Desweiteren erzählte meine Mutter wieder etwa eine Stunde lang detailliert, dass Hase ja immer das Geschirr in die Spülmaschine stellt und dass sie das ja in den 80 Jahren davor noch nie erlebt habe. Mal abgesehen davon, dass ich ja insgesamt keine Freundin der Redundanz bin und deshalb immer heimlich einfach was im Internet lesen muss, wenn meine Mutter wieder die Geschichte mit Hase und der Spülmaschine erzählt, was übrigens zunehmend schwieriger wird, je länger ich ein Leben mit Lesebrille führe, ich kann nämlich nicht mehr heimlich einfach unterm Tisch hinschielen, nein, ich muss meine Brille aufziehen und das fällt auf, naja, jedenfalls frage ich mich schon manchmal, welches Bild meine Mutter wohl von Herrn Herzbruch haben mag. Der räumt die Spülmaschine ein, hat Windeln gewechselt und geht sogar in den Supermarkt. Das fiel mir heute kurz ein. Ich weiß gar nicht, ob mein Vater in seinem Leben überhaupt jemals in irgendeinem Supermarkt gewesen ist. Ich wüsste nicht, wie das hätte passieren sollen.
Jetzt bin ich jedenfalls müde. Der Überraschungsgast hat morgen Studientag und wird gerade nach Hause gebracht, Ona brüllte aus halbliegender Position „SCHÖÖÖ“, mein Hinweis, er solle bitte aufstehen und sich ordentlich verabschieden, wurde pariert mit „Das macht man so als Teenager, da hast du keine Ahnung von“ und vielleicht muss ich mich einfach nicht überall einmischen. Auch, wenn das nicht so mein Naturell ist.