03.04.2022

Gestern, auf dem Ball, hatte ich einen epiphanischen Moment. Ich saß mit Frau N am Tisch, an dem es kein Essen gab und wir uns keine Getränke kauften, weil man nur mit Bargeld bezahlen konnte (wir ließen uns aushalten, ein bisschen Bargeld hatten wir, aber dann spendierten uns irgendwelche Vatis Getränke, indem sie uns in eine etwas größere Getränkerunde involvierten, und irgendwann wusste ich: Mit dem bisschen Bargeld, das wir beide zusammenschmeißen könnten, würden wir uns nicht in der Runde revanchieren können, also sprach ich offen und sagte: „Bitte überlegen Sie sich, ob Sie uns noch ein Getränk spendieren möchten, wir können nämlich keine Runde für Sie spendieren, wir haben kein Geld“, dann drehte ich die hochpreisige kleine Handtasche von Frau N elegant weg, sonst würden Menschen noch denken, wir hätten alles Geld, das zur Verfügung stand, für eine Handtasche ausgegeben, das würde einen falschen Eindruck vermitteln). Ach ja, der epiphanische Moment. Ich trug ja einen Strampelanzug, den ich alleine an- und ausziehen kann, dennoch war der Gedanke, damit auf eine öffentliche Toilette zu gehen, nicht ansprechend. Also plante ich einen Gang dorthin bereits im Vorfeld des Abends. Da ich ja noch lange fahren musste, waren auch die Getränke geplant, Cola gegen Ende, damit ich wach bleibe, allerdings nicht so weit am Ende, dass die Fahrt unterbrochen werden müsste. Der Ball endete geplant um Mitternacht, um 23.45 Uhr standen nahezu alle Menschen auf der Tanzfläche und praktizierten Gesellschaftstanz, und mein Moment war gekommen. Ich stand auf, wies Frau N an, auf meine Sachen aufzupassen, und lief los. Einfach so. Ganz normal.

Auf hohen Schuhen. Ich lief im Slalom durch den halben Saal, bis es mir auffiel, und dann erschrak ich kurz, hielt inne, fragte mich, was anders ist, stellte fest, dass mein Schwerpunkt weiter hinten liegt – ja, ich kann das fühlen, ich war auch überrascht – dann holte ich Luft, hoffte, dass ich vielleicht einfach so weiterlaufen könnte, ohne, dass mein Kopf wieder umspringt und damit der Schwerpunkt auch und zack: Hat geklappt.

Seit dem Unfall 2016 bin ich quasi nie mehr auf hohen Schuhen gelaufen. Das Gelenk gab es erst nicht gut her, irgendwann kam dann eine unterschwellige Angst hinzu, die ich immer mit mir rumtrage: Angst vorm Umknicken. Ich bin seit 2016 nur einmal überhaupt umgeknickt, vor drei Tagen, daher der Hexenschuss, da ich sofort mit vollem Körpereinsatz überkompensierte und mir lieber alle anderen Knochen gebrochen hätte, nur den einen nicht. Jedenfalls, zurück zum Ball: Ich war sehr in Gedanken beschäftigt. Ich ging im Kopf schon mal die WC-Situation mit dem Strampelanzug durch, überlegte, ob ich doch die Tasche hätte mitnehmen sollen wegen Nachpudern und Co, gruselte mich vor der Rückfahrt, hatte zudem immensen Hunger, und ehe ich mich versah, war ich durch den halben Raum gelaufen. Ganz normal.

Die Treppe nahm ich in einer sehr hohen Geschwindigkeit, wie ich es in Turnschuhen tun würde. Ging auch. Dann gingen wir irgendwann zum Auto. Ganz normal. Und was ja noch erwähnt werden sollte: Ich trug ja „meine“ Schuhe, und wenngleich sie immens bequem sind, fand ich sie zu den Zeiten, als ich noch nahezu ausschließlich auf hohen Schuhen lief, immer sehr schlecht zu laufen, da der Absatz, der gar nicht hoch ist, aber an einer sehr unerwarteten Stelle unter dem Schuh sitzt, das gibt ein komisches Laufgefühl. Dennoch bin ich früher komplikationsfrei Halbmarathone darin gelaufen, denn wie gesagt, bequem sind sie ja, nur das Laufgefühl.

Vielleicht war das der Durchbruch. Vielleicht kann mein Kopf jetzt wieder auf hohen Schuhen laufen. Das wäre schon sehr gut. Denn eine Sache ist klar: Schmerzen sind die eine Sache. Gestern lernte ich 30 Minuten nach Veranstaltungsbeginn: Junge Menschen ziehen die Heels einfach aus, wenn die Füße weh tun und tanzen dann Walzer in Feinstrumpfhose (übrigens schwierig: Alle trugen offene Schuhe mit Feinstrumpfhosen. Macht man das jetzt so? Ich bin da dann raus. Dafür wurde die Peeptoe Strumpfhose erfunden.) Aber unentspannt auf Hacken durch die Welt straucheln. Das ist eine andere. Das sah ich für mich nicht.

1 Gedanke zu „03.04.2022“

  1. Herzlichen Glückwunsch zum Lauferfolg. Nächstens dann eine Bergwanderung in normalen Schuhen?
    Ich habe gestern tatsächlich ein, zweimal meine 10cm Absatzschuhe ausgezogen. Heimlich unter dem Tisch. Naja, es war ein Stehtisch und deswegen nicht unbemerkt. Dann die Füße massiert, dann kurz drüber nachgedacht, ob ich jetzt anstandshalber sofort die Hände waschen muss oder erst was trinken kann. Ich glaube, ich muss heute noch bloggen.

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