04.12.2024

Ich hänge derzeit noch fest an dem Konzept „Verantwortung“, also gedanklich. Und während ich so vor mich hinsaß und über Verantwortung nachdachte, bemerkte ich, dass ich schon einmal da saß und über Verantwortung nachdachte, und nach einer kurzen, viele Umwege nehmenden Recherche, fand ich den Text, in den dieses Nachdenken mündete, wieder. Ist ja schon interessant, dass man drei Jahre später schon wieder an dem gleichen Punkt angekommen ist. 2021 ging es in meinem Kopf um den ungeordneten Abzug aus Afghanistan, die zurückgelassenen Ortskräfte, und um Politiker:innen, die anschließend die volle Verantwortung dafür übernehmen sollten. Dinge zweimal denken und aufschreiben zu wollen, ist ineffizient, daher zitiere ich meine Fragen von 2021:

Die Rufe nach der Übernahme von Verantwortung, die aus vielen Ecken jetzt laut werden, jetzt, an diesem Punkt, müssten für mein Verständnis einmal eingeordnet werden, ich brauche nämlich mehr Information zu: 1) Wie soll diese Übernahme der Verantwortung konkret aussehen und 2) Was soll diese konkrete Ausgestaltung in der jetzigen Situation genau bringen? Vielleicht verstehe ich dann besser, was gemeint ist und wofür es gut ist. Wir sollten übrigens nicht die Übernahme von Verantwortung verwechseln mit dem Gebot der anschließenden Aufklärung des Geschehenen. In meiner sehr auf Effizienz getrimmten Welt erscheint letztere allerdings auch fast überflüssig, ein Lernerfolg ist ja eher nicht zu erwarten.

Sieh an, das kann ich jetzt 1:1 übersetzen in die heutige Zeit. Christian Lindner übernimmt die Gesamtverantwortung für die Sabotageaktion seiner Partei, und das tut er, indem er sagt, dass er die Gesamtverantwortung übernimmt. Ich weiß, ich habe mich neulich schon drüber aufgeregt, aber es ist ja auch absurd! Und sieh an, selbst meine Warnung, die Übernahme von Verantwortung nicht mit dem Gebot der anschließenden Aufklärung des Geschehenen zu verwechseln, können wir gut auf 2024 anwenden. Zudem es ja noch alberner wird, weil die Aufklärung bis dato ja nur zutage gefördert hat, dass leider irgendwelche Mitarbeiter sehr schlecht gehandelt haben, nun gut, dann kann man die natürlich rauswerfen. Ich erinnere mich jedoch daran, dass ich mal beruflich mit jemandem gestritten habe, der in einer Unternehmenshierarchie sehr weit oben war, und dessen Team eine wirklich sehr dumme Sache gemacht hat, die große Kreise zog. Sein Argument war „Junior Consultant XY hat das verbockt“, mein Argument war „die Verantwortung für das Ganze trägt jemand, dessen Pay Grade und Firmenwagen ihn dafür entschädigt, dass er verantworten muss, was in den Ebenen unter ihm passiert, dann muss man zur Not den Überblick behalten“, und naja, der Junior Consultant durfte bleiben. Hat aber vielleicht viel gelernt.

Ich habe Christian Lindner gegenüber ja keinen pädagogischen Auftrag, daher möge er bitte machen, was er möchte, soll er doch die FDP unter die 1% führen. Mir doch egal. Was mich aber stört, ist, dass Bedeutungen verschoben werden, wieder einmal, von Dingen, die wichtig sind. Es ist wichtig, dass Menschen Verantwortung übernehmen, und je exponierter und priviligierter die eigene Situation, desto mehr sollte man sich dessen bewusst sein, auf Niederländisch sagt man „hoge bomen vangen veel wind“, hohe Bäume fangen viel Wind, und die Privilegien könnte man sich erklären als Schadensersatz dafür, dass der eigene Kopf zur Not rollt, wenn ein Kopf rollen muss. Bei VW muss doch auch der Chef gehen, wenn man vergessen hat, E-Autos zu bauen und stattdessen mit dem Abgas – ach Moment, nee?