17.01.2023

Freud und Leid liegen häufig sehr nah beieinander, ich weiß nicht, ob Ihnen das mal aufgefallen ist.

Seit ziemlich genau einem Jahr fahre ich so ein Hybridauto, und an der Stelle muss ich dazu sagen: Wenn ich denn mal fahre. Ganz hin und wieder fahre ich irgendwo hin, wo es schön ist, zum Beispiel zu Frau N oder nach Wangerooge, in Leipzig war das Auto auch schon, ansonsten bin ich im weiteren Sinne ein Transportunternehmen, transportiere Lebensmittel vom Supermarkt nach Hause, das Kind in irgendwelche Handballhallen, den Hund in irgendwelche Wälder, die nicht unsere sind, und die Oma zum Arzt oder zum Supermarkt. Meine Theorie, dass ich es mit Ausnahme von vielleicht sechs bis acht etwas längeren Fahrten im Jahr absolut immer schaffen sollte, rein elektrisch zu fahren (das Auto hat eine rein elektrische Reichweite von etwa 50 Kilometern, meine Güte, wo sollte ich denn hinfahren, wenn ich ein Mensch wäre, der jeden Tag mehr als 50 Kilometer Auto fahren müsste, wäre ich sehr unzufrieden, was übrigens eine Entwicklung der letzten Jahre war, früher war ich anders), hat sich in den letzten 12 Monaten vollumfänglich bestätigt. Jedenfalls fiel die Entscheidung für den Hybrid in erster Linie aufgrund der Sorge, dass ich als superurbane Städterin ohne eigenen Parkplatz mit Lademöglichkeit erst mal noch nicht so genau wusste, wie ich das mit dem Laden hinkriegen würde, und wenn man nicht laden kann, sind 50 Kilometer dann doch wieder irgendwie wenig.

Langer Rede kurzer Sinn, ich musste neulich tanken und wusste nicht mehr, auf welcher Seite sich die Tankklappe befindet, also insgesamt war die Bilanz ganz okay, aber die praktische Lademöglichkeit zuhause fehlte deutlich. Umso euphorischer war ich, als ich eines Tages das Haus verließ und da plötzlich eine Ladesäule stand. Einfach so, vor dem Haus. Wie cool ist das denn. Die Ladekarte von den Stadtwerken hatte ich bereits, jetzt gab es nur noch die Hürde, dass die Ladesäule zugeparkt war. Immer. Von Dieselautos. Dazu sei gesagt: Ich erwarte von Mitmenschen nicht, dass sie mitdenken, dafür sind Menschen nicht gemacht, und es gab keine Markierung und kein Parkverbotsschild, also mache ich niemandem zum Vorwurf, dass er dort parkt (korrekt gegendert), Nettsein ist ja keine Pflicht.

Also schrieb ich vor drei Wochen die Stadtwerke an, bedankte mich erst einmal ganz ausführlich für die tolle Ladesäule, ganz ernstgemeint, mein Leben wäre ja absolut entkompliziert, wenn ich einfach vor der Haustür laden könnte, und fragte freundlich nach, ob man da nicht vielleicht noch eine Beschilderung anbringen könne, damit klar ist, dass das kein Parkraum mehr ist. Die Antwort war sehr erfreulich: Man würde derzeit im Düsseldorfer Stadtgebiet Hunderte Ladesäulen parallel aufstellen, und da geht auch mal was daneben, man würde sich kümmern und zack, zwei Tage später stand die Beschilderung.

Die Logik ist jetzt so: Man darf während des Ladevorgangs vier Stunden dort stehen, mit Parkscheibe. Ohne Ladevorgang oder länger als vier Stunden halt nicht. Wenn das Auto nach vier Stunden noch nicht voll ist, muss man trotzdem weg, Strafzahlung an der Säule und Knöllchen. Habe ich verstanden, ist fair, machen wir so, ist dann so, soll mir recht sein. Es gibt zwei Anschlüsse und der Parkraum reicht für zwei Autos, da ich das einzige E-Auto auf der Straße, die keine Durchgangsstraße ist, fahre, war ich mir sicher, dass jetzt alles schön wird. Bis zum Moselurlaub im April nur noch elektrisch, hurra.

Was ich nicht wusste, war, dass Leute da einfach trotzdem parken, und zwar immer. In zwei Wochen ist es mir nicht gelungen, dort zu laden. Ein Dauerparker stand nun 8 Tage an der Säule, ich nehme an, das ist einer von diesen Leuten, die immer hier parken, weil man von hier aus so gut zum Flughafen kommt, in den Sommerferien stehen hier nur noch Autos von Urlaubern. Gestern kam ich vom Bäcker, beobachtete einen älteren Herrn beim Einparken in den zweiten Ladesäulenplatz (VW Golf, in etwa das Modell von Udo Brinkmann) und sagte für mich ungewohnt freundlich: „Entschuldigen Sie, dies ist kein Parkplatz, das da ist eine Ladesäule.“ Die Antwort erspare ich Ihnen, kam nur Quatsch raus.

Also ging ich rein und rief das Ordnungsamt an. Mit der Präambel, dass ich eigentlich nicht denunziere, aber dass ich gerne wüsste, ob es irgendeine Möglichkeit gibt, dass ich die Ladesäule irgendwann hypothetisch nutzen kann, traf ich auf sehr offene Ohren. Man habe auf dem gesamten Stadtgebiet das gleiche Problem: Leute parken an den Ladesäulen, die Begründung ist, dass man ja nicht immer mehr Parkplätze aufgeben könne, Radwege, Parkplätze für Lastenfahrräder, und jetzt noch Ladesäulen, jetzt sei aber mal gut.

