Dritter Tag. Von Frau Novemberregen lernen ist von der Besten lernen, entsprechend habe ich heute das gemacht, was sie machen würde und habe mich einfach mitten in die Situation geworfen. Ich löse die Spannung sofort auf: Hat geklappt. Alles eine Frage der Haltung, und natürlich hätte ich mich jetzt die ganze Zeit über die doofen Leute – die ja vielleicht in der Unterzahl sind, das weiß man ja gar nicht – aufregen können, alternativ kann man es sich auch von der Seele bloggen und sich dann in die Situation werfen und Alternativen bedenken.
Es ging morgens los. Aus Versehen habe ich bis nach 8 geschlafen, also konnte ich folgerichtig keine akzeptable Liege an der Strandhölle erwarten, dafür hätte ich wie gestern spätestens um 7 beim Frühstück sein müssen. Also neu überlegt, der Teenager musste noch schlafen, also ging ich schon mal vor zum Frühstück, und auch da war klar, dass es keinen schönen Tisch mehr auf der Terrasse geben würde, war aber egal, ich überlegte kurz, was mir morgens vor 9 wichtig ist, und stellte fest: Ich möchte morgens vor 9 keinen Smalltalk mit fremden Touristen halten, und ich möchte morgens vor 9 mehrere Kaffees trinken, zuhause lustigerweise nicht, zuhause würde ich aber ja sowieso überhaupt nicht auf die Idee kommen, vor 9 unter Menschen zu gehen, schon gar nicht, um mit ihnen gemeinsam zu essen. Oder überhaupt zu essen. Ich entschied also, dass ich in einem der vier Restaurants frühstücken würde, und zwar in dem, das direkt vor der Kaffeemaschine war. Dort saßen ein paar Drinnies, die alle nicht reden und nah an der Kaffeemaschine sitzen wollten, und dann war alles schön.
Während des Frühstücks dachte ich darüber nach, was jetzt eine gute Location für uns sein könnte, an der wir unbehelligt von schlechten Touristen den Tag verbringen könnten. Ich nahm mir im Drinnierestaurant die Zeit für einen ausgeklügelten Entscheidungsbaum und kam zu folgendem Ergebnis:
Es gibt einen großen Spaßpool und einen kleinen Sportpool. Am Spaßpool wollen alle Menschen in der ersten Reihe liegen, dann liegen sie da 10 Minuten, den Rest des gesamten Tages liegen nur ihre Handtücher und ihre Sonnenmilch dort, dann muss ich mich wieder die gesamte Zeit über doofe Menschen aufregen, außerdem sind da sehr viele Kinder – verstehen Sie mich nicht falsch, das ist völlig okay – aber am Vortag hatten wir festgestellt, dass die ein Spiel spielten, das ich nicht kannte, Jonathan hingegen doch, jedenfalls gibt es sicherlich irgendein Ziel und einen Sinn des Spiels, Hauptsymptom ist jedoch, dass die eine Hälfte der Kinder die ganze Zeit Marco brüllt, die andere Hälfte brüllt dann Polo, und irgendwann vergeht mir die Lust am Zuhören, das hatte ich am Sonntag binnen 5 Minuten verstanden. Zur Poolbar muss man über eine Brücke, das kann man machen, aber machen wir uns nix vor, man muss über eine Brücke. Bei näherem Drübernachdenken war mir gar nicht klar, warum wir da überhaupt liegen wollen würden. Das war schon mal raus.
Am Strand das Problem mit den Liegen, das Problem mit dem DJ, das Problem mit den doofen Leuten, und das Problem, das ich gestern nicht angesprochen hatte: Der beschwimmbare Bereich ist etwa so groß wie mein Wohnzimmer. Wenn man diesen Bereich verlässt, wird man sofort zurückgepfiffen, und das ist auch okay, sonst wird man nämlich von irgendeinem Doofmann mit dem Jetski überfahren. Unser Lieblingsmeer ist ja an der Costa Brava, an dem kleinen Privatstrand, wo wir oft hingefahren sind. Da gibt es nix, also doch, Meer und Strand und Felsen, unsere Lieblingstätigkeit ist dort, mit Luftmatratzen wirklich weit rauszuschwimmen und da dann zu, naja, chillen. Und einfach von der einen Bucht zur anderen Bucht zu schnorcheln. Das geht hier alles nicht, man muss im Wohnzimmer bleiben, und naja, das ist hier alles nicht Brava, das ist Lame. Sich dafür dem Liegenterror aussetzen, scheint mir nicht nötig.
