Ich bin komplett gerädert und saß den gesamten Tag mit Streichhölzern zwischen den Augenlidern in einer Reihe von Meetings. Schuld ist der Kater, der nämlich Frühling hat. 11 Monate im Jahr ist er sich selbst vollkommen genug, und wir alle schätzen ihn dafür. Emotionale Bedürftigkeit und der ungebrochene Wille, Aufmerksamkeit zu generieren, wird in diesem Haushalt nur bei einem einzigen Mitglied geduldet, und das ist der Hund. Ich bediene dieses Bedürfnis übrigens inzwischen in der Regel mit den alternierenden Sätzen „Wo ist der Ona?“ und „Gleich kommt der Ona.“ Damit fahren wir gut. Oskar liegt indes in seinem Körbchen und beobachtet uns gelangweilt. Zwischen März und September steht er auch schon mal auf und beobachtet uns vom Dach des Gartenhauses gelangweilt im Garten, dann wird es ihm zu ungemütlich und er geht wieder in sein Körbchen. So leben wir seit Jahren sehr gut zusammen, seit wir das Riesensofa haben, auf das Oskar darf, Fiene aber nicht, sitzt er auch schon mal mit Menschen auf der Couch, ich interpretiere das als Insignie seiner Macht.
Für eine sehr kurze Zeit entwickelt er jeden Frühling einen Liebesanfall, das kenne ich bereits, und ich hasse alles daran. Gestern war dieser Tag, heute liegt er wieder in seinem Körbchen, ich hoffe, es ist vorbei. Ich bin komplett übernächtigt, habe Bissspuren am Hals und Kratzer am linken Oberarm und Oberschenkel, derer viele. Es begann gestern morgen mit einem kleinen Nickerchen im Hundesofa, was dem Hund nicht weiter auffiel, da er für ein kleines Nickerchen im Kinderbett lag. Dann setzte der Kater sich irgendwann neben mich, als ich im Sessel saß, dann saß ich am Schreibtisch, er saß maunzend unterm Tisch. Das kenne ich alles überhaupt nicht, dieser Kater befindet sich ausschließlich in seinem Körbchen. Dann ging ich irgendwann ins Bett, und der Kater war schneller dort als ich. Nicht in einem maximalen Social-Distancing Szenario, wie er es an den anderen fünf Tagen im Jahr macht, an denen er im Schlafzimmer schläft, sondern auf mir. Er schnurrte. Im Laufe der Nacht wurde ich original stündlich geweckt, da er laut schnurrend an meinen Haaren kaute. Ich motzte ihn an und schob ihn weg, er krallte sich in meinen Oberarm fest, schnullerte an meinem Pyjama und schnurrte laut. Dann schlief ich blutend wieder ein. Irgendwann wurde ich wach, da er an meinem Bein schnullerte. Laut schnurrend. Ich motzte ihn an, schob ihn weg, er krallte sich laut schnurrend an meinem Oberschenkel fest, ich schlief blutend wieder ein. Irgendwann wieder Haare schnullern, dann wieder Schulter schnullern, ich hasste alles daran. Heute morgen stand ich gerädert auf, er auch, ging in sein Körbchen, und dort liegt er nun und schläft sich aus.
Um 16 Uhr kam Ona aus seinem Zimmer und sagte: „Fiene wird läufig.“ Ich hasste alles daran.