Ich beschwere mich hier ja häufig, irgendwann erfand mal jemand das Wort „Befindlichkeitsbloggen“, das findet hier ja seit geraumer Zeit statt. Meine heutige Befindlichkeit kennen Sie, wenn Sie schon seit der Geburt des Kindes vor 14 Jahren schon: Senioren. Hätte ich damals geschrieben, heute schreibe ich Senior:innen. Schlimm, ich kann nicht mit ihnen umgehen.
Manchmal gibt es ja diese Analogie, dass das Kümmern um kleine Kinder und das Kümmern um alte Eltern eigentlich fast gleich ist – ich habe heute eine weitere Parallele entdeckt. Nach Onas Geburt hing ich ja viel mit dem Kinderwagen in der Stadt rum, von einem Wickeltisch zum nächsten Cafe mit gemütlichen Sesseln mäandernd. Damals habe ich häufig darüber geschrieben, dass Senior:innen mich nerven, denn ja, die Uhrzeiten, zu denen ich in der Mayerschen Buchhandlung einen Kaffee trinken wollte, schränkte die Gruppe derer, die auch gerade da sein wollten, sehr ein, faktisch sind dienstags um 11 ja nur Neueltern und Rentner:innen unterwegs. Letztere haben mich sehr aufgeregt. Permanent ungefragtes Betatschen vom Säugling, kaum hatte ich mich umgedreht, fummelten irgendwelche Tosca-Finger im Gesicht vom Kind rum. Oder der permanente Run auf den Aufzug, nie sah ich Damen über 80 so schnell flitzen, wie wenn sie Angst hatten, dass ich mit dem Kinderwagen vielleicht auch in den Aufzug wollen könnte. Alles schlimm, aber gut, ich habe mich ihnen ja jetzt 14 Jahre angenähert, das Kind ist inzwischen so groß, dass eh keiner mehr ans Gesicht kommt, außerdem kann er schnell laufen und sprechen, ich muss mich damit nicht mehr beschäftigen.
Jetzt gehe ich also mit meiner Mutter zum Seniorensport. Schrecklich, aber gut, meine Mutter war so neidisch auf meine Aquasport-Erlebnisse, dass ich ohne nachzudenken fragte, ob sie mal mit mir zur Senioren-Wassergymnastik gehen wollte, sie wollte, also gingen wir heute morgen ins Hallenbad. Viel zeitlicher Puffer muss eingeplant werden, denn meine Mutter ist seit ihrem Unfall nicht mehr gut zu Fuß, Umziehen dauert auch lange (eventuell sogar noch länger, wenn man zwar den Tip gegeben hat, den Badeanzug schon mal drunter anzuziehen und Wäsche für hinterher einzupacken, allerdings vorausgesetzt hatte, dass die 83Jährige nicht in komplettem Zwiebellook mit allein schon drei Lagen Oberteil, also Badeanzug, Achselshirt, T-Shirt, Strickjäckchen, dann komplizierte Schuhe, dafür dann aber zum Glück den Schuhlöffel mitgenommen, egal, ich kürze ab: Nächste Woche Anweisung: Badeanzug drunter, eine Hose und ein Oberteil drüber, besser noch: ein Kleid.)
Das Hallenbad ist schrecklich, es sollte bereits 2020 abgerissen werden, aber irgendwie hat die Stadt das wohl vergessen, der Kurs ist aber praktisch zeitlich und örtlich gelegen. Wir waren 45 Minuten vor Kursbeginn schon im Wasser, meine Mutter fühlte sich unwohl, hat ein bisschen Angst vor Wasser und hat Probleme mit Schwindel und solchen Dingen, also parkte ich sie am Beckenrand, um sich zu gewöhnen und schwamm Bahnen. Mit der Zeit kamen etwa 15 Frauen ihres Alters, die alle fitter waren, man unterhielt sich kurz, ich schwamm Bahnen, irgendwann bekam meine Mutter vom Bademeister eine Poolnudel, damit sie keine Angst hat, umzufallen, und dann besprachen wir, dass ich einfach bei der Gymnastik neben ihr stehen bliebe, um sie festzuhalten.
Das störte die anderen Teilnehmerinnen, wir sollten nach rechts, nach links, „bitte nicht an der Leiter festhalten, dann sehe ich nicht gut“ (???), ich wurde mehrfach von hinten darauf hingewiesen, dass man mindestens 2 Meter Abstand halten müsse (ich hielt außer zu meiner Mutter, die ich *festhielt*, zu allen Personen mindestens 4 Meter Abstand, aber es geht ums Prinzip, man muss Abstand halten, immer, und die Düsen verstellen in der Dusche ist auch nicht erlaubt, äh doch, nein, das machen wir nie) und das für 15 alte Frauen, wenn wir dienstags dort den Kurs für junge Leute machen, sind wir gerne 40 und kommen uns nicht in die Quere. In dem gleichen Becken. Und dann nicht diese Affenmusik, machen Sie sofort die Musik aus, zu der wir hier turnen sollen, das ist ja schrecklich, so eine Affenmusik. Ich höre an der Stelle auf, aber das hat mich alles so genervt, dass wir nächste Woche in ein schönes, nagelneues Bad fahren. Herr H. meinte, als ich sehr auf 180 nach Hause kam, dass ich die Damen einfach hätte döppen sollen, dann hätten alle zum Frisör gemusst, dann wären sie aber still gewesen. Ich gab zu bedenken, dass ich dann vielleicht stadtweit Bäderverbot bekommen hätte, und dann hätte ich ja nicht mehr zu den Jungeleutekursen gehen können, und das wäre ja auch nicht hilfreich. Ich habe es dabei belassen, der allernervigsten Oma ganz freundlich zu sagen, dass ich ihr wünsche, dass sie niemals auf Hilfe Anderer angewiesen ist, und falls doch, dass ich ihr wünsche, dass sie jemanden hat, der mit ihr ins Hallenbad fährt, wenn sie es alleine nicht mehr kann. Vielleicht habe ich ihr was anderes gewünscht, aber das hätte ich ihr nicht gesagt. Was mit Döppen.