01.10.2023

Um 11.25 Uhr stand ich auf, humpelte ins Wohnzimmer, fand dort Herrn H, setzte an, „Guten Morgen“ zu sagen, stellte fest, dass ich keine Stimme mehr habe, also gaben wir uns High Five, einfach nur, weil wir aufgestanden sind, dann gab es zwei doppelte Cortado und Frühstück für die Tiere, die heute Nacht um 3 schon ganz begeistert waren, dass heute der Tag früher anfängt, und jetzt sitzen wir alle bis auf den armen Hund auf der Couch, gucken das Spiel Magdeburg-Kiel, dessen Ergebnis Herr H mir freundlicherweise vorab aus Versehen schon mal gesagt hatte.

Die Old Daddy Revival Party war ganz fantastisch. Ein bisschen so, wie das Tocotronic Konzert neulich. Die Teilnehmenden sind die gleichen Leute wie 1995, und ich konnte in beiden Fällen zwei Gruppen unterscheiden: Die, die sich noch in die Klamotten von damals gepresst hatten und die, die ihre Endvierziger-Casual-Garderobe gewählt haben. Beinahe wären wir doch nicht hingegangen, als ich um 20.45 Uhr aus der Dusche kam, sagte Herr H. nämlich ganz begeistert: „Die Anderen kommen nicht, ein bisschen krank, du musst dich nicht anziehen“, da ich aber seit morgens früh sehr viel Kraft dafür aufgewendet hatte, mich emotional darauf vorzubereiten, spät abends überhaupt erst das Haus zu verlassen, musste es jetzt auch passieren, und wir fuhren zu zweit los.

Dort war alles schön. Musik schön, Leute schön, Herr H. schön wegen lustig – als ich das erste Mal tanzen gehen wollte, knüddelte ich Jacke und Tasche, beides ausgewählt nach dem Kriterium „am wenigsten schlimm, wenn weg“ unter einen Stehtisch neben der Tanzfläche, und als ich irgendwann zurückkam, stand Herr H. am Rand und trug meine Handtasche, er machte sich Sorgen. Also nahm ich den Autoschlüssel in die Hosentasche, das Handy war da sowieso schon, Bargeld hatte ich kaum, nach der nächsten Tanzrunde nahm ich noch Perso, Führerschein und Karten aus dem Portemonnaie und wollte sie in die Handyhülle packen, passte aber nicht, also steckte Herr H sie in sein Portemonnaie in der Jackentasche, und dann gingen wir wieder tanzen.

Folgende Beobachtung: So wie ich auch freuten sich alle Endvierziger:innen über jedes Lied, viele hatten noch Tanzroutinen (dazu sei gesagt, dass die vornehmliche Tanzroutine für viele Indiedinge – und es wurde nur Indie gespielt, deshalb waren wir da – einfach aus Vor-und-Zurücklaufen besteht, am allergerührtesten war ich, als es zu Killing in the Name dann sogar Herrn H auf die Tanzfläche zog, und viele viele andere, die alle für den kurzen Moment spürten, dass sie mal richtig cool waren und heute noch richtig cool sind, also brüllten und hopsten sie und – und damit machten sie alles wieder kaputt – filmten sich dabei mit ihren Handys. Nun gut. Wir machten irgendwann ein Selfie von uns und schickten es dem Kindelein, tanzten dann bis halb 3 durch, ließen uns beim Bezahlen unserer Verzehrkarten übers Ohr hauen, setzten uns ins Auto – ich habe noch nie in einer Disco Alkohol getrunken, daher schien mir folgerichtig, das auch heute so zu halten – und fuhren nach Hause. Dort schminkte ich mich ab, ich bin also offiziell erwachsen, Herr H machte sich eine TK-Pizza, das ist offiziell das komplette Erlebnis, und dann gingen wir ins Bett. Heute tun große Teile des Körpers weh, aber bis 16:30 muss ich nicht vom Sofa aufstehen. Dann ziehe ich mir ordentliche Schuhe an und gehe zum Gängemenü ins Steigenberger. Größer könnte die Schere kaum sein. Es war perfekt, sollte es diese Daddy-Revival-Party öfter geben, gehen wir vielleicht sogar noch mal hin, Ich werde dann nur eine einzige Kreditkarte mitnehmen, in der Handyhülle, Herr H wird sich nicht nach dem Zwiebelprinzip kleiden – T-Shirt, Hoodie, Jacke, während um ihn rum alle im Netzhemd auf der Tanzfläche stehen, wir werden am Ausgang nachrechnen, und vielleicht schaffen wir es nächstes Mal sogar, dass wir bleiben, bis sie San Diego von Eternal Afflict spielen. Das wäre schön.

1 Gedanke zu „01.10.2023“

  1. Seit ich sogar beim Tierarzt mit ApplePay auf meiner Uhr zahlen kann, habe ich eigentlich nie mehr irgendwas mit. Man muss nicht nach dem Portemonnaie suchen, man muss keine PIN wissen, man kann keine Karte irgendwo liegenlassen, niemand kann was klauen, man ist taschenlos und unbeschwert. Das Konzept hat mich überzeugt.

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