Sehr komischer Tag heute. Eventuell ein schlechter, eventuell auch nicht, es ist alles sehr diffus, man kann es kaum unterscheiden.
Gestern tat ich etwas, was spätestens seit Pandemie gar nicht mehr oft in meinem Leben vorkommt: Ich ging in ein Geschäft und kaufte etwas, was nicht in den Kühlschrank muss. Ich bin eigentlich komplett entwöhnt, und selbst, obwohl ich mitten in einer sehr großen Stadt lebe, was ich immer sehr zu schätzen wusste, weil es fast alles vor Ort gibt, stellte ich irgendwann fest: Nein, es gibt natürlich mehr, als in Oer-Erckenschwick (mit c?, ach egal), aber natürlich wiederum nicht alles. Es gibt viele Schuhe, aber vielleicht genau die, die ich gerne hätte, nicht in meiner Größe oder Farbe, ähnlich bei Kleidung, ich trage ja gerne immer das Gleiche, dafür dann vielleicht in Schwarz und einem frischen Dunkelblau, und wenn ich direkt im Onlineshop des Herstellers gucke, gibt es da einfach alles, was im Sortiment ist, nicht das, was irgendeine Filialleiterin eines Kaufhauses gut findet. Schuhe für Herrn H gab es auch vor der Pandemie nur in zwei Schuhgeschäften in Düsseldorf, immerhin, in anderen Städten vielleicht gar nicht, aber spätestens 2024, wo man Handballschuhe in Größe 49 braucht, lohnt es sich nicht mehr, auf der Suche das Haus zu verlassen. Nehme ich an.
Gescheitert bin ich beim Onlinekauf von Kaffeetassen, die mir gut gefielen. Ich sah irgendwo nämlich welche von Pantone, in schönen Pantone Farben, mit der Pantone Nummer drauf. So, unbezahlte Werbung: Check. Ich bestellte also ein kleines Format im Internet, weil meine momentanen Kaffeetassen daran kranken, dass sie zu groß sind für das, was ich trinke, nämlich einen Espresso mit ein wenig Milchschaum, und dann ist die Tasse morgens nicht mal halb voll, das störte mich immens. Die Pantonetassen kamen und waren zu klein. Zwar nur ein ganz kleines bisschen, es hätten etwa 10 ml mehr Milch reingemusst, um perfekt zu sein, so musste ich also wählen zwischen guter Mischung in zu großer Tasse und schlechter Mischung in zu kleiner Tasse. Ich trank also wieder aus zu großen Tassen. Dann recherchierte ich weiter, fand das Modell „Macchiato“, dieses Mal ohne Henkel, fand ich auch schick, verglich Füllmengen und kam zu dem Entschluss, dass das genau das ist, was ich brauche. Ich bestellte die, sie kamen an, und dann war ich erstaunt, sie waren nämlich exakt so groß wie das erste Modell, nur ohne Henkel. Gut. Ich fand sie aber sehr schön und behielt sie dennoch, trank aber weiter aus der zu großen Tasse. Dann recherchierte ich wieder, kam zu dem Entschluss, dass offensichtlich jemand einen Fehler gemacht hatte und bestellte die gleichen Tassen noch einmal bei einem anderen Händler. Es kamen wieder zu kleine, dieses Mal schickte ich sie zurück und gab auf.
Dann war ich neulich in einem schicken Dekoladen, weil Herr H dort ein Geschenk suchte, und da standen exakt die Tassen, die ich haben wollte. Ohne Henkel, perfekte Größe. Allerdings waren wir mit der Bahn unterwegs, bereits sehr bepackt und hatten noch mehrere Anlaufstellen vor uns, also merkte ich mir den Laden und beschloss, zurückzukommen. Wir spulen zwei Monate vor, die Straße ist nämlich belebt und liegt wirklich nicht auf irgendeinem natürlichen Weg, den ich normalerweise zurücklege, und mit dem Auto wollte ich auch nicht hinfahren etc., jedenfalls ergab sich gestern dann die große Möglichkeit: Mein Auto musste in die Inspektion, ich bekam einen Smart als Leihwagen, war eh in der Nähe und fuhr zu dem Laden und parkte in einer winzigkleinen Parklücke. Dann kaufte ich vier Tassen, darunter die in der „Farbe des Jahres“, die anderen drei in den immer verfügbaren Standardfarben, fuhr nach Hause und stellte sie in die Spülmaschine. Soweit, so gut.
Heute morgen räumte Herr H die Maschine aus und sagte „oh“, so, wie er oh sagt, wenn etwas Schlechtes passiert ist. Die Farbe des Jahres sah nämlich so aus:
Ja richtig. 24,95 Euro für eine weiße Tasse, auf die eine bunte Folie geklebt wurde. Ich war schon ein wenig erstaunt. Unter der Tasse steht übrigens – im Gegensatz zu den anderen 15 Pantonetassen, die ich bereits sehr erfolgreich maschinell gespült habe – dass sie nicht spülmaschinenfest ist. Und ja, mein Fehler, ich werde zukünftig einfach jedes Mal, wenn ich das 16. Exemplar des gleichen Modells kaufe, das gesamte Objekt danach absuchen, ob sich dieses jetzt vielleicht vollkommen anders verhält, als die 15 Exemplare davor. Warum nicht. Dann geht der Tag auch schneller rum.
