Dieses neue System mit dem freien Wochenende bekommt mir ganz hervorragend. Es stellt sich heraus, dass ich wohl ab Freitagmorgen zukünftig in völliger Euphorie sein werde. Freitag aufwachen und Euphorie, dass gleich Wochenende ist, Samstag aufwachen und Euphorie, dass jetzt Wochenende ist, Sonntag aufwachen und Euphorie, dass immer noch Wochenende ist. Heute wachte ich um 6.45 auf (da schellt üblicherweise nebenan Jonathans Wecker) und war ein bisschen traurig, dass ich nicht arbeiten darf, wenn ich nämlich exakt eine Stunde lang drei kurze Sachen machen würde, könnte ich dann sehr entspannt in den Montag starten, und dann fiel mir ein, dass ich ja erwachsen bin und das große Motto Entspannung lautet, und wenn es zu einem weiteren sehr entspannten Tag beiträgt, kann ich ja einfach selber entscheiden, eine Stunde zu arbeiten. Außerdem musste ich ja noch eine Maschine Wäsche ruinieren, win win (rotes Kleid mit mehreren Ringelshirts gewaschen, jetzt rosa Ringel).
Freitag trank ich viel Cremant mit einem Modedesigner. Ja, einem richtigen, aber der Sorte, die mir vorher gar nicht so präsent war. Ich kenne (nicht persönlich) die Sektion Coco Chanel und Karl Lagerfeld, das ist vermutlich auch de Kohorte, die mir als erstes einfällt, wenn das Wort fällt. Und dann kenne ich (doch persönlich) noch den ein oder anderen Menschen, der an irgendeiner HSK Modedesign studiert hat und jetzt Röcke in kleinen hippen Läden verkauft und mit Kohleofen seine zugige Altbauwohnung heizt. Jetzt kenne ich noch eine dritte Variante: Ich weiß nicht, ob Ihnen das so klar war, aber irgendjemand muss ja auch die T-Shirts für all die Ketten mit den vielen Filialen entwerfen. Oder – in diesem Fall – Röcke und Anzüge.
Ich hatte alle Fragen. Alle. Und ich habe viel gelernt. Da ich so aufgeregt war, dass ich jetzt alles erfahren kann, was ich schon immer wissen wollte, habe ich ein Feuerwerk an Fragen absondert und leider zwar alle Antworten verarbeitet, mir aber nicht genug gemerkt, um das interessant aufschreiben zu können. Ich denke aber, die wichtigsten Infos für Sie sind die folgenden drei Punkte:
1) Sandalen mit Socken geht jetzt, wegen der Prada Show letztes Jahr.
2) Italien ist das Bangladesh Europas.
3) Wenn Sie Größe 40 tragen und eine Hose in Größe 40 anprobieren, die Ihnen nicht gut passt, was Sie traurig macht, weil Sie die so schön finden, nehmen Sie zur Sicherheit noch mal eine weitere in Größe 40, die kann nämlich dann doch passen. (Sehr lange Erklärung zu den Nähten und dem Effekt, wenn eine Näherin bei jeder Naht 2 Millimeter zugibt. Ergibt alles sehr viel Sinn, war ich nur nie drauf gekommen.)
Meine lebenslange Frage, warum blaue Jeans immer weiter sind als schwarze Jeans wurde beantwortet (Elastizität nimmt mit zunehmender Pigmentierung ab), und in der jetzigen und der letzten Marke, für die er designte, sind alle Teile ab Größe 42 „Schmeichelgrößen“, heißt, dass der Weitenzuwachsschritt größer ist als in den Größen darunter.
Irgendwann hob ich meinen Arm, er sah (ja, ich fühlte mich *sehr* beobachtet kleidungstechnisch) einen sehr smarten Abnäher am Ringelwollpulli und sagte: „Oh, der Abnäher ist smart. Das ist nicht irgendein Pulli.“ Ich stimmte zu, wir besprachen meine favorisierte Marke nicht irgendeiner Kleidung (fand er toll), dann sprachen wir über günstige und teuere Mode, dann sprach ich über Jeans und mein Konzept, eine zweistellige Anzahl gleicher Jeans zu haben, wenn man einmal zufrieden ist, dann kann man ja auch einfach jeden Tag die angenehmste Jeans tragen, dann lehnte er sich nach vorne, sah mir fest in die Augen und sagte mit sanfter, tiefer Stimme: „Und wenn die eigentlich 2 inch zu lang ist?“ und dann ging ich nach Hause.