Ich kann das noch nicht flüssig schreiben, das neue Jahr, was mir dezent bedeutet, dass mein guter Vorsatz, öfter zu bloggen, weil ich ja das Interesse an den sozialen Medien leicht verloren habe (thank God!), sich irgendwie auch nicht so umsetzen lässt. Also es ließe schon, aber zusätzlich ist ja auch noch Handball WM, was in der Praxis heißt, dass ich bis 18 Uhr arbeite und dann Handball gucke. Ich hatte ja zeitlebens einen sehr weichen Punkt für skandinavische Männer, was soll ich sagen, vielleicht gibt es einen Zusammenhang.
Morgen müssen wir uns aufteilen. Einer muss in die Schule, eine Person zur Beerdigung, eine Person zur Trauung. Ich bin die Person, die zur Trauung geht, das habe ich insgesamt sehr klug eingefädelt. Ich stehe etwas unter Druck, ich stehe nämlich nur vor einem Standesamt, festliche Garderobe ist also nicht zwingend gefragt, allerdings heiratet ein Berufs-Modedesigner, Jeans und Turnschuhe wären der Situation also auch unangemessen. Nun bin ich ja in Modefragen von Selbstzweifeln ungebremst, es gäbe also viele Möglichkeiten, aber gut, es ist kalt und ich kann noch eine Nacht drüber schlafen.
Herr H hat es im Vergleich etwas einfacher, er zieht einfach morgen zum dritten Mal in zwei Wochen seinen Hochzeitsanzug an, dreiteilig schwarz, oder wie der Verkäufer damals sagte: Freud und Leid. An der Weite der Hosenbeine kann man das Jahrzehnt ablesen, in dem wir geheiratet haben, zum Glück ist aber auch er in Modefragen von Selbstzweifeln völlig ungebremst, und ich denke nicht, dass ich ihn noch dahin bewegen kann, einen neuen Anzug zu kaufen. Und Recht hat er. Unser Leben ruft nicht oft nach Anzügen.
Ich habe ihn letzte Woche übrigens weinen sehen, und das stand mit keiner der Beerdigungen in Zusammenhang. Was da aus ihm rausbrach war Wut, nicht auf mich, nicht aufs Kind, sondern auf den Bundeskanzler, oder die Regierung, oder wer immer jetzt dafür veranwortlich ist, dass Deutschland keine Zusage für die Lieferung von Kampfpanzern in die Ukraine macht. Wir guckten das Statement von Pistorius nach dem Treffen in Ramstein, und dann sah ich den alten Sozialdemokraten ins Mark getroffen und erschüttert.
Ich denke noch darüber nach. Seit 11 Monaten halte ich mich ja brav an meine selbstgewählte Gleichgültigkeit, weil ich keine Meinung haben möchte zu Dingen, von denen ich keine Ahnung habe, ich bin ja nicht Markus Lanz. Aber so langsam formt sich in meinem Bauch ein Gefühl, dass ich vielleicht doch eine Meinung habe. Mein Mann hat jedenfalls eine, die ihn zu Tränen erschüttert. Und selbst, wenn Politik eigentlich kein Gebiet ist, auf dem seine Meinung mich sehr beeinflusst (ich denke, die Richtung ist umgekehrt), muss ich sagen: Da denke ich jetzt noch mal drüber nach, und ganz egal, zu welchem Ergebnis ich dann komme, am Ende wird das keinen Unterschied machen. Ich werde irgendwann zu Grabe getragen und man wird sagen: Sie hat noch nie SPD gewählt.