Viel passgenauer für uns schien mir die Alternative, die nur wenige wählen, morgen muss ich mal aufpassen, ob das die gleichen Menschen sind, die morgens im Drinnierestaurant frühstücken. Grenzend an den großen Pool, getrennt durch die Brücke und ohne direkte Verbindung, befindet sich der Sportpool. Ein klassischer 50 Meter Pool, leider nur 1,35 tief, aber okay, das kann ich verschmerzen, dafür an den Kopfenden jeweils ein Tor fest installiert. Meine Theorie war ja die: Wir legen uns auf dort auf Liegen, die ja sehr einfach verfügbar sind, da ja alle am Strand oder am großen Pool liegen wollen, dann haben wir nur 20 Sekunden Fußweg zur Poolbar, außerdem sehen wir sofort, wenn es andere Teenager gibt, die Wasserball spielen, und dann kann der eigene Teenager sich überlegen, ob er teilnehmen möchte oder liegen und wachsen. Also ging ich nach dem Frühstück dorthin, es gab zwei Reihen Liegen, die erste war besetzt, mit Menschen mit Teenagern, die fremdsprachige Bücher lasen, die zweite Reihe war noch unangetastet, zack, der nächste Entscheidungsbaum und ich wählte den perfekten Platz. Zwei Liegen, die an ein Liegenloch in der Mitte grenzten, also keine Liegennachbarn, aber auch keine Liege mehr zwischen uns und Pool, also quasi erste Reihe in zweiter Reihe. Der Teenager kam, war begeistert, und bereits wenige Minuten später kam eine Gruppe junger Menschen, die Wasserball mit einer Animateurin spielen wollten. Das war die Gruppe 11 bis 13, Jonathan fragte, ob er mitspielen dürfe, er durfte, und dann war ich kurz uncool, aber er hat mir bereits verziehen. Ich war nämlich bereits im Pool, er fragte, ob er mitspielen dürfe, die Animateurin schickte ihn ins Tor, die Tore sind angemessen niedrig, und dann stand er mit 1,90 in 1,35 Wassertiefe mit seinen langen Armen in dem Tor, und die gegnerische Mannschaft tuschelt „Boah, voll unfair, das ist ja total gemein, wenn der im Tor ist“, und dann der Moment der Uncoolness, ich schwamm vorbei und rief: „Der ist Handballer, das ist für euch noch viel gemeiner, wenn der im Feld spielt.“ War schnell alles verzogen, dann wurden die Mannschaften neu gewählt, ein Phänomen, das ich aus meiner Jugend gut kenne. Wenn irgendein Ball geworfen werden musste, wurde ich immer als Erste gewählt, in allen anderen Fällen als Letzte, naja. Den Leuten, die damals zu uns sagten „aber es ist doch viel praktischer, wenn ein Kind Fußball spielt, Fußball geht immer“ möchte ich an dieser Stelle Folgendes sagen: Ätsch.