Jedenfalls konnte ich dann irgendwann mein Auto wieder abholen, eine große Inspektion kostet bei diesem Auto soviel wie ein Ölwechsel beim letzten, das war schön, zumal man mir einen Betrag angekündigt hatte und dann 150 Euro drunter lag. So geht Kundenzufriedenheit. Als ich den (scheinbar sehr alten) Smart wieder los war, war ich auch sehr zufrieden, denn nicht nur roch das Auto unfassbar streng nach Vanille-Duftbaum, ein Geruch, den ich insgesamt nicht gut leiden kann, es war auch aus einer prähistorischen Zeit, als noch nichts im Auto elektronisch war, was auch lustig ist, ich habe ja nun die längste Zeit Autos gefahren, die nichts können außer Fahren, aber die Umstellung war anstrengend, ich wollte immer mit der Colaflasche den Gang wechseln (es gab nämlich einen Flaschenhalter, immerhin!), und wenn ich stand und losfahren wollte, wischte ich immer und erschrak mich dabei, da der Hebel, an dem ich bei meinem Auto Vorwärts und Rückwärts auswähle, leider in diesem Auto der Scheibenwischer war, naja, und dann ist der Geräuschpegel in so einem Benziner auch inzwischen sehr ungewohnt. Andererseits ein schöner Moment. Als ich mein eigenes Auto wieder bestieg, das einfach nach nichts riecht und leise losrollt, fühlte ich mich sehr bestärkt in dem Gedanken, neulich eine sehr gute Entscheidung getroffen zu haben. Ist ja auch mal schön.
Und dann telefonierte ich noch lange mit meiner Schwester. Ihr Mann hat die Entscheidung getroffen, aus einem Krankenhaus in ein Hospiz umzuziehen, und so abrupt, wie dieser Satz auf Sie wirkt, ist er für uns ja nicht sehr abrupt, in mir löst er sehr viel Erleichterung aus. Ich denke noch oft darüber nach, wie falsch ich die Entscheidung meiner Eltern, dass mein Vater zuhause bleibt, fand, ich denke, er hätte sich viel Leid ersparen können. Das wünsche ich meinem Schwager auch.
Und damit gehe ich jetzt schlafen und denken. Dienstag habe ich mich mit einem Freund, den ich vor vielen Jahren als Wettbewerber kennengelernt hatte und der seitdem ein enger Vertrauter geworden ist, zum virtuellen Kaffee getroffen, und aus der anberaumten Stunde wurden fast fünf, wir sprachen über Job und Leben und Zukunft und alles. Wir sprachen über Sparen und Ausgeben, über Altersvorsorge und wie wichtig das alles ist. Ein gemeinsamer Verbandskollege war gerade gestorben. Und während ich viel Zeit und Energie darauf verwende, sicherzustellen, dass ich mit 80 noch gut zurecht komme, stellte sich kurz die Frage, ob man nicht lieber jetzt leben solle. Und ich möchte nicht falsch verstanden werden: Ich lebe auch jetzt gut, aber die großen Sachen, die man noch machen möchte, vielleicht sollte man die einfach machen.
So verliere ich bald den zweiten Schwager, bei zwei Schwestern auch kein guter Schnitt. Wir fahren dennoch Ostern an die Mosel, allerdings nicht in Fahrgemeinschaft, weil sie natürlich auf Abruf ist. Und vielleicht ist das schön. Denn wir haben ja uns, das war in den letzten Wochen oft wichtig.
Der erste Gedanke beim Lesen „Wer bitte zahlt 24,95 Euro für so eine Tasse?“ ist gen Ende hinfällig.
Würdiges Sterben, was auch immer das für den Einzelnen heißt, finde ich immens wichtig. Möge das für den Schwager gelingen. Und es klingt, als würde die Schwester damit nicht alleine dastehen. Alles Gute für diese schwere Zeit!
Unbedingt jetzt leben, mit allen Kräften.
Wir beerdigen an Gründonnerstag meine Nichte, keine 40 Jahre alt geworden. Damit hatte keiner gerechnet, sie am Allerwenigsten. 20 Tage von Arztbesuch bis sie für immer einschlief. Die Rücklagen helfen jetzt nur den Hinterbliebenen, damit sie sich jetzt Zeit zum Trauern nehmen können ohne durch Arbeitsausfall in finanzielle Nöte zu kommen. Wenigstens etwas.
Dem Schwager und allen, die es betrifft, wünsche ich genügend Zeit zum Abschied. Gut wenn die Familie zusammensteht.
„Wir haben ja uns“ ist gut, wenn nicht dass beste, für alle, die am Ende bleiben. Und eine soweit wie möglich selbstbestimmte und würdige Zeit ist ganz bestimmt gut für den Schwager. Mein Schwager hatte im Hospiz die bestmögliche Zeit des Abschieds von Frau, Tochter und allen anderen. Das wünsche ich ihnen allen auch.
Uff…
Diese Panetone-Tassen verbinde ich immer mit Düsseldorf, weil es früher in der Nähe vom Markt einen Laden gab, da gab es die und woanders her kannte ich sie nicht.
Kaufen sie jetzt noch eine nach? Weil drei Tassen würden mich ärgern 😉
Ich wünsche ihrer Schwägerin, dem Schwager und der restlichen Familie eine irgendwie so gut wie mögliche Zeit, und eine gute Begleitung.