Sie kennen ja die Friends-Folge, in der Rachel einen Schwangerschaftstest macht und Phoebe ihr dann sagt, dass der negativ ist, und dann ist Rachel traurig, und dann sagt Phoebe, dass er doch positiv war, und dann sagt Rachel mit so einer Liza Minelli-Attitüde „Such a risky little game“ und dann freuen sich alle auf das Baby? EXAKT das ist mir heute passiert, nur mit einem Fahrrad statt einem Baby und einem Crappy End statt einem Happy End.
Ich wollte also ein Fahrrad kaufen. Genauer gesagt ein E-Bike, was ich mir vor Jahren nicht hätte vorstellen können, aber ich denke, ich bin da jetzt, körperlich und emotional. Im Alltag habe ich keine Verwendung für ein Rad, ich wohne in einer Stadt, in der man U-Bahn fährt, und ich wohne direkt an der U-Bahn. Wenn ich also irgendwo hinmöchte, ins Schauspielhaus oder in ein Kaufhaus, wobei Letzteres ja irgendwie auch nicht mehr passiert, steige ich also in die U-Bahn und bin 12 Minuten später da. Zum Hauptbahnhof brauche ich mit der Bahn 11 Minuten, und viel mehr muss man ja auch nicht machen. Einkaufen mit dem Rad erscheint mir absurd, wenn man für die Herren H. Essen kaufen muss, da ist das Auto schon das bessere Gefährt. Fahren möchte ich am Wochenende, wenn das Wetter schön ist. Wir haben zum ersten Mal seit acht Jahren Wochenendfreizeit, da, ja, leider, das Kind die Handballschuhe an den Nagel gehängt hat, und jetzt sitzen Herr H. und ich regelmäßig sonntags auf dem Sofa und gucken starr an die Wand. Dann können wir auch radfahren.
Ich bin bis zum Kind ständig radgefahren. Als Kind auf dem Dorf zum Training und zu Freundinnen, später im Studium, dann im Job, alles auch Städte, in denen man mit dem Rad fährt, wenn man sich noch ein bisschen ernst nehmen möchte. Sogar in San Francisco hatte ich ein Rad, ein paar Tage nach meiner Ankunft kam ein dänischer Visiting Kollege auf mich zu und sagte: „You are European, aren’t you? Wanna buy my bike?“ Er musste nämlich zurück nach Hause, also kaufte ich sein Rad, das einzige Mal überhaupt, dass ich ein Mountainbike statt eines Gazelle Hollandrads fuhr.
Egal, jetzt fahre ich seit 15 Jahren nicht mehr. In den ersten Jahren nach dem Kind konnte ich schlecht auf so einem Sattel sitzen, das Problem besteht eventuell noch immer, wird sich aber fachmännisch lösen lassen. Und dann halt die Gründe oben, so, wie wir wohnen, braucht man kein Rad, außerdem macht das (mir) auch keinen Spaß in dieser Gegend. Ich hatte mir zwar noch ein Hollandrad gekauft vor ein paar Jahren, fahre es aber nicht, es ist schwergängig und reizt mich nicht.
Jetzt gibt es ja E-Bikes, die Tatsache, dass ich momentan drastisch untersportet bin, zudem mit dem Bein aber immer noch nicht gut schmerzfrei laufen kann – egal, Herr H. und ich kaufen jetzt Räder, und dann fahren wir sonntags wie so alte Leute mit dem Rad irgendwo hin, wo es Apfelkuchen gibt, ich denke, damit fangen wir an. Also ließ ich mir am Wochenende von Leuten, die mehr als ich von Rädern verstehen, eine kurze Einführung geben, dann recherchierte ich zwei Tage lang, suchte mir sechs Räder aus, die ich gerne einmal probefahren wollte, und bestellte die dann für eine Probefahrt bei so einem großen Radladen im Ruhrgebiet. Vielleicht sowieso nicht die klügste Idee, ich wollte ja gut beraten werden, aber dort gab es immerhin fünf der sechs, und man konnte sie auf der Webseite reservieren. Das tat ich, und am nächsten Tag bekam ich fünf gleiche Emails von einer Dame, die mir mitteilte, dass das reservierte Rad gerne aus dem Lager geholt werden könne, das dauere etwa 14 Tage ab Zahlung. Ich fragte erstaunt nach, ob ich das wohl richtig verstanden hätte, dass ich das Rad erst bezahlen muss, um es probefahren zu dürfen, und die ebenso erstaunliche Antwort war, dass das leider aus logistischen Gründen so sein müsse, da in den 14 Tagen ja Zwischenverkauf dann auch nicht möglich sei. Ich rechnete kurz aus, dass ich für die Probefahrt also etwa 24.000 Euro zahlen müsste, bedankte mich und suchte weiter.