Irgendwann kam er wieder auf die Liege, dann zogen wir uns um, dann gingen wir pünktlich zum Öffnen der Restauranttüren essen – das ist der allergrößte Nachteil an Alleinreisen mit Teenager, ich muss immer die allererste am Buffet sein, und dann wird sehr schnell gegessen, und dann will er wieder weg, ich würde das ja anders machen, ich würde gegen Ende zum Essen gehen, wenn ich vielleicht sogar Hunger habe, aber nein, so gibt es also früh Essen, wie damals, mit so einem Dreijährigen. Und dann setzten wir einen perfiden Plan um und kauften einen Ball. Die Idee war: Jonathan hat keine Lust, an organisiertem Entertainment teilzunehmen, eigentlich will er Wasserball spielen und ganz oft Digger sagen, und wenn man vielleicht mit einem Ball im Pool steht, kommen dann andere Teenager, die auch nur mit einem Ball rumdödeln wollen. Perfekt geklappt. Ich kaufte für 3 Euro einen Ball und für 25 Euro eine Sonnenmilch, ja, Sie haben richtig gelesen, das war das, was es gab, und dann warfen wir abwechselnd auf das Tor, dann kam zwei Minuten später eine Handball spielende Teenagerin von einer Liege und fragte, ob sie mitspielen dürfe, dann kamen ihre Geschwister, dann kam plötzlich die gesamte Gruppe der 14 bis 17Jährigen, alle wollten Ballspielen, also legte ich mich auf die Liege und guckte mir das alles an. Sehr schön. Die anderen Jungen heißen Digger, Digger, Digger, Digger, Digger und Digger, Jonathan hieß „Ey Handballer“, und dann spielten sie, dann kam er irgendwann zur Liege und sagte: „Ich geh mal mit den Jungs“ (bitte ergänzen Sie hier irgendwas, was da hinpasst), und dann hingen sie ein bisschen im großen Pool, dann gingen sie zum Meer, dann hingen sie wieder im großen Pool, dann hingen sie wieder im Sportpool mit dem Ball, das kriegte ich aber schon nicht mehr mit, weil ich ja wusste, dass er um 19 Uhr wieder ganz schnell ganz viel essen möchte, also ging ich duschen, irgendwann kam er duschen, redete irgendwas von „mit den Jungs“, dennoch konnte ich ihn überreden, noch mit mir zu essen, wir bekamen einen schönen normalen Tisch draußen, dann setzte sich eine Familie dazu, die mir extrem bekannt vorkam, ich traute mich aber nicht, zu fragen, dann stellte sich heraus, dass wir letztes Jahr gemeinsam auf Fuerteventura waren, dann verglichen wir Clubs (letztes Jahr war besser, aber das überrascht Sie jetzt nicht) und tranken dabei Wein, weil das heute wieder erlaubt war, und jetzt sitze ich alleine am Pool, also nicht alleine, da sitzen Viele, aber ich sehe aus wie ein Mensch, der tippt, und gleich benutze ich sehr teures Roaming, um das zu senden, denn es ist ja nie alles gut, heute war der Tag ohne WLAN.
Ich kann jedenfalls abschließend sagen: Wenn man sich einfach nicht in den Irren-Hotspot begibt, sondern an den Sportpool, dann ist sofort wieder alles sehr schön, und wenn jetzt das WLAN wieder repariert wird, dann muss ich eventuell gar nicht abreisen.
Es gibt also Hoffnung. Ich muss jetzt noch drei Dinge erreichen, zusätzlich zu den vielen Dingen, die ich bereits erreicht habe in den zwei Urlauben mit Teenager ohne Mann. Er kann bereits: sich sehr gut an Absprachen halten, sowohl am Flughafen als auch vor Ort, er kann 2023 nach Vorab-Klärung in Düsseldorf seinen Koffer direkt bei Anreise auspacken und die Dinge sinnvoll im Schrank anordnen, jetzt fehlt noch: freiwilliges Tragen einer Kopfbedeckung mittags um 1 in Afrika, wenn man quasi keine Haare hat, was natürlich schwierig ist, wenn man sich ohne Absprache mit den Eltern so coole Eminemhaare gefärbt hat, dann wäre es schön, wenn wir nicht immer die Allerersten am Buffet sein müssten, ich sehne mich nach einem kleinen Hungergefühl, und das dritte hab ich jetzt vergessen.
wir haben in den für uns neuen baden-württembergischen Pfingstferien den ersten Anlagenurlaub absolviert und fühlen mit. Die Töchter haben das Zielalter für das türöffnende 16 um knappe 10 Tage verfehlt, schade, nichts zu machen, it‘s the law. (mangels interessierter interessanter ähnlichalter Peers wurde der Focus auf die Servicekräfte gelegt)
Ich konnte durch Vorlesen der Erlebnisse sympathisierend-verbindende Fröhlichkeit erzeugen. Danke dafür. Jetzt fragen sie täglich, ob’s was Neues gibt.
Bloggt eigentlich diese Frau nicht mehr, ist nach dem WLAN auch das Roaming kaputt gegangen oder gab es einen unglücklichen Zusammenstoß zwischen dem Tim & Struppi-Mann und einem handballfest geworfenen Ball (Really!?!), der die lokalen Behörden noch beschäftigt? Der geneigte Leser wartet gespannt auf die Fortsetzung aus Djerba. 😉 🙂