14.03.2022

Mein Kind denkt sich ja gerne Geschäftsmodelle aus. Ich finde das erstaunlich, ich selber habe da mit 40 erst mit angefangen, aber gut, ich sehe es so: Wenn ein Kind irgendwie klug ist und sich gerne Geschäftsmodelle ausdenkt, dann liegt der Erziehungsauftrag darin, dem Kind ein moralisches Gerüst mitzugeben, dass es sich später Geschäftsmodelle ausdenkt, die gut für Menschen und nicht gut für Märkte sind, und dann ist ja insgesamt alles sehr gut, denn das Ergebnis könnte unterm Strich besser sein, als wenn niemand sich ein Geschäftsmodell ausdenken würde, das gut für Menschen ist. Ein wenig wie seine Mutter, sage ich nicht ohne Stolz.

Ich habe mir heute auch ein neues Geschäftsmodell ausgedacht. Ich stelle künftig Wandfarbe her. Die werde ich dann sehr teuer machen (und ich weiß natürlich, dass ich eher noch im mittleren Segment unterwegs war, ich habe auch schon mal Farrow&Ball verstrichen, aber nicht auf der großen Fläche), dann denke ich mir Farben aus, die einen kleinen Ticken hübscher sind als die, die man sich im Baumarkt mischen lassen kann, denn Nerdmenschen, ich zum Beispiel, sitzen dann mit 10 Farbkarten aus Baumarkt und Briefkasten, da man sie bestellt hat, auf dem Sofa und überlegen sich, welches der 10 Dunkelblaus jetzt das allerschönste ist… egal, jedenfalls hätte mein Dunkelblau dann einen wunderschönen Namen, so einen, von denen Menschen denken, dass eine Farbe mit dem Namen an der Wand das komplette Leben verändern würde, und dann verkaufe ich natürlich nur eine einzige Gebindegröße, nämlich 2,5 Liter, das ist vermutlich die Größe, die am allersinnlosesten ist, denn ein Altbauzimmer kann man damit schon mal nicht streichen, auch nicht mit zwei Farben und zwei Eimern, das habe ich für Sie getestet, und für Leute, die nur eine kleine Fläche streichen wollen, wie zum Beispiel mein Stück Salbei hinter der Spüle, weil ich ja nix hässlicher finde als Fliesenspiegel in der Küche, also habe ich einen Holzboden und keinen Fliesenspiegel in der Küche, und jetzt dürfen Sie mich natürlich auslachen, nach sechs Jahren mit so einem großen Schlabberhund sieht das nämlich alles scheiße aus, aber gut, wo war ich? Streichen führt in meinem Fall nicht zu schärferem Fokus, stelle ich fest. Jedenfalls verkaufe ich dann nur dieses sinnlose Gebinde, und dann kaufen Menschen davon viele, wenn sie ein Zimmer streichen wollen, in dem vollen Bewusstsein, dass die Baumarktfarbe für die Hälfte wirklich nur eine Nuance anders gewesen wäre und man in der Sekunde, in der man streicht, den Unterschied vielleicht eh nicht mehr sehen würde, und dann schreibe ich drauf, dass man 30 Quadratmeter damit streichen kann, dann kaufen Leute eine Dose und streichen, sitzen nach 15 Quadratmetern ohne Farbe da, decken tut sie auch nur 90%, und dann vertraue ich darauf, dass an diesem Punkt ja schon die Entscheidung fällt: „Komm, jetzt hab ich schon so viel Geld ausgegeben, jetzt muss ich das durchziehen, sonst ärgere ich mich ja ewig“, und dann habe ich statt 2 Dosen 6 verkauft.

Und dann bin ich reich.

4 Gedanken zu „14.03.2022“

  1. Auf das Konzept bin ich im Januar reingefallen…ich habe den ersten Eimer „Sanfter Morgentau“ mit dem Gummischaber ausgekratzt, um nicht für weniger als 0,5 qm den zweiten Eimer anbrechen zu müssen. Den hab ich dann wieder zurückgebracht.

    • Naja, das ist dann halt der Punkt. Ich habe bereits ein wunderschönes aber sehr fehlerhaft eingebautes Bad, über das ich mich seit sechs Jahren jeden einzelnen Tag ärgere. Ich weiß also, dass ich dazu durchaus im Stande wäre. Gut, nun ist es gestrichen und ich bin zufrieden. Immerhin.

  2. Ich fürchte, Kolorat und MissPompadour decken dieses Modell schon ab und haben sich sehr präsent bei den Influencern platziert, sodass alle sofort diese Farben kaufen wollen.
    Der werte jawl erscheint immer noch in Ihrem Profilbild, wenn Sie in den Kommentaren antworten.

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