Nein, ist nicht gut. Ich habe sehr viel Geld in die Hand genommen, um mein Leben als Straßenparkerin sehr viel unkomfortabler zu machen (gelogen, ich könnte ja dank Hybrid auch mit Benzin fahren, das hätte ich dann aber wieder deutlich günstiger machen können, will ich aber nicht, wegen, naja, Ihnen muss ich das nicht erklären. Wenn ich nicht umstelle, als Person, die die Anschaffung stemmen kann und außerdem auch ihre persönliche Logistik so gestalten kann, dass das rein elektrisch gut klappt, wer denn dann?), und wenn dann die Stadt verstanden hat, dass da jetzt die Reise hingehen muss, wenn die Leute schon so bekloppt sind, dass sie denken, sie müssten in der Großstadt mit dem Auto rumfahren, dann sollen sie das auch bitte irgendwie emissionsärmer machen, also stelle ich in den städtischen Gebieten Ladesäulen hin, damit auch die Leute ohne Bauernhof gut laden können, dann IST DAS SO. Ich spare ja CO2 für den 1984er Golf mit ein.

Heute morgen hatte ich noch 1 km elektrische Reichweite, das Kind hat bis 20 Uhr Training und soll deshalb mit der Bahn hin und mit dem Auto zurück, ich musste also laden. Der Urlauber stand noch immer da, irgendeine andere Karre auch, also rief ich wieder beim Ordnungsamt an (darum hatten sie gebeten, die Leute sollten sich melden, dann würde engmaschiger kontrolliert), irgendwann war der Urlauber dann weg. Naja, ob freiwillig oder nicht, habe ich nicht verfolgt, aber ich nutzte schnell die Gelegenheit und stellte mein Auto an die Ladesäule, stöpselte alles ein, drehte die Parkscheibe auf die korrekte Uhrzeit, ging wieder rein.

Und kam drei Stunden später wieder raus. Und hatte ein Knöllchen. Während mein Auto lud. Wie der falschparkende Verbrenner vor mir. Also machte ich ein Foto von der Situation und rief wieder beim Ordnungsamt an. Denn es ist ja so. Im Zweifelsfall ist es mir ja SEHR recht, wenn da jetzt mal so richtig durchgegriffen wird, alle ins Gefängnis, sofort, Zuchthaus, keine Bewährung, aber jetzt müssen das Ordnungsamt und ich noch gemeinsam lernen, wie wir das denn bewerkstelligen, dass ich da vier Stunden am Tag laden darf. Das Problem mit dem fehlenden Parkraum habe ich übrigens im Anschluss an die vier Stunden auch, diese Information geht raus an den Herrn, der mir heute im Rahmen der Ladesäulenaufklärung anbot, ich könne ihn am Arsch lecken, ich fand ihn aber deutlich zu ungepflegt, um das in Erwägung zu ziehen.

Das wird alles sehr schön mit der Mobilitätswende. Ich ziehe das mit der Fenster-Wutrentnerin einfach zwei Jahrzehnte vor.

7 Gedanken zu „17.01.2023“

  1. In München, ganz bei mir in der Nähe in der Reisingerstraße, gibt es das Bienenhaus. Das denkmalgeschützte Gebäude wird so genannt, weil seine Fassade unter anderem mit Darstellungen von Bienen und Bienenkörben geschmückt ist (links zu sehen https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Reisingerstr._10_Muenchen-2.jpg). Im ersten Stock sitzt die Kommunale Verkehrsüberwachung, ich sehe beim Passieren immer wieder große Gruppen Verkehrsüberwachungsmenschen in Uniform rein- und rausgehen (und freue mich dann, weil das zum Bienenstock passt). Direkt vorm Bienenhaus gibt es vier Ladestationen. Sie sind nie mit nicht-ladenden Autos zugeparkt.
    In manchen Momenten halte ich die Münchner Stadtverwaltung für bis zur Abgefeimtheit schlau.

  2. Jetzt habe ich eine Vision.
    Man könnte an die Anwohner von Ladesäulen Aufkleber austeilen mit der Aufschrift „Dies ist ein Ladeplatz für E- Autos“. Die Aufschrift ist aber eigentlich egal.
    Die klebt dann der Anwohner auf die Frontscheibe des parkenden Autos, auf der Fahrerseite, in Augenhöhe. Wichtig ist, dass der Klebstoff gut ist und man die Folie nicht ohne Rasierklinge oder ähnliches abbekommen kann.
    Ich weiß jetzt allerdings nicht genau, ob es verboten ist, Sticker auf Frontscheiben anzubringen.

  3. Für mich absolut gamechanging Lifehack (so lange Sie noch Hybrid fahren:) ein klitzekleines Dreieck neben der Tankanzeige deutet auf die Seite des Tankdeckels. (Sorry for RFH, keine Tipps und so, ich wollte so gerne mal wider kommentieren)

  4. Schon Mal die App ‚Wegeheld‘ ausprobiert?
    Bild machen, Straße und Hausnummer wird erkannt, Kennzeichen eingeben und dann geht das per Mail ans Ordnungsamt.
    Das 4 Wochen durchziehen ( bis die Knöllchen zugetellt sind) und Tada:
    fertig ist die Verkehrswende vor der Haustür 👍

    • Ah, ich mache das ungefähr so ohne App. In der Parallelstraße ist noch ein E-Volvo, der beteiligt sich, glaube ich. Immer, wenn ich laden müsste oder möchte, und beide Plätze sind zugeparkt, schreibe ich eine Mail. Und nach einer Woche wird es langsam besser.
      Genau das ist nämlich der Plan, das hatte da Ordnungsamt auch so vorgeschlagen. Einmal klar kommunizieren durch Aktion, danach ist das System gelernt. Ich bin gespannt, aber optimistisch.

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