Wenn Sie sich fragen, warum ich heute schon wieder über die Situation in meinem Schlafzimmer schreibe und es zudem immer nur um Bettwäsche oder Mobiliar geht, ob ich denn wohl keine anderen Probleme hätte, kann ich an der Stelle sagen: Nein. Ich habe heute keine anderen Probleme, und das ist ja erst mal sehr gut. Ich für meinen Teil bin damit sehr zufrieden. Andere Leute sprechen ja auch die ganze Zeit über vollkommen belanglose und uninteressante Dinge, zum Beispiel, ob irgendjemand in irgendein Land einreisen darf, um da irgendeinen Sport zu machen. Ich sage Ihnen, wie ich mich dem Thema nähere: Man darf in das Land nur geimpft einreisen, wenn man nicht geimpft ist, darf man nicht einreisen, mehr muss ich nicht wissen und mehr interessiert mich auch nicht. Gestern versuchte Herr H. kurz, das Thema bei mir zu platzieren, und meine Reaktion war unangemessen laut. Es gibt so viele Probleme in der Welt, ob irgendein Multimillionär seinem Sport nachgehen darf oder nicht, rangiert für mich weit unter der Relevanzschwelle, bei der ich zuhören möchte.
Viel relevanter für mein Leben zum Beispiel ist ja, dass ich das Projekt Bettwäsche ja erfolgreich abgeschlossen habe, und noch immer freue ich mich drastisch über die neuen Möbel im Wohnzimmer, die Form und Funktion in meinen Augen perfekt kombinieren und die mein Leben auf eine erstaunliche Art und Weise verändert haben. Allein die Anwesenheit eines Sofas führt dazu, dass immer alle darauf sitzen, und die Anwesenheit von über 20 Schubladen und einem Vielfachen an abgeschlossenen Schrankfächern führt dazu, dass grundsätzlich überhaupt nie mehr aufgeräumt werden muss, da ja immer einfach alles wieder sofort an seinen Platz sortiert wird. Nun gut, von mir, da ich aber ja immer da bin, fällt das zeitlich nicht ins Gewicht. Fällt also zum Beispiel der Satz – soeben passiert – „die Nachbarn kommen um 7 und fragten, ob es Abendessen gibt“ führt zu exakt gar keiner Reaktion, es muss ja nichts gemacht werden. Das ist sehr schön.
Abgesehen von der Bettwäsche ist mein Schlafzimmer derzeit ein uneingeschränkt trauriger Ort. Als ich vor 6 Jahren die Grundrisse für Schlafzimmer/Kinderzimmer/Bad plante, war der Gedanke, dass so ein Kind in seinem Kinderzimmer wohnt, die Mutter in ihrem Schlafzimmer nur schläft, und da es Fenster zu verteilen gab, kriegte das Kind 2, die Mutter 1, was zu einem sehr schlechten Zuschnitt im Schlafzimmer führte. Und – Sie hatten das System schon verstanden – ich hatte noch Sachen aus dem Studium übrig, die erstmal dort geparkt wurden, mit dem 2015 fest vorgenommenen Vorsatz: Über die Möbel mach ich mir mal Gedanken, das kann ja so nicht bleiben. Der Raum ist verwinkelt und klein, dafür sehr hoch, darin stehen zwei wirklich nicht mehr schöngefundene Kommoden aus Schweden, die ganz hervorragend noch schlimmere Möbel im Wintergarten ersetzen könnten und ein schlimmer Kleiderschrank, ebenfalls aus Schweden, mit schlimmen Glasschiebetüren. Ich hasse alles daran, insbesondere das Sarg-Gefühl, wenn man im Bett liegt und weiß, dass man im Falle eines Erdbebens vermutlich tot sein wird, da der Schrank… egal, schlimm.
Kleiderschrank ist so eine Sache, die, ähnlich wie Sofa, nie für mich passt, wenn sie im Laden steht. Ich habe in 30 Jahren Kleiderschrankerfahrung über mich gelernt, dass ich einerseits einen sehr ausgeprägten Hang zu Struktur und Ordnung habe, es andererseits an keiner Stelle geschafft habe, mit verschiedenen Ordnungsvarianten die Übersicht über verschiedene Themengebiete zu behalten. Mein Schrank ist 60 tief, und das ist absoluter Unsinn. Ich brauche keine 60 tief. Ich falte meine Pullover sehr ordentlich, und was ich dann brauche, ist quasi ein quadratisches Fach, in das genau ein Stapel Pullover passt. Von diesen Fächern brauche ich allerdings viele, ich habe nämlich Kohorten. Wollpullis Ringel, Wollpullis schwarz, Wollpullis High End, das sind schon 3 identische Fächer. Die Kohorten zu vermischen ist mir nicht recht. Gleiches System für Longsleeves. Jeans blau, Jeans schwarz, Jeans für gut. Sind schon 9. Dann T-Shirts. Und diverse andere Dinge. Ich brauche viele Fächer und zwei Kleiderstangen für Blusen. Eventuell noch eine für Kleider. Und viele Schubladen, meine Unterbekleidung unterliegt natürlich auch einem sehr kleinteiligen System.
Darüberhinaus möchte ich in diesem kleinen, verwinkelten, absurd hohen Raum kein Möbel mehr über meiner Sichtachse, und schon gar keins mehr, das 60 tief ist. Ich kürze ab.
Ich hatte die Idee, einfach ein halbes Wohnzimmerregal zu kaufen und das einfach mithilfe einer improvisierten Kleiderstange zum Schrank umzufunktionieren. Und das mache ich jetzt. Zwei Tage lang habe ich Kleidungsstücke vermessen, Pullistapel ins Wohnzimmer gebracht, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viele Fächer ich brauchte und ob mit meiner üblichen Falttechnik die Tür zu geht, habe Wäsche sortiert um zu gucken, ob ich mit 12 oder doch lieber mit 16 Schubladen (zu Lasten eines guten Laufweges) rechnen sollte, habe die alte Kommode vermessen um zu berechnen, ob ich für eine Kommode, das ist der Ort, wo ich Wäsche falte, Füße oder keine Füße brauche, um mich nicht bücken zu müssen, da ich natürlich auch in diesem Fall wieder nur für die Ewigkeit kaufe, und in der Ewigkeit kann ich mich eventuell nicht mehr gut bücken, habe Kleiderbügel in das Wohnzimmerregal gehalten um zu gucken, wie breit die maximal sein dürfen, um nicht abgestoßene Ecken an der Kleidung zu riskieren UND habe meine längste Seidenbluse vermessen, und raus kam exakt eine einzige allerbeste Lösung:
„Schrank“, 1,57 hoch, 4,21 lang, 47 tief
Kommode, 91 hoch zum Falten
Und ein Nachttisch auf sehr hübschen Rollen, den ich exakt jetzt zwar schon so habe, aber in hässlich und beschädigt
In 9 Wochen werden die Sachen geliefert, zusammenbauen wird irgendjemand selber, und dann ist das Thema auch durch. Dann liegt es alles nicht mehr an den äußeren Umständen. Wenn ich dann noch nicht schlafen könnte, läge es wohl an mir.
(Und wenn Sie noch immer keine Aktien des Unternehmens kaufen, sind Sie langsam wirklich selber schuld. Offensichtlich habe ich komplett die Kontrolle verloren.)