Nach mehrmaliger Empfehlung buchte ich dann online einen Termin bei e-motion in Düsseldorf, dort rechnet man mit zwei Stunden für einen Gratistermin, das fand ich sehr überzeugend. Zwar gab es dort nur drei der sechs Räder, die ich testen wollte, ich spielte aber mit offenen Karten und sagte direkt, dass ich noch etwas anderes testen wolle, versprach aber unaufgefordert, das Rad hier zu kaufen, wenn das entsprechende Modell ausgewählt würde.
Ich fuhr also 1,5 Stunden mehrere Räder, lernte viel über mich und die Räder, das, was immer Testsieger ist, gefiel mir gar nicht, ein weiteres fand ich schon ganz gut, und dann setzte ich mich auf das mit Abstand teuerste Rad, und naja, was soll ich sagen: Das war leider wirklich genau richtig. Bis auf eine kleine Sache, der Lenker war mir unbequem, so ein grader Lenker für sportliche Leute, es gab aber das gleiche Rad auch eine Nummer kleiner mit Komfortlenker, also fuhr ich das auch noch, und jetzt weiß ich: Komfortlenker und 51 Zentimeter Rahmen ist perfekt, so viel Vorstellungskraft habe ich natürlich.
Ich verabschiedete mich, versprach noch einmal, dass ich – sollte es bei dem Rad bleiben – wiederkäme und es hier kaufen würde, dann fuhr ich weiter zu einem anderen Laden, der Räder mit deutlich besserem Preis-Leistungsverhältnis hatte. Das Modell, das ich mir ausgesucht hatte, kostete in der Premium-Ausstattungsversion noch weniger als alle, die ich morgens probiert hatte, also wollte ich das natürlich auch fahren. Als ich vor dem Laden parkte, dachte ich kurz an das Superrad, und dann saß ich 10 Minuten im Auto und dachte nach. Dann suchte ich kurz nach dem Rad im Internet – böse – und fand ein gebrauchtes von 2023, exakt das, was ich kaufen wollen würde, richtige Farbe, richtiger Akku, richtiger Lenker, richtige Größe, 600 km gefahren, schlappe 2.700 Euro weniger als das Neue. Also mehr Ersparnis, als alle Räder meines gesamten Lebens zusammen gekostet haben.
Ich fuhr wieder los und suchte Telefonberatung. Denn es ist ja so: Ich hätte das Rad ohne die gute Beratung ja nie gefunden, und ich hatte auch ungefragt versprochen, es nicht irgendwo anders zu kaufen. Andererseits würde ja niemand auf der Welt freiwillig 2.700 Euro mehr bezahlen, als es nötig wäre. Die Telefonberatung ergab Folgendes: Cube trotzdem ausprobieren, dann weiterüberlegen, eventuell wieder zu e-motion fahren und denen sagen, dass es leider so ist, wie es ist, dass ich aber gerne etwas für die Beratung zahlen wollen würde, und ob sie dann auch den Service übernehmen würden. Versicherung hätte ich auch noch dort abschließen können, und wenn es auch nur annähernd so ist, wie bei Autos, dann ist Aftersales eh das bessere Geschäft.
Ich fuhr nach Hause und wollte eigentlich noch eine Nacht drüber schlafen, doch dann ergriff mich eine gewisse Panik, der Preis war für das Rad, das exakt die richtige Konfiguration hatte (what are the odds?) wirklich sehr gut, also ging ich auf die Webseite, legte es in den Warenkorb, gab Liefer- und Rechnungsadresse ein, dann die Zahlungsmethode, und dann: Fehlermeldung.
Jemand war eine Sekunde schneller. Das Rad war weg. Panisch rief ich irgendeine Person in einem Callcenter an, um zu fragen, ob sie ausschließen könne, dass das Rad vielleicht nicht verkauft ist, sondern der Shop irgendeinen technischen Fehler hätte, und ja, das konnte sie ausschließen, und jetzt bin ich beleidigt. Ich warte jetzt noch ein paar Tage, ob vielleicht die doofe Person, die das Rad gekauft hat, abspringt, und dann fürchte ich, dass ich entweder kein Rad kaufe, weil ich beleidigt bin, oder eben das bequeme bei e-motion. Denn was ich in den letzten drei Stunden über mich selbst gelernt habe, ist, dass ich kein anderes Rad fahren will, und dann muss ich noch mal gut nachdenken.
Trotz der spannenden Rad-Geschichte bleibt mir vor allem die Frage: kein Handball mehr beim Kind? Wie konnte das geschehen?
Oh, der Räderkauf. Ein hochemotionales und kompliziertes Thema. (Alles außer dem Rahmen kann man ändern.) Ich komme aus einem Haushalt mit 2 – 3 Rädern pro Person und kann die Gefühlsachterbahn gut nachempfinden. Achja, bevor man im Laden unterschreibt, nach der Lieferzeit fragen.