18.06.2023

Ups, schon der 18.06.! Zeit für Handball-Content.

Heute also bei 30 Grad Turnier in Pusemuckel, und ich möchte direkt mit dem großen Learning des heutigen Tages beginnen: Wenn man vom Feld geschickt wird, hält man die Fresse, bitte entschuldigen Sie das böse Wort. Eventuell habe ich ein böseres Wort gesagt, aber wir sind ja hier im Bildungs-Internet. Am Morgen hatte ich vor der Abfahrt noch die gegnerischen Mannschaften recherchiert, wir waren nämlich die einzigen Düsseldorfer, sonst viel Bergisches Land und Sauerland und so Exoten, also weiß man quasi nix über die Gegner, und die Recherche zeigte, dass es eine einzige Mannschaft aus der Kreisliga gab, sonst alles drüber, manche Vereine mit Erwachsenen in der Bundesliga. Ich stellte mich also auf Sonnenbrand und viel vertane Lebenszeit ein.

Dazu sei gesagt, dass Handballer:innen ja nicht umsonst eine Sportart gewählt haben, die in Hallen gespielt wird, die Eltern haben das in jungen Jahren gelenkt. Ich habe zum Glück nur weniger als ein Jahr einen Sohn gehabt, der fand, dass Sechsjährige grundsätzlich Fußball spielen müssen, mit allen Konsequenzen, nämlich Spiele am Wochenende im strömenden Regen oder bei 40 Grad ohne Schatten, Ona spielte lang genug, um alles erleben zu dürfen, kam aber dann zu Beginn der ersten Klasse zur Besinnung, seitdem spielt er in Hallen Handball und ich sitze auf der Tribüne, wie es sich gehört.

Wir reisten also an, ich war nicht frohen Mutes, teilte das allerdings nicht, im Auto wie immer Kumpel G und der Torwart, dann kamen wir in so einem albernen Fußballstadion an, in dem man vier Handballfelder unterbringen konnte, und dann wurde sich quasi nicht warmgemacht, weil es dafür dann wieder keinen Raum gab, Einwerfen auch nicht, das wurde von den Teenagern stark bemängelt, und dann Rasen, wie früher, sie fanden alles schlecht, dann nur 12 Minuten Spielzeit pro Spiel, für die Mannschaft, die seit über sieben Jahren erst mal 10 Minuten pennt und dann rasant aufholt natürlich auch sehr schlecht, und das Wetter, und die Sonne, und die Getränke, motz motz motz, 14Jährige.

Erstes Spiel, in Minute 2 stand es 4:0 für uns, der Rest ist Geschichte. Dann 15 Minuten Pause, genug Zeit, um sich gegenseitig zu versichern, wie super man ist, dann zweites Spiel, wieder deutlich gewonnen. Erste stöhnende Eltern, wir hatten ja geplant, dass wir nach der Vorrunde nach Hause fahren können zu Gartenliege und Aperol. Dann drittes Spiel, Hybris am Höhepunkt, Trickwürfe und Mätzchen, alles, was Testosteron uns zu bieten hat, Ona wurde einmal umge-bodycheckt und stand danach auf wie der Hulk oder Olli Kahn oder irgendjemand, der sich sehr breit machen kann, bei momentan 1,88 m und 70 Kilo schon lustig, wie viel Raum man alleine durch Willenskraft einnehmen kann, jedenfalls trotz Hybris auch locker gewonnen, damit war schon klar, dass wir leider bis zum Halbfinale um 18.45 Uhr sitzenbleiben müssen, dann letztes Spiel, starke Gegner, und das Umschalten klappte sofort, zack, gewonnen.

Eltern stolz, Teenager stolz, Trainer stolz, und eine kurze Beobachtung, die ich einschieben möchte: Die Jungs sind ja seit vielen Jahren ein Team, und sie lieben sich sehr, und was ich heute wirklich, wirklich uneingeschränkt super fand und was das Konzept Mannschaftssport in einer funktionierenden Mannschaft allen anderen Sportarten für mich so überlegen erscheinen lässt: Wir haben den gesamten Scheißtag in einem Fußballstadion im Bergischen gesessen, und in den Pausen zwischen den Spielen haben die Teenager was gemacht? Richtig. Sie haben am Rand vor den Klos Volleyball gespielt. 12 Kinder mit 12 IPhones, wovon ich schon alleine drei den ganzen Tag in der Tasche hatte, und sie spielten Volleyball. Mit einem echten Ball. Kein einziges Kind hat auch nur einmal an dem Tag sein Handy in der Hand gehalten. Und jetzt verstehen Sie mich nicht falsch: Ich bin ja gar keine Person, die findet, dass Handys böse sind, und mein Mantra ist seit vielen Jahren bekannt: Nicht das Handy ist böse (setzen Sie hier gerne ein Endgerät Ihrer Wahl ein), sondern das, was offensichtlich fehlt und was das Handy ersetzt, ist böse, aber es ist so: Ich hätte nicht gedacht, dass das mit einer Gruppe 14Jähriger 2023 noch möglich wäre. Verrückt.

Jedenfalls also Vorrunde alles gewonnen, dann Warten und Volleyball bis zum Halbfinale, da auch in kürzester Zeit 4:0 geführt, also alles entspannt, dann gewonnen, dann Warten mit sich selbst gut zureden, dann Finale, und zwar gegen die einzige Mannschaft, vor der man ernsthaft Respekt hätte haben können. Und jetzt – ich erzähle hier ja regelmäßig und viel über Handball – wenden wir uns einem neuen Thema zu: Schiedsrichterpsychologie.

Gepfiffen wurde das Finale von zwei recht betagten Herren, die aber noch fit genug waren, um im Gespann zu pfeifen, das bedeutet nämlich, dass man wirklich immer über das Feld laufen muss, weil es für die Schiris feste Positionen gibt, auf denen sie stehen müssen. Aufeinander trafen zwei Mannschaften, die von sich selber zu diesem Zeitpunkt dachten, dass sie Gottes Geschenk an den Handball seien, und nur eine konnte abliefern, und das waren, naja, unsere Jungs. 3:0 stand es sehr schnell, die Eltern waren schon ganz entspannt. Und dann geschah das, was im Handball nicht selten passiert: Die spielerisch klar unterlegene Mannschaft sucht die letzte Rettung im Zweikampf, gerne Griechisch-Römisch. So kugelten also ab Minute 4 permanent Spieler in Rot übers Feld, es wurde geschubst, gestoßen, gebodycheckt, nachgetreten, gekniffen, das volle Repertoire. Dennoch konnte Onas Mannschaft auf 6:0 vorlegen. Wenn das Spiel so kippt, muss eines passieren, und zwar wirklich sofort: Die Schiris müssen Grenzen setzen. Progressiv Pfeifen ist der Standard, das heißt: Erst nur Gelb, dann 2 Minuten, dann gucken, was passiert. Wir haben das in den letzten acht Jahren oft genug gesehen, und wenn die Schiris früh genug reingrätschen, fängt sich das Spiel meist wieder, weil es auch keinen Sinn mehr macht, so hart reinzugehen, wenn hinterher einfach alle Feldspieler mit Zweiminutenstrafe auf der Bank sitzen. Wenn die Schiris nicht reingrätschen, verläuft ein normales 50-Minuten-Spiel üblicherweise so: Irgendwann hält die andere Mannschaft gegen, und dann wird es sehr unangenehm auf dem Feld, weil dann beide Mannschaften unfair spielen, und das ist nicht schön anzusehen. Interessanterweise haben wir Eltern heute festgestellt, dass wir das in der C-Jugend eigentlich gar nicht mehr so oft gesehen haben, in D und E war es teils echt schlimm, aber da war natürlich der Impact einzelner Aktionen auch noch moderat. Jetzt bringen viele Spieler genug Masse mit sich, dass man sich ernsthaft verletzt, praktischerweise kommt das aber quasi zeitgleich mit dem Phänomen, dass alle werfen und fangen können und jetzt Strategie und Taktik das Spiel bestimmen (Thank God!)

Jedenfalls passierte Folgendes: Ab Minute 4 begannen die Gegner, nur noch zu bolzen, und – und das war erstaunlich, im Nachhinein betrachtet – unsere Mannschaft spielte einfach normal weiter, keine Gegenaggression, einfach noch ein paar Tore werfen, keiner tat sich ernsthaft weh (okay, Onas blaues Auge war vom Training am Montag). Die beiden Schiris ließen laufen, was ich sehr ungünstig fand. Dann stand es irgendwann 6:3 für uns, unsere Jungs liefen langsam sauer, blieben aber ruhig. Dann rannte ein 1,50 großer Spieler im Angriff wirklich ungebremst in Ona rein und fiel um, und Ona wurde für zwei Minuten auf die Bank geschickt. Ich persönlich hätte an dem Punkt Stürmerfoul gepfiffen, aber gut. Ona war sauer, Rest war sauer. Und dann ging alles ganz schnell: In Unterzahl warfen sie noch ein Tor, der Gegner drehte noch ein bisschen hoch auf der Aggressionsskala, Ona durfte wieder aufs Feld und machte original (und ich bin die letzte, die ihn nicht kritisieren würde, wenn es angebracht ist) gar nichts, und ein weiterer sehr kleiner Spieler rempelte ihn an, er rempelte zurück und bekam wieder 2 Minuten. Hier kurz erklärt: Jeder Spieler darf 2 mal 2 Minuten kriegen, danach ist Rot. Jetzt kennen wir das Phänomen seit der F-Jugend. Er ist immer der Längste auf dem Feld, und wenn es eine Rangelei gibt, wird immer er auf die Bank geschickt, das ist so. Das wären also die zweiten völlig absurden 2 Minuten gewesen, aber naja, er stellte sich vor den Schiri, hob die Schultern hoch und sagte „REALLY???“, und das waren dann direkt noch mal 2 Minuten, also die dritten, und das war Rot.

Und dann hatten die Schiris komplett die Kontrolle verloren. Ona ging vom Feld, die ganze Bank stand auf und brüllte, der Spielmacher in der Mitte sagte auch irgendwas, der Schiri gab zwei Minuten, dann schrie er „REALLY???“, dann kriegte er direkt Rot, dann brüllte unsere ganze Bank, da es ein Feldturnier waren und die Eltern am Rand standen, maßregelten alle ihre Kinder, der Trainer machte einen wirklich guten Job, dann kamen die Gegner vom Feld Richtung Bank und drohten mit Prügel, ein 14Jähriger drohte Herrn H (der ja nun der Allerletzte ist, der irgendwas sagt, aber halt auch am Rand immer der Längste) mit dem Ball abzuwerfen, Herr H brüllte dann „PASS MAL AUF DU“, dann drohte der gegnerische Trainer Herrn H, dann kriegte der gegnerische Trainer Gelb, dann passierte irgendwie noch sehr viel, und am Ende standen sich also 6 gegen 3 Feldspieler im Finale gegenüber, wir hatten 3 Tore Vorsprung aber halt ja auch gar keine Spieler mehr, dann eskalierte unsere Bank wieder, alle brüllten nur noch so erratische Dinge wie „Wirf einfach auf die Tribüne“ oder so was, dann wieder gute Trainerleistung, ich hätte nicht für die verantwortlich sein wollen, und dann wurde noch zwei Minuten richtig gebolzt auf dem Feld, und dann wurde abgepfiffen. Die letzten drei hatten tatsächlich den Sieg gerettet, mit zwei Toren Vorsprung, die Schiris liefen wütend weg, nicht ohne den offensichtlich bekannten Trainer der Gegner noch abzuklatschen, die Gegner weigerten sich, unsere Jungs abzuklatschen, und das ist schlechter Stil, nach jedem Spiel wird abgeklatscht, und dann, naja, dann hatten sie mit 14:0 Punkten das Turnier gewonnen, und ich sag’s mal so: Wenn sie das Finale wegen der unterirdischen Schirileistung als deutlich überlegene Mannschaft verloren hätten, dann wäre hier jetzt aber was los gewesen.

Nach der Siegerehrung hörten wir übrigens, dass der Schiri – Knut – hinlänglich bekannt sei. Er hätte so ein Blutrausch-Problem, manchmal würde er einfach 4 Spieler rausnehmen, wenn er in Rage gerät. Ich möchte Knut im hohen Alter doch noch folgenden Tip geben: Früher pfeifen, und die vielleicht gegen die richtige Mannschaft.

6 Gedanken zu „18.06.2023“

  1. Ich kann mir ja Handball als Basketball affiner Mensch nicht gut angucken – all das falsche Gedribbel und am Ende wird nicht auf ein Tor geworfen und zu viele Spieler auf dem Feld und so 😉 – aber hier in Ihrem Blog kann ich immer mit großer Freude über Handball lesen und bin allerbestens unterhalten. Vielen Dank für’s Bloggen! 😀

  2. Ich bin ja mit einem Mann verheiratet, der in seiner Jugend Handball gespielt hat und mir immer erzählt, das sei ein Kampfsport *gg
    Zugucken macht mir keinen Spaß – Zulesen hier dafür umso mehr
    Glückwunsch an die Jungs
    Mechthilda

    • Ich selber kann mir ja nichts Schöneres vorstellen, als ein Handballspiel zu gucken, und wenn dann noch auf Halbrechts das eigene Kind steht, ist viel Teenagerelend wieder ausgebügelt 😉

  3. ❤️
    Mein Sohn, 7, hat das mit dem Wetter noch nicht verstanden und spielt Fußball…
    Allerdings gut für meinen Puls beim Zugucken, beim Handball würde ich durchdrehen.

    Das mit den Handys in den Taschen finde ich sehr cool